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Biografisches Handbuch

Uwe Zapke

geboren am 10. Januar 1960 in Apolda | in der Ostsee ertrunken am 26. Mai 1981 | Ort des Vorfalls: Ostsee
Uwe Zapke unternahm im Mai 1981 gemeinsam mit seinem großen Bruder Klaus Böber einen Fluchtversuch über die Ostsee. Obwohl ihre Flucht zeitnah bemerkt und Suchmaßnahmen an Land eingeleitet wurden, kamen beide dabei ums Leben.

Am 26. Mai 1981 meldete die Volkspolizei (VP) in Ribnitz-Damgarten der Bezirksverwaltung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), ihr sei „bekannt geworden“, dass die Brüder Uwe Zapke und Klaus Böber, geborener Zapke, „beabsichtigten“, die DDR „ungesetzlich“ auf dem Seeweg zu verlassen. Die Volkspolizei hatte die Leiche von Uwe Zapke gefunden und bei diesem einen Luftballon, in dem sich unter anderem Geld, Wertgegenstände und ein Haftentlassungsschein von Klaus Böber befanden. Dies war ein sehr starkes Indiz für einen Fluchtversuch über die Ostsee.

Uwe war wie sein großer Bruder Klaus im thüringischen Apolda geboren worden, wohnte dort auch bis zu seinem Fluchtversuch und übte den Maurerberuf aus. Er hatte keine Kinder und keine Beziehung, war 21 Jahre jung und hatte bis dahin ein in den Augen des Sicherheitsapparates der DDR unauffälliges Leben geführt.

Sein großer Bruder war den DDR-Institutionen dagegen besser bekannt. Er war fast sechs Jahre älter als Uwe, hatte neben Apolda einen zweiten Wohnsitz in Frankfurt an der Oder und war 1979, zwei Jahre vor der Flucht der beiden, für knapp vier Monate verheiratet gewesen. Einen Beruf hatte er nach Kenntnis der DDR-Institutionen nicht, was an sich schon suspekt aus Sicht der SED-Obrigkeit war, aber darüber hinaus hatte er 1973 schon einmal einen Fluchtversuch nach Westberlin unternommen. In einer Auskunft der „Abteilung XII“ der Staatssicherheit, der zentrale Informationsspeicher des MfS, ist hierfür ein „Anfall gem. §213 StGB“ verzeichnet, was eine versuchte sogenannte „Republikflucht“ impliziert. Außerdem war er 1976 und 1979 als Nichtwähler aufgefallen und, aus heute unbekanntem Grund, auch inhaftiert gewesen. Diese Erfahrungen haben sicher dazu beigetragen, dass Klaus den Wunsch entwickelte, die DDR zu verlassen.

Über Uwe fanden sich dagegen keinerlei Informationen im Speicher der „Abteilung XII“ der Staatssicherheit. Wir können heute nicht mehr rekonstruieren, ob er spezifische Fluchtgründe hatte, oder sich einfach seinem großen Bruder anschloss. Er begab sich jedenfalls Ende Mai zusammen mit Klaus bei Graal-Müritz an die Ostsee, um von hier aus die DDR zu verlassen.

Der erste Hinweis auf den Fluchtversuch der beiden war allerdings nicht der Fund der Leiche von Uwe Zapke, sondern hörbare Hilferufe, die nachts am 26. Mai, gegen 03:45 Uhr, durch Angehörige der Grenztruppen der DDR von See kommend wahrgenommen wurden. Offenbar war den beiden auf See klar geworden, dass ihr Plan nicht aufgehen würde. Zu eventuell nun eingeleiteten Such- und Rettungsmaßnahmen auf See ist nichts überliefert, aber landseitig wurde intensiv gesucht und gegen 11:00 Uhr ein Strandkorb am Strand von Graal-Müritz entdeckt, in dem sich Bekleidung und persönliche Gegenstände befanden und zu dem eine Schleifspur vom Meer hinführte. Solche Orte wurden in der Sprache der DDR-Sicherheitsbehörden als „Basislager“ für Ablandungen vom Ostseestrand angesehen und bezeichnet, wobei die Lesart der Spuren im Sand zentral für die Bewertung dieser Orte war.

Gegen vier Uhr am Nachmittag desselben Tages wurde dann in der Ostsee bei Dierhagen, dass nur knapp 8 Kilometer östlich von ihrem Ablandeort lag, etwa 200m weit vom Land im Wasser treibend, die Leiche von Uwe Zapke geborgen. Er war mit einer Badehose und einem dunklen Rollkragenpullover bekleidet. In der Badehose befanden sich noch die Personalausweise von Uwe und Klaus. An die Badehose angebunden war ein Kinderluftballon. Darin hatten die Brüder 310 DDR-Mark und 3,55 Deutsche Mark, einige Wertgegenstände, Fotos, sowie wichtige Dokumente von Klaus, wie seinen Haftentlassungsschein, seine Geburtsurkunde und eine Urkunde über die Anerkennung einer Vaterschaft, aufbewahrt. Bei der gerichtsmedizinischen Sektion am 28. Mai 1981 in Rostock wurde dann der Ertrinkungstod von Uwe Zapke festgestellt.

Da bis zu diesem Zeitpunkt von Klaus jede Spur fehlte, nahmen die Ermittlungsbehörden an, die Kriechspur, die zu dem aufgefundenen Strandkorb führte, könnte von ihm stammen, der demnach den Fluchtversuch überlebt und sich noch an den Strand gerettet haben müsste. Also wurde er zur „Eilfahndung Stufe II mit Festnahme ausgeschrieben“. Diese Fahndung verlief allerdings erfolglos, denn knapp zwei Wochen später, am 12. Juni 1981, wurde am Strand bei Wustrow, nur knappe 15 Kilometer östlich ihres ursprünglichen Ablandeorts, eine männliche Wasserleiche geborgen, die als Klaus Böber identifiziert wurde.

Im Tagesrapport des Volkspolizeikreisamts Ribnitz-Damgarten wurde am 26. Mai 1981 vermerkt, dass die Grenztruppen die VP von ihrer Beobachtung der Hilferufe gegen halb eins am frühen Nachmittag desselben Tages in Kenntnis setzten. Dort ist die Schleifspur, die vom Wasser zum Strandkorb mit den persönlichen Gegenständen führen sollte, als Fußspur, die zum Wasser führte, verzeichnet. Da die persönlichen Gegenstände in dem Strandkorb den Brüdern zugerechnet wurden und beide die Ostsee nicht mehr verließen, wird dies wohl ihre letzte Spur auf dem Weg ins Meer gewesen sein. Diese Spur und die Kleidung von Uwe Zapke lassen darauf schließen, dass die beiden mit irgendeiner Schwimmhilfe, wie einer Luftmatratze, einem Faltboot oder einer selbstgebauten Konstruktion die Ostsee überwinden wollten. Ihr Ziel war höchstwahrscheinlich Dänemark. Im erwähnten Tagesrapport wurde auch angegeben, dass die Grenzsoldaten die Hilferufe auf etwa eine Seemeile Entfernung schätzten. Die Brüder haben also höchstwahrscheinlich recht früh nach dem Ablegen vom Strand eine Havarie erlitten, in deren Zuge sie um Hilfe riefen und die sie letztlich das Leben kostete.


Biografie von Uwe Zapke, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/466-uwe-zapke/, Letzter Zugriff: 26.04.2024