Eiserner Vorhang. Tödliche Fluchten und Rechtsbeugung
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Biografisches Handbuch
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Ditmar Pietsch

Geboren am 16. April 1935 in Schwiebus (heute: Świebodzin, Polen) | bei Fluchtversuch ertrunken am 26. Juni 1957, aus der Elbe geborgen am 1. Juli 1957 | Ort des Vorfalls: Elbe bei Amt Neuhaus, OT Vockfey (1957: Mecklenburg-Vorpommern, heute Niedersachsen)

Am 26. Juni 1957 versuchten die Grenzpolizisten Ditmar Pietsch und Werner N. von Vockfey aus über die Elbe in die Bundesrepublik zu flüchten. Die Strömung trieb Pietsch jedoch ab, er erreichte das gegenüberliegende Ufer nicht.

Eine willkommene Ablenkung vom eintönigen Wachdienst an der innerdeutschen Demarkationslinie bot sich den Grenzpolizisten des Kommandos Vockfey als sie am 25. Juni 1957 Ausgang zu einem Tanzabend in der Gastwirtschaft Schnitter in Neuhaus/Elbe erhielten. Einige von ihnen waren gegen 23 Uhr so stark alkoholisiert, dass es zu Raufereien und lautstarkem Streit mit anderen Lokalbesuchern kam. Der Leiter des Grenzpolizeikommandos Vockfey musste eingreifen und gemeinsam mit einem Kraftfahrer vier der Grenzpolizisten zurück zur Dienststelle bringen.

Die Zurückgeführten waren über das vorzeitig beendete Tanzvergnügen empört und wollten sich die aus ihrer Sicht willkürliche Behandlung nicht gefallen lassen. Nachdem sie sich vor ihren Kameraden beklagt hatten, verließen sie wieder das Gelände. Unter ihnen war auch der Gefreite Ditmar Pietsch. Der 22-Jährige diente bereits seit dem 15. Juli 1952 bei der Grenzpolizei. Er hatte sich auf eigenen Wunsch nach Neuhaus/Elbe versetzen lassen, nur 13 Kilometer von seinem Elternhaus in Garlitz entfernt. Der Dienst als Hundeführer gefiel ihm so gut, dass er sich für längere Zeit bei der Grenzpolizei verpflichten wollte.

Nachdem die vier Grenzpolizisten die Kaserne verlassen hatten, trennten sie sich. Zwei von ihnen kehrten wieder zurück, die anderen zwei, Ditmar Pietsch und Werner N., gingen jedoch weiter bis ins Elbvorgelände. Ihre Abwesenheit wurde bald bemerkt. Gegen Mitternacht begann ein Suchtrupp, die Gegend zu durchstreifen, doch die beiden Gesuchten blieben spurlos verschwunden. Sie hatten sich bis zur Morgendämmerung in einem Gebüsch versteckt. Dann zogen sie ihre Uniformen aus, liefen hinunter zur Elbe und begannen, zum jenseitigen Ufer hinüberzuschwimmen. Ein Zollbeamter der Grenzaufsichtsstelle Drethem in Niedersachsen entdeckte und beobachtete die beiden Flüchtlinge in der Elbe. Er sah, wie sie sich dem westlichen Ufer näherten. Plötzlich trieb die Strömung einen der Schwimmer ab, sodass er aus dem Blickfeld des Zollbeamten geriet. Gemeinsam mit dem anderen Flüchtling Werner N., der bei ihm an Land ging, suchte der Zöllner anschließend das Ufer ab. Doch Ditmar Pietsch blieb verschwunden.

Nach der Wiedervereinigung wurde durch Abstimmung der Gemeinderäte die frühere Zugehörigkeit des Amtes Neuhaus zum Landkreis Lüneburg und damit zu hannoverschem Gebiet wiederhergestellt. Aus diesem Grund ist der Grenzverlauf zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen an dieser Stelle nicht identisch mit dem Grenzverlauf der früheren innerdeutschen Grenze an der Elbe. Obige Karte zeigt den innerdeutschen Grenzverlauf bis 1990.
Nach der Wiedervereinigung wurde durch Abstimmung der Gemeinderäte die frühere Zugehörigkeit des Amtes Neuhaus zum Landkreis Lüneburg und damit zu hannoverschem Gebiet wiederhergestellt. Aus diesem Grund ist der Grenzverlauf zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen an dieser Stelle nicht identisch mit dem Grenzverlauf der früheren innerdeutschen Grenze an der Elbe. Obige Karte zeigt den innerdeutschen Grenzverlauf bis 1990.

Ditmar Pietschs Vater versicherte noch am Tag der Flucht bei seiner Vernehmung, sein Sohn könne nicht vorgehabt haben, in die Bundesrepublik zu fliehen. Er müsse wohl betrunken gewesen sein. Möglicherweise habe ihn Werner N. auch überredet. Noch am gleichen Tag fuhr der Vater mit dem Ziel, Ditmar Pietsch zur Rückkehr in die DDR zu bewegen, über die Grenze nach Lauenburg. Doch von der dortigen Polizei musste er erfahren, dass sein Sohn noch vermisst wurde. Nach einem Gespräch mit dem Zollbeamten, der die Flucht beobachtet hatte, kehrte er voller Ungewissheit in die DDR zurück.

Am 1. Juli 1957 entdeckten Beamte der westdeutschen Grenzaufsichtsstelle Walmsburg die Leiche von Ditmar Pietsch. Die Strömung hatte ihn etwa fünf Kilometer mitgerissen, dann hatte er sich in einem Fischernetz verfangen und war ertrunken. Der Tote wurde der Wasserschutzpolizei Dömitz übergeben und in die DDR überführt.

Autor:
jk
Recherche:
jk, MP, US
Quellen:
  • MfS, HA I: Nachweisbuch Fahnenfluchten 1955–1959. BStU, MfS, HA I, 5511.
  • Oberfinanzdirektion Hannover: Wichtige Grenznachrichten Juni 1957. NLA Hannover, Nds. 220, Acc. 144/95, Nr. 51.
  • Kommando der DGP/Abteilung Organisation und Nachweisführung: Besondere Vorkommnisse/ Juni 1957. BArch Freiburg, DVH 27/134574.
  • Gemeinde Amt Neuhaus: Sterbeeintrag Ditmar Pietsch, Auskunft vom 7.11.2016.
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Abkürzungsverzeichnis
Name
Pietsch, Ditmar
Geschlecht
männlich
Geburtsdatum
16. April 1935
Geburtsort
Schwiebus (heute: Świebodzin, Polen)
Letzter Wohnort
Garlitz, Ortsteil von Lübtheen
Staat des Vorfalls
DDR
Region des Vorfalls
Mecklenburg-Vorpommern
Ort des Vorfalls
Elbe bei Amt Neuhaus, Ortsteil von Vockfey
Todesursache
Ertrinken
Datum des Vorfalls
26. Juni 1957
Ergänzendes Datum
1. Juli 1957
Todesalter
22
Teilprojekt
innerdeutsche Grenze
Fallgruppe
bei Fluchtversuchen
Personengruppe
Grenzpersonal / DDR
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