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Biografisches Handbuch

Detlef Bremer

geboren am 20. Mai 1957 in Malchow | ertrunken am 7. Mai 1988 | Ort des Vorfalls: Pötenitzer Wiek (Mecklenburg-Vorpommern)
BildunterschriftDetlef Bremer
BildquelleBStU
Quelle: BStU
Unmittelbar am Grenzsignalzaun II im Abschnitt Pötenitz entdeckten Grenzsoldaten am Morgen des 7. Mai 1988 einen Lastwagen des VEB Kohlehandels Neubrandenburg. Die Spurensicherung ergab, dass eine männliche Person vom Dach des Fahrzeugs über den Zaun gesprungen war, den Grenzzaun I überklettert hatte und dann in die Pötenitzer Wiek gestiegen war, um an das 1.250 Meter entfernte westliche Ufer zu schwimmen.

Die Funkabhörspezialisten der DDR-Grenztruppen fingen am 18. Mai 1988 eine Meldung der Polizeiinspektion Lübeck ab, wonach am dortigen Skandinavienkai eine Leiche aufgefunden worden war. Der handschriftlichen Notiz über diese Meldung wurde hinzugefügt: „Vermutl. Bremer, Grenzdurchbruch v. 7.5.88“. Die Nachrichtenagentur dpa verbreitete am 24. Mai 1988 eine Mitteilung des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen: Der am 18. Mai „in der Lübecker Bucht geborgene Mann stamme mit großer Sicherheit aus der DDR und sei auf der Flucht ertrunken“. Die Bundesregierung habe mit Bestürzung darauf reagiert, „daß innerhalb einer Woche offenbar zwei Menschen bei Fluchtversuchen aus der DDR ums Leben gekommen sind“.

Für den Abend des 6. Mai 1988 hatte sich Detlef Bremer mit seiner Freundin zu einem Kinobesuch verabredet. Sie wartete jedoch vergebens auf ihn. Als sie sich zu seiner Wohnung begab, fand sie vor der Tür ein Blatt Papier mit der an sie gerichteten Nachricht: „Angelika, bin nicht zu Hause, komme auch heute nicht nach Hause, Detlef.“ Wie sich später herausstellte, hatte Bremer kurz nach 19 Uhr einen Lastwagen seiner Arbeitsstelle in Malchow entwendet und war damit zur DDR-Grenze gefahren. Da der Kontrollposten der Volkspolizei an der Landstraße zwischen Dassow und Pötenitz nicht besetzt war, gelangte er ohne Probleme ins Grenzgebiet. Unmittelbar am Grenzsignalzaun II im Abschnitt Pötenitz entdeckten Grenzsoldaten am Morgen des 7. Mai 1988 einen Lastwagen des VEB Kohlehandels Neubrandenburg. Wie die Spurensicherung ergab, fuhr Bremer das Fahrzeug nahe an den Grenzzaun heran, stieg auf das Dach und sprang über den Zaun. Bis zum ersten Grenzzaun waren es noch knapp 500 Meter, die er zurückzulegen hatte. Dort angelangt kletterte er über den Zaun und begab sich zum Ufer der Pötenitzer Wiek. Er zog seine Oberbekleidung aus, stieg ins Wasser und begann zu schwimmen. Die Entfernung zum westlichen Ufer betrug etwa 1 250 Meter. Detlef Bremer schaffte es nicht, sie lebend zu überwinden.

Am 18. Mai 1988 entdeckte die Besatzung eines Bootes des Wasser- und Schifffahrtsamtes Lübeck am westlichen Traveufer südlich der Einfahrt Dassower See, Raum PE 22 75, eine etwa 25 bis 30-jährige männliche Wasserleiche. Der Tote trug keine Papiere bei sich aber einige Fotografien. Der zur Todesfeststellung herbeigerufene Arzt Dr. Horst-Michael Schulz sagte im Zeitzeugengespräch über seine Feststellungen am Auffindeort: „Ich kann mich erinnern, dass Herr Bremer nur mit einer Unterhose und einem Unterhemd bekleidet war. In seiner Unterhose hatte er Fotos von der Familie dabei, die in einem Fotoladen in Meyenburg, Land Brandenburg, entwickelt wurden. Er lag auf dem Bauch, hatte aber einen Arm unter dem Kopf, als wenn er das Gesicht vor den Steinen schützen wollte. Dieses Bild werde ich nicht vergessen. Das war für mich sehr traurig, weil meine Flucht mit meinem Kollegen Bertram Kaden beim zweiten Versuch zwischen dem 12. und 13. Juli 1980 geglückt war.“

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Auf der anderen Seite der Grenze wusste man seit dem 7. Mai 1988, wer der unbekannte Flüchtling war.  Detlef Bremer hatte mit den Kleidungsstücken am Ufer des Pötenitzer Wiek auch seine halbe NVA-Erkennungsmarke abgelegt. In seiner Wohnung fanden MfS-Leute einen Abschiedsbrief. Die Lübecker Kriminalpolizei erhielt von den DDR-Behörden erst nach dem Ende des SED-Regimes eine Auskunft über die Personalien des unbekannten Flüchtlings, dessen Leichnam bis dahin in einer Kühlbox der Rechtsmedizin Lübeck aufbewahrt worden war.

Bereits zwei Jahre zuvor, im Mai 1986, hatte Bremer versucht, über die Tschechoslowakei in den Westen zu fliehen. Er wurde gefasst und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Durch die Amnestie zum 38. Jahrestag der DDR-Gründung kam er 1987 wieder frei. Er arbeitete zuletzt beim VEB Kohlehandel Neubrandenburg, Betriebsteil Malchow, war von seiner Ehefrau geschieden und hinterließ ein Kind.

BildunterschriftBericht über die gelungene Flucht von Bertram Kaden, Horst-Michael Schulz und Ulrich Seidler
BildquellePrivatarchiv Dr. Horst-Michael Schulz
Abb. 6:

Biografie von Detlef Bremer, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/235-detlef-bremer/, Letzter Zugriff: 29.03.2024