Renate Balzer wurde am 10. Februar 1950 in Arnsdorf bei Dresden als Renate Junold geboren. Ihr Vater war ein treuer Genosse und stand loyal zur DDR. Ein ebenso loyaler Genosse war der Vater von Ulf und Lutz Balzer. Renate und Ulf, der ältere der beiden Brüder, bekamen 1977, nachdem sie geheiratet hatten, ihre Tochter Ines. Wie Manuela und Lutz waren sie Teil eines recht großen Bekannten- und Freundeskreises, der sich um den Jugendklub der Kleinstadt gebildet hatte. In diesem Freundeskreis verstand man sich als eher westlich orientiert.
Es ist bis heute weder im Freundeskreis der beiden Familien, noch in deren familiären Umfeld bekannt, warum genau die Vier mit der kleinen Ines die DDR verlassen wollten. Natürlich ist da die recht offen gezeigte Vorliebe für westliche Kultur, doch konkret hatte sich anscheinend niemand von ihnen je zu den Fluchtabsichten geäußert. Den einzigen Hinweis auf eine Fluchtursache hatte der Vater der beiden Männer 1992 gegenüber Christine Vogt-Müller geäußert: Demnach habe die Staatssicherheit versucht, Renates Mann Ulf mit einem Waffenvergehen als Druckmittel zur Arbeit für sie zu nötigen. Ulf hätte damals den Revolver seines Großvaters gefunden und versucht, ihn in seinem Betrieb zu restaurieren. Dabei sei er erwischt worden und dieses Vergehen gegen das in der DDR geltende Waffenrecht hätte die Stasi auszunutzen versucht. Daran kann sich aber kein Zeitzeuge erinnern, noch nicht einmal ein sehr guter Freund Ulfs, mit dem dieser fast täglich laufen war.
Auch wenn sich die konkreten Fluchtgründe heute nicht mehr ermitteln lassen, der Plan war nicht spontan entstanden und auch nicht als Ausflug gedacht. So hatte Lutz anlässlich des Polterabends von ihm und Manuela im Sommer 1979 am Knappensee zumindest innerhalb des Freundeskreises offen von dem Fluchtplan gesprochen. Man reiste in zwei Gruppen nach Rügen an, wobei die zweite Gruppe mit Manuela später losfuhr, damit Manuela noch ihre Prüfung zur Krankenschwester ablegen konnte. Dass sie mit der kleinen Ines im Boot ablegten, obwohl die Witterungsverhältnisse erkennbar schlecht waren, spricht weiter für den grundlegenden Charakter ihrer Flucht. Offenbar wollten die beiden Familien nicht länger in der DDR leben und nicht nur einen Ausflug in den Westen unternehmen, sondern sich dort ein neues Leben aufbauen. Ziel ihrer Überfahrt sollte wahrscheinlich Schweden sein, jedenfalls fanden die DDR-Behörden in Ulfs Auto einen Sprachführer „Deutsch-Schwedisch“.
Die Fünf reisten wie erwähnt im September 1979 mit zwei Autos nach Rügen und mieteten sich auf dem Zeltplatz Nonnevitz ein, der im Küstenwald direkt hinter dem Nordstrand Rügens liegt. Da es sich um den Stammplatz der beiden Familien und ihrer Freunde im Sommer handelte, erweckte ihre Ankunft dort so spät im Jahr keine besondere Aufmerksamkeit. Am 10. September 1979 wurden die Balzers gegen 14:00 Uhr zum letzten Mal auf dem Gelände in der Nähe ihrer Zelte gesehen. Die beiden Familien führten zwei Faltboote mit sich, die sie in der Nacht des 10. September zusammensetzen und mit einer Holzkonstruktion zu einem improvisierten Katamaran verbinden wollten, der mittels des ebenfalls mitgebrachten Außenbordmotors angetrieben werden sollte. Diesen Motor hatte ihr Ehemann Ulf, der ein sehr versierter Handwerker war, in Heimarbeit selbst gebaut.
Auf der offenen Ostsee gerieten sie in die Ausläufer eines Sturmtiefs, das kurz zuvor noch als Hurrikan eingestuft war. Offensichtlich hielt der Katamaran den Naturgewalten nicht stand, denn alle Insassen des Gefährts ertranken im Verlauf der Flucht in der Ostsee. Die Überreste des Faltbootkatamarans wurden später vom DDR-Trawler „Gera“ in dessen Grundschleppnetz geborgen. Dabei wurde auch eine Tasche entdeckt, in der sich unter anderem die Personalausweise von Lutz, Manuela und Renate Balzer befanden.
Renate Balzers Leiche wurde nach 14 Tagen am 24. September 1979 vom DDR-Logger „ROS 104“ etwa 17 Seemeilen nördlich vom Mövenort, einem kleinen Steinriff am Nordstrand Rügens unweit des Zeltplatzes Nonnevitz, aus der Ostsee geborgen. Der Fundort lag bereits außerhalb der Hoheitsgewässer der DDR. Dabei handelt es sich um dasselbe Seegebiet, in dem zuvor bereits der Faltbootkatamaran sowie die Leiche von Lutz gefunden worden waren. Die Leiche ihrer Tochter Ines wurde drei Tage später, am 27. September in derselben Gegend, ebenfalls in einem Fischernetz hängend, geborgen. Anhand einer Beschreibung durch ihren Vater wurde Renate identifiziert und die Leiche in Sassnitz an das Volkspolizeikreisamt Rügen übergeben.
Aus erbrechtlichen Gründen setzte das Kreisgericht Dresden-Land als Todeszeitpunkt für alle Fünf den 10. September 1979 fest. Das Volkspolizeikreisamt Rügen deklarierte den Vorgang als Badeunfall. Die Eltern von Ulf und Lutz Balzer wurden im Gegenzug für ihre später genehmigte Ausreise nach Westdeutschland von Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit dazu genötigt, diese Einschätzung nicht infrage zu stellen. Renate Balzers Urne wurde in Arnsdorf bei Dresden bestattet.
Es bleibt für Freunde, Bekannte und die Familie bis heute rätselhaft, warum die Fünf trotz des schlechten Wetters ihren Fluchtversuch nicht abbrachen. Bis heute scheint die Annahme plausibel, dass Balzers irgendeine Verabredung mit Kontakten im Westen hatten, die sie unbedingt einhalten wollten. Dafür gibt es aber keine Belege.