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Biografisches Handbuch

Manfred Rüger

geboren am 22. März 1940 in Sonneberg | Suizid am 6. Juni 1952 | Ort des Vorfalls: Sonneberg (Thüringen)
BildunterschriftManfred Rüger
BildquelleNeue Presse Coburg, Ausgabe Neustadt, 27. April 1990
Quelle: Neue Presse Coburg, Ausgabe Neustadt, 27. April 1990
Gemäß Regierungsverordnung vom 26. Mai 1952 „über Maßnahmen an der Grenze” war im Rahmen der „Aktion Ungeziefer” die Zwangsaussiedlung von Bürgern mit ihren Familien vorgesehen, die als „politisch unzuverlässig” eingeschätzt wurden. Die SED und ihre Sicherheitsorgane hatten 3 056 Familien mit 10 141 Personen benannt, die zwangsweise aus dem DDR-Grenzgebiet zu entfernen waren. Durch die Aussiedlung waren 13 556 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche freigeworden, durch Flucht 3 476 Hektar. Bis zum 30. Juni 1952 flüchteten 1 591 Familien mit 5 480 Personen, die zur Zwangsaussiedlung vorgesehen waren, in den Westen.

In der Nacht des 5. Juni 1952 fuhr vor zahlreichen Häusern in Sonneberg die Volkspolizei mit Lastwagen vor. Gemäß Regierungsverordnung vom 26. Mai 1952 „über Maßnahmen an der Grenze“ sollten etwa 300 Familien aus der Stadt und dem Kreisgebiet zwangsweise ausgesiedelt werden. Während vor mehreren Häusern schon die Verladearbeiten begonnen hatten, ertönte plötzlich die Feuersirene. Aus den Fenstern der Wohnung von Werner und Hildegard Rüger quoll Rauch. Als Feuerwehrleute die verschlossene Wohnungstür aufbrachen, strömte ihnen Gasgeruch entgegen. In der Küche fanden die Feuerwehrmänner Werner und Hildegard Rüger sowie deren 12-jährigen Sohn Manfred mit aufgeschnittenen Pulsadern vor. Die Hähne des Gasherds waren geöffnet. Die Familie hatte sich aus Verzweiflung und Angst vor der Zwangsumsiedlung das Leben genommen. Werner Rüger hatte zuvor gegenüber seinem Bruder Günter die Befürchtung geäußert, die Familie werde nach Russland gebracht.

Die SED-Bezirkszeitung Freies Wort machte wenig später in der gleichen Ausgabe und auf der gleichen Seite, auf der die Todesanzeige für die Familie Rüger erschien, „Lügenparolen“ westlicher „Hetzsender“ für deren Tod verantwortlich: „Diese Lügenparolen verbreiteten in diesen Tagen viele Menschen. Sie wurden dadurch unbewußt zu Handlangern der angloamerikanischen Kriegstreiber und trugen dazu bei, daß in Sonneberg eine geachtete Familie diesem Mordanschlag zum Opfer gefallen ist. Diese Familie würde heute noch unter den Lebenden weilen, wenn sie nicht durch gewissenlose Hetzer mutlos gemacht worden wäre.“

Werner Rüger, der aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt war, hatte ebenso wie seine Frau Hildegard, sein Bruder Günter und dessen Frau Rosemarie in der elterlichen „Familienpension Rüger“ gearbeitet. Die Pension verfügte über 24 Zimmer und 42 Gästebetten. Auch Günter und Rosemarie Rüger wurden in dieser Nacht zwangsweise ausgesiedelt. Günter Rüger berichtete 1990 der Neuen Presse Coburg, wie am Abend des 4. Juni 1952 mehrere SED-Funktionäre in der Pension erschienen und der Familie mitteilten, dass sie „aus Gründen der eigenen Sicherheit“ am kommenden Tag ihre Wohnungen zu verlassen hätten. Wohin sie gebracht werden sollten, wurde ihnen nicht mitgeteilt.


Biografie von Manfred Rüger, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/55-manfred-rueger/, Letzter Zugriff: 03.12.2024