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Biografisches Handbuch

Ulrich Krohn

geboren am 23. August 1931 in Zachow | erschossen am 16. Mai 1952 | Ort des Vorfalls: an der Bundesstraße 208 bei Groß Thurow (Mecklenburg-Vorpommern)
BildunterschriftUlrich Krohn
BildquelleNeues Deuitschland 13../14. August 1988
Quelle: Neues Deuitschland 13../14. August 1988
Während eines Wachdienstes im Grenzgebiet erschoss ein Grenzpolizist seinen 20-jährigen Postenführer Ulrich Krohn und flüchtete anschließend in die Bundesrepublik.

Ulrich Karl Friedrich Krohn kam im Dorf Zachow zur Welt, das zur Gemeinde Groß Nemerow (Mecklenburg-Vorpommern) gehört. Da seine Mutter früh starb, wuchsen er und seine fünf Geschwister auf dem Bauernhof der Großeltern auf. Nach dem Abschluss der Volksschule arbeitete Ulrich Krohn zunächst auf dem großelterlichen Bauernhof mit. Im Alter von 19 Jahren meldete er sich dann zum Dienst bei der Grenzpolizei in Groß Thurow. Seine Vorgesetzten bescheinigten ihm eine zuverlässige Dienstausführung und erwirkten bald seine Beförderung zum Oberwachtmeister.

Am 16. Mai 1952 rückte Krohn als Postenführer mit Wachtmeister Hartmut Trübe zum gemeinsamen Streifendienst aus. Um 10 Uhr bezogen sie ihren Postenstand nahe dem Schlagbaum an der Chaussee von Gadebusch nach Mustin. Gegen 13.20 Uhr überbrachte Grenzpolizei-Wachtmeister Horst Raffel den beiden Posten das Mittagessen. Er plauderte noch eine Viertelstunde mit ihnen und ging dann zur Grenzwache zurück. Weder er noch Postenführer Krohn konnten ahnen, dass der 17-jährige Wachtmeister Hartmut Trübe an diesem Tag vom Beobachtungsstand aus in die Bundesrepublik desertieren wollte. Am Nachmittag um 14.30 Uhr erschien die Ablösung für die beiden Posten. Doch Ulrich Krohn lag tot im Beobachtungsstand, von Hartmut Trübe fehlte jede Spur. Der Karabiner, die Armbanduhr und die Brieftasche samt Dienstausweis des Toten fehlten. Der geflüchtete Trübe hatte sein Geburtsdatum in den Aufnahmeformularen der Polizei vordatiert, so wurde er bereits mit sechzehneinhalb Jahren eingestellt. Zur Tatzeit war er 17 Jahre alt und diente seit einem Monat an der Grenze. Unter seinen zurückgelassenen Sachen befand sich ein Schreiben, in dem er um Entpflichtung bat.

Die Sektion der Leiche erbrachte als Ergebnis, dass Ulrich Krohn von mindestens drei Schüssen von vorn getroffen wurde. Die Verletzungen, die sowohl das Gehirn als auch die Lunge, Leber und Niere betrafen, führten sofort zum Tod. Die Mordkommission hielt in ihrem Schlussbericht fest, dass Krohn aus direkter Nähe im Sitzen oder in halb liegender Position erschossen wurde. Kampf- oder Abwehrspuren gab es keine, es wurden auch nur die drei Tathülsen am Postenstand gefunden. „Es muss somit angenommen werden, dass Trübe den VP-Oberwm. Krohn vorsätzlich und hinterrücks erschossen hat, um ungehindert in die Westzone kommen zu können.“

Der Landesstaatsanwalt von Mecklenburg beantragte die Auslieferung des in die Bundesrepublik desertierten Tatverdächtigen Hartmut Trübe, der am 23. Mai in Lübeck festgenommen worden war. Der Oberstaatsanwalt von Lübeck erklärte seinem ostdeutschen Kollegen telefonisch, Trübe habe die Tat gestanden und ausgesagt, Krohn habe ihn unter Waffeneinsatz an der Flucht gehindert, deshalb habe Trübe ebenfalls einige Schüsse auf Krohn abgegeben. Der Beschuldigte sei nur mit einem Karabiner im Westen angekommen, die Brieftasche Krohns soll er nicht mit sich geführt haben.

In der Tagesmeldung der Grenzpolizei vom 19. März 1952 heißt es, in Tatortnähe sei auf der Westseite gegen 16.10 Uhr ein „PKW des amerikan. Geheimdienstes“ erschienen, „der nach kurzem Halt wieder davonfuhr. Es ist anzunehmen, daß der VP-Wachtmeister Trübe in dieses Fahrzeug aufgenommen wurde.“ Aufgrund dieses Umstands meldete die DDR-Nachrichtenagentur ADN, Trübe habe „im Auftrage der imperialistischen Westmächte“ gehandelt: „Nach der Mordtat flüchtete der Agent über die Zonengrenze, wo ihn Kraftfahrzeuge seiner Auftraggeber erwarteten.“ Als im September 1952 das niedersächsische Justizministerium die Auslieferung Trübes an die DDR-Behörden ablehnte, bezeichnete das Neue Deutschland Trübe als „Raubmörder“. Im Dezember 1952 verurteilte die Jugendkammer des Landgerichts Lüneburg Hartmut Trübe zu einer zehnjährigen Haftstrafe.

Ulrich Krohn wurde am 20. Mai 1952 in seinem Heimatort beigesetzt. Zum 30. Jahrestag der Gründung der DDR-Grenztruppen fand an seinem Grab, das inzwischen eingeebnet ist, eine feierliche Kranzniederlegung statt. DDR-Zeitungen ehrten ihn als „Opfer bewaffneter Anschläge und Provokationen an der Staatsgrenze der DDR“. Zum Gedenken an Oberwachtmeister Krohn unterhielt das Grenzregiment Schönberg bis zum Ende der DDR-Zeit eine Ausstellung in einem Traditionszimmer.


Biografie von Ulrich Krohn, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/245-ulrich-krohn/, Letzter Zugriff: 26.04.2024