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Biografisches Handbuch

Klaus-Dieter Felsch

geboren am 28. Februar 1964 in Wolmirstedt | gestorben nach Fluchtversuch mit dem Auto am 23. Mai 1988 | Ort des Vorfalls: DDR-Grenzkontrollpunkt Marienborn (Sachsen-Anhalt)
BildunterschriftKlaus-Dieter Felsch
BildquelleBStU
Quelle: BStU
Am frühen Abend des 23. Mai 1988 versuchte Klaus-Dieter Felsch aus Magdeburg mit seinem Skoda die Sperranlagen der DDR-Grenzübergangsstelle Marienborn in Richtung Helmstedt zu durchbrechen. Das Fahrzeug prallte auf eine heruntergelassene Stahlsperre. Klaus-Dieter Felsch erlag wenig später in einer Kontrollbaracke der DDR-Grenztruppen seinen Verletzungen.

Am Abend des 23. Mai 1988 erhielt DDR-Verteidigungsminister Heinz Keßler eine Meldung des Lagezentrums der Hauptabteilung VI des MfS „über einen verhinderten gewaltsamen Grenzdurchbruch mittels PKW auf der Grenzübergangsstelle Marienborn/ Autobahn ohne Anwendung der Schußwaffe“. Keßler informierte kurz darauf Erich Honecker, dass der DDR-Bürger Klaus-Dieter Felsch aus Magdeburg gegen 19.40 Uhr versucht habe, am Grenzübergang Marienborn mit seinem Personenkraftwagen vom Typ Skoda S-100 die Grenze zu durchbrechen. „Auf Grund sofortiger Schließung der Sicherungsanlagen an der Grenzübergangsstelle stieß das Fahrzeug am Eingang des Kontrollterritoriums gegen einen Sperrschlagbaum.“ Felsch sei gegen 20.30 Uhr seinen Verletzungen erlegen. „Im Bereich der GÜSt wurden zum Zeitpunkt des Fluchtversuchs 45 Pkw und 2 Lkw abgefertigt, die den Zwischenfall vermutlich teilweise beobachtet haben.“ Klaus-Dieter Felsch war gelernter Bergbaufacharbeiter. Zum Zeitpunkt seines Fluchtversuches arbeitete er als Kraftfahrer beim Starkstromanlagenbau in Magdeburg. Er wohnte bei seiner Lebenspartnerin. Aus seiner geschiedenen Ehe hatte er einen eineinhalb Jahre alten Sohn, an dem er sehr hing. Die Trennung von dem kleinen Sohn führte bei Klaus-Dieter Felsch zu starken Stimmungsschwankungen. Er besuchte sein Kind, das bei der Mutter lebte, so oft es ihm möglich war. Am Sonntag, dem 23. Mai 1988 gegen 19 Uhr verließ er die Wohnung seiner Lebenspartnerin und gab an, er wolle seinen Sohn besuchen. Tatsächlich machte er sich mit seinem Skoda auf den Weg in Richtung Autobahn nach Marienborn. Er versuchte, die Sperranlagen der DDR-Grenzübergangsstelle Marienborn in Richtung Helmstedt zu durchbrechen. Das Fahrzeug prallte auf eine heruntergelassene Stahlsperre. Klaus-Dieter Felsch erlag wenig später in einer Kontrollbaracke der DDR-Grenztruppen seinen Verletzungen.

