Detlef Günther wurde am 19. Juli 1954 im Leipziger Stadtviertel Connewitz geboren. Zeit seines Lebens blieb er wohnhaft in Leipzig und lebte zuletzt in der Kirschbergstraße im Norden der Stadt. Seine Schullaufbahn endete mit dem Abschluss der 8. Klasse. Aufgrund großer Schwierigkeiten im Lernen, insbesondere in den naturwissenschaftlichen Fächern, konnte Detlef die Lernziele der 10. Klasse nicht erreichen.
Detlef wuchs in „geordneten“ Familienverhältnissen auf und wurde als selbstsicher, jedoch nicht überheblich, beschrieben. Er sei überwiegend nett und höflich aufgetreten. Der junge Mann war ein begeisterter Schlagzeuger und spielte in seiner Freizeit in einer Band? Schlagzeug. Auch hörte er gerne Radio und Tonband. Die Leidenschaft zur Musik brachte ihm jedoch einige Schwierigkeiten ein: So kam es im September 1975 zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung mit seinem Vermieter, bei dem Detlef ihm Pfeffer ins Gesicht warf und infolgedessen vor Gericht zu einer Entschuldigung, einer Geldstrafe von 50 Mark und der Zahlung eines Schadenersatzes in der Höhe von 10 Mark verurteilt wurde. Der Streit eskalierte, da Detlef mehrfach unangemeldet Antennen auf dem Dach des Wohnhauses errichtet hatte, häufig zuhause Schlagzeug spielte, lautstark Tonband hörte und ihm durch seinen Vermieter verwehrt wurde, im Keller einen Hobbyraum zu errichten. Die Ermittlungsbehörden schätzten seinen Bekannten- und Freundeskreis als problematisch ein, da Detlef im Umfeld der Band öfter mit „langhaarigen und zwielichtigen Gestalten“ gesehen worden sei und somit einer als dem Staat gegenüber feindlich eingestellten Jugendkultur zugeordnet wurde. Darüber hinaus war Detlef in keinen staatlichen Massenorganisationen, hatte aber auch keine Kontakte zur kirchlichen Opposition.
Detlefs berufliche Laufbahn war gekennzeichnet durch stetige Wechsel der Arbeitsstellen und Tätigkeitsbereiche. Am 1. September 1971 begann er eine Lehre im Betriebs- und Verkehrsdienst der Deutschen Reichsbahn. Diese schloss er mit der Auszeichnung als Facharbeiter am 31. Juni 1974 ab und trat anschließend seine erste Anstellung als Stellwerkmeister auf dem Rangierbahnhof in Leipzig-Wahren an. Zufrieden mit dieser Stelle schien der junge Mann jedoch nicht zu sein. So bewarb sich Detlef unter anderem im Oktober 1974 bei der VEB Deutfracht/Seerederei Rostock und beabsichtigte dort eine Tätigkeit in der Handelsflotte aufzunehmen. Er wurde jedoch abgelehnt. Weitere Absagen erhielt er auch für seine folgenden Bewerbungen: So beispielsweise im September 1975 beim Rat des Kreises Oranienburg in der Abteilung für Gesundheits- und Sozialwesen oder für seinen Versetzungsantrag an den Bahnhof Verneuchen bei Berlin. Als Gründe für diese Anträge und die Arbeitsplatzsuche in Berlin nannte er Hochzeitsabsichten mit seiner damaligen Freundin. Nach einer erfolgten Aussprache im Betrieb nahm er sein Versetzungsgesuch jedoch zurück.
Am 24. September 1976 kündigte er seine Stelle beim Betriebs- und Verkehrsdienst der Deutschen Reichsbahn. Günthers große Leidenschaft – die Musik – führte dazu, dass er zwischenzeitlich immer wieder versuchte, als Amateurmusiker seinen Unterhalt zu verdienen. Dass er sich jedoch weiterhin bei anderen Betrieben bewarb, könnte darauf hindeuten, dass der Verdienst durch die Musik nicht ausreichte, um sich ausreichend finanzieren zu können. So nahm er Anfang April 1977 eine Tätigkeit als Beifahrer der HO Bauarbeiterversorgung in Leipzig auf und qualifizierte sich hier zum PKW- und LKW-Fahrer. Ab dem 7. Juni 1977 arbeitete er als Berufskraftfahrer und Schlosser bei der VEB Transportmechanik in Rückmarsdorf. Sein Einsatzgebiet lag überwiegend in Leipzig und Umgebung, nur in Ausnahmefällen führte er Fernfahrten durch. Seinen Arbeitsvertrag unterbrach er von 1977 bis 1980 zweimal: Zum einen durch seinen Grundwehrdienst bei der Nationalen Volksarmee (NVA) vom Mai 1977 bis zum Oktober 1978 und zweitens, als er im Sommer 1979 mit dem Einverständnis des Betriebes einen Vertrag im Café Asgard in Bansin auf der Insel Usedom annahm, um sich in diesem kleinen Café an der Strandpromenade des Seeheilbades als Amateurmusiker frei entfalten zu können. Seinen Musikvertrag beendete er jedoch aus persönlichen Gründen schon einen Monat früher als geplant und begann schon im August wieder für den Betrieb zu arbeiten. Im April 1980 unternahm Detlef einen letzten Versuch, seine Arbeitsstelle zu wechseln und bewarb sich bei der Wartburg-Stiftung in Eisenach im Burg Café. Aufgrund negativer Arbeitszeugnisse aus den vorherigen Berufsverhältnissen wurde er aber abgelehnt.
