Logo

Suche im Biographischem Handbuch

Biografisches Handbuch

Josef Baudig

geboren am 6. Febuar 1938 in Marschwitz | ertrunken am 7. Dezember 1957, aus der Elbe geborgen am 6. August 1958 | Ort des Vorfalls: Elbe, nahe Dömitz (Mecklenburg-Vorpommern)
Mit einem Kameraden versuchte der Funker Josef Baudig durch die Elbe in den Westen zu schwimmen. Er erreichte das westliche Ufer nicht. Acht Monate später fand man seine Leiche.

Josef Baudig kam am 6. Februar 1938 in Marschwitz (Sachsen) zur Welt und lebte zuletzt in Crimmitschau. Der 19-jährige Gefreite diente als Funker bei der Nationalen Volksarmee. Anfang Dezember 1957 delegierte ihn seine Einheit zu einem Volkstanzkurs nach Schwerin-Mueß. Der Volkstanz gehörte in den 1950er Jahren als Teil des „kulturellen Volksschaffens“ zum staatlich geförderten „kulturellen Erbe“. Die zum Kurs delegierten jungen Männer und Frauen wohnten in einer Gemeinschaftsunterkunft. Am Abend des 6. Dezember 1957 besorgten sich Baudig und der ebenfalls zum Tanzkurs delegierte Grenzpolizist Eberhard R. eine Flasche Schnaps, die sie vollständig leerten. Dann begaben sie sich in ein „Mädchenzimmer“ und sorgten für Aufruhr. Sie warfen sich auf die Betten der jungen Frauen und belästigten sie. Der wegen des Lärms im Schlafraum hinzugekommene Lehrgangsälteste konnte die beiden Angetrunkenen nicht zum Verlassen des Zimmers bewegen. Erst als eine männliche Lehrperson herbeieilte und einschritt, verließen sie den Schlafraum der Frauen. Am nächsten Morgen organisierte das Lehrerkollektiv eine Aussprache, in deren Verlauf Josef Baudig und Eberhard R. vor der gesamten Volkstanzgruppe zu ihrem nächtlichen Vergehen Stellung nehmen mussten. Dann wurde ihr Ausschluss aus dem Kurs verkündet und ihnen die Anweisung erteilt, sich unverzüglich bei ihren Diensteinheiten zurückzumelden. Vermutlich aus Furcht vor weiteren disziplinarischen Konsequenzen entschlossen sich die beiden jungen Männer noch am gleichen Tag zur Fahnenflucht in die Bundesrepublik.

Angehörige der Grenzpolizei Dömitz fanden am 10. Dezember 1957 bei ihrem Streifengang in der Nähe der Elbe einen im Gebüsch versteckten Uniformmantel und in dessen Manteltasche eine Postanweisung mit dem Namen von Josef Baudig. Nun erinnerte sich der Kommandeur der Grenzkompanie Dömitz an eine sonderbare Begegnung am frühen Abend des 7. Dezember 1957, dem Tag nach dem Vorfall im „Mädchenzimmer“. Der Leutnant hatte dienstfrei und befand sich mit seiner Frau auf einem Abendspaziergang. Das Paar begegnete zwei Männern, die darüber diskutierten, wo es zur Elbe gehe und nach dem Weg fragten. Einer von beiden trug eine Uniform, der andere Zivil. Wie sich hernach herausstellte, hatte Eberhard R. seine Polizeiuniform zu Hause abgelegt. Der Leutnant will laut seiner späteren Aussage die Frage nach dem Weg zur Elbe nicht beantwortet haben und mit seiner Frau weitergegangen sein.

Josef Baudig und Eberhard R. gelangten damals schließlich doch ans Elbufer und stiegen in das eiskalte Wasser. Gegen 19 Uhr erreichte Eberhard R. die Ortschaft Kaltenhof in der Bundesrepublik, die unweit des westlichen Ufers lag. Von Josef Baudig fehlte jede Spur. Seine stark skelettierte Leiche wurde am 6. August 1958 – acht Monate später – am Landsatzer Werder bei Hitzacker entdeckt und geborgen. Die Überführung der sterblichen Überreste von Josef Baudig in die DDR sowie die Übergabe der bei ihm aufgefundenen Wertsachen erfolgte am 9. August 1958.


Biografie von Josef Baudig, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/83-josef-baudig/, Letzter Zugriff: 21.12.2024