Ein Sachstandsbericht des Kommandeurs der Passkontrolleinheit Marienborn, Oberstleutnant Kahle, enthält nähere Angaben zu dem gescheiterten Fluchtversuch. Demnach sei am selben Tag um 19.41 Uhr durch den Obermeister Brestrich von der Deutschen Volkspolizei am Kontrollpunkt Autobahn Alarm ausgelöst worden, weil „sich auf der Richtungsfahrbahn vertragsgebundener Transit DDR – BRD der PKW mit dem Kennzeichen MU 00–52 Skoda S100 Farbe Ocker näherte und versuchte, sich den Kontrollhandlungen des Posten I der Deutschen Volkspolizei, Obermeister Schäfer, zu entziehen. Die Annäherung des Pkw Skoda wurde durch eine VK-Streife Transit des ‚Rasthofes Börde‘ auf Höhe der Morslebener Autobahnbrücke beobachtet und an Obermeister Schäfer per Handzeichen übermittelt.“ Schäfer habe daraufhin den Verkehr angehalten. Vor dem Skoda befanden sich zu diesem Zeitpunkt noch zwei westdeutsche Fahrzeuge im Transitverkehr. Der Skoda habe ohne Halt die Transitspur nach rechts verlassen, sei an den haltenden West-Fahrzeugen vorbei und unter den schließenden Schlagbäumen hindurch gefahren. An der Vorkontrolle Ausreise versuchte ein Außenkontrolleur, den Wagen durch Handzeichen und Rufen zu stoppen, der Fahrer habe sich jedoch auf den Beifahrersitz abgeduckt und sei mit 60 bis 70 km/h auf den Sperrschlagbaum der Lkw-Fahrbahn „aufgeschlagen“. Zwei Mitarbeiter des Bereichs Vorkontrolle Ausreise sicherten sofort das zertrümmerte Fahrzeug mit Waffen im Anschlag. Um 19.46 Uhr trafen die Angehörigen der „Festnahme und Sicherungsgruppe“ unter Führung von Major Wagener sowie der Genossen Hauptmann Eichstädt (Spezialist Identitätskontrolle), Hauptmann Misch (Operativ-Offizier), Oberleutnant Lahn (Operativ-Offizier), Oberleutnant Loges (Einsatzfahrer), Oberleutnant Heinrichs (Dokumenteur), Unterleutnant Brödner (Spezialist Zweikampf u. Karate), Oberleutnant Kurfels (Mitarbeiter Festnahmegruppe) und Oberleutnant Schell (Mitarbeiter Festnahmegruppe) am Ereignisort ein. In dem total zerstörten Auto wurde eine blutverschmierte und nicht ansprechbare Person gefunden. Eine Bereitschaftsschwester versuchte, Erste Hilfe zu leisten. Nach der Absicherung des Ereignisortes durch Sichtblenden erfolgte die Bergung des Schwerverletzten. Man brachte ihn in das Sonderkontrollgebäude der Grenzübergangsstelle. Um 19.52 Uhr öffneten sich wieder die Schranken für den Transitverkehr. Um 20.19 Uhr traf aus Magdeburg der Bereitschaftsarzt Dr. Dudek ein. Er diagnostizierte ein schweres offenes Schädelhirntrauma und schwere Brustverletzungen. Um 20.33 Uhr starb Klaus-Dieter Felsch in der Kontrollbaracke.

Die Grenzschutzstelle Helmstedt Autobahn meldete um 21.20 Uhr den Zwischenfall an das Bundesinnenministerium nach Bonn, das Grenzschutzamt Braunschweig und weitere Dienststellen als gescheiterten Fluchtversuch. „Der Flüchtling wurde wahrscheinlich tödlich verletzt, weil er mit einer Plane bedeckt verbracht wurde.“ Zur gleichen Zeit kabelte der Kommandant der Grenzübergangsstelle, Oberstleutnant Kahle, nach Berlin, dass „am Sperrschlagbaum der LKW-Fahrspur eine leichte Deformierung“ entstanden sei, „die die volle Funktionstüchtigkeit nicht beeinflußt“. Die Bild-Zeitung, der Tagesspiegel und die Berliner Morgenpost berichteten in ihren Ausgaben vom 25. Mai 1988 über den Todesfall.

Die Staatsanwaltschaft beim Kammergericht Berlin stellte das Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt im Fall Felsch am 13. Juli 1994 ein, da sich der Tatverdacht des Totschlags nicht bestätigen ließ. „Eine Strafbarkeit des Angehörigen der Deutschen Volkspolizei der DDR, der die Schließung der Schlagbäume veranlaßte, bzw. der an dieser Schließung beteiligten Personen wegen Totschlags oder fahrlässiger Tötung scheidet hier wegen der eigenverantwortlich gewollten und verwirklichten Selbstgefährdung des Geschädigten Klaus-Dieter Felsch aus.“ In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass derjenige, „der lediglich durch sein Tun den Akt der eigenverantwortlich gewollten und bewirkten Selbstgefährdung veranlaßt, ermöglicht oder fördert, sich nicht strafbar macht“.


Biografie von Klaus-Dieter Felsch, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/237-klaus-dieter-felsch/, Letzter Zugriff: 19.04.2024