Aus dem Zeitraum, in dem Detlef beim VEB Transportmechanik Rückmarsdorf arbeitete, liegen unterschiedliche Beurteilungen und charakterliche Beschreibungen über seine Person vor. So habe er keine überdurchschnittlichen Leistungen gezeigt und sich kaum an Arbeitseinsätzen beteiligt, jedoch für die Plannotwendigkeit auch Überstunden geleistet. Gesellschaftlich sei er weder positiv noch negativ in Erscheinung getreten. Seine Arbeit habe er häufig allein erledigt, beteiligte sich nicht an politischen Diskussionen und lehnte es ab, sich „gewerkschaftlich“ zu organisieren. Nach Zeugenaussagen sei Detlef mit seiner Tätigkeit als Kraftfahrer nicht wirklich zufrieden gewesen, was auch daran gelegen haben könnte, dass er als Fahrer viel unterwegs war und es nicht schaffte, Freunde zu finden, zu denen er wirkliches Vertrauen aufbauen konnte. Zu seinen Kollegen hatte er aufgrund seiner Tätigkeit als Fahrer wenig Kontakt und wurde als ruhig und zurückhaltend, aber hilfsbereit beschrieben. Der Ton aus seiner Kaderakte klingt rauer: Detlef sei eine labile Persönlichkeit gewesen. Auch der häufige Arbeitsplatzwechsel wurde durch die Obrigkeit stark gerügt: Durch das berufliche Hin und Her vor der Einberufung zur NVA hätte sich der junge Erwachsene „der erzieherischen Wirkung eines gefestigten Kollektives entzogen“. Seine Fehlschichten auf der Dienststelle würden sich zudem nicht mit einer positiven Grundeinstellung zur DDR vereinbaren lassen. Zudem fiel Detlef durch mehrere Disziplinarverstöße auf: Trotz mehrfacher Verbote nahm er ein Kleinstradio mit an seinen Arbeitsplatz und erhielt mehrmalig Verweise.
Diese Einschätzung der Mitarbeitenden des Ministeriums vereinfachte Detlef seinen Einstand bei der NVA nicht. Am 3. Mai 1977 trat er seinen Grundwehrdienst in Weißenfels an und wurde in der Aufklärungskompanie des Schützenregiment MSR-18 ausgebildet und eingesetzt. Die Leistungen des Soldaten Detlef Günther wurden als befriedigend, seine Disziplin jedoch als teilweise ungenügend beurteilt. Generell habe er wenig Interesse an der Ausbildung gehabt, Aufgaben nur zögernd und ohne Eigeninitiative erfüllt und die Ableistung des Grundwehrdienstes als „nicht unbedingt notwendig“ angesehen. Unterschiedliche Zusammenstöße mit Vorgesetzten und dass er sich auch in der NVA als Einzelgänger zeigte und von anderen Soldaten absonderte, führten dazu, dass er mehrmals disziplinarisch sanktioniert wurde und aufgrund der „wegen (…) ihm verursachten Vorkommnisse“ und „seiner Einstellung zum Wehrdienst“ nicht zum Gefreiten befördert wurde. Am 27. Oktober 1978 schied er mit dem Dienstgrad des Soldaten aus der NVA aus.
Während seiner Zeit bei der NVA häuften sich die Probleme mit der DDR-Obrigkeit und Detlef rückte durch eine auf ihn angelegte operative Personenkontrolle (OPK) ins Visier der Staatssicherheit. Dies geschah auch, da Detlef unmittelbaren Kontakt mit Gerald Gennert pflegte. Vermutlich entstand während der Zeit bei der NVA eine Freundschaft zwischen den beiden jungen Männern, in der auch erste Gedanken für einen gemeinsamen Fluchtversuch reiften. Durch die OPK sollte geprüft werden, inwieweit die jungen Männer bei ihren als „feindlich negativ“ eingestuften Handlungen gemeinschaftlich vorgingen. Darüber hinaus sollte näher untersucht werden, ob Detlef Vorbereitungshandlungen zum Verlassen der DDR oder für eine mögliche Fahnenflucht unternahm.
Den Ermittelnden wurde durch ihre Observation bekannt, dass Detlef durch eine rege Brieffreundschaft Kontakt zu einem schwedischen Staatsbürger pflegte. Diesem teilte der junge Mann auch mit, dass er sich bei der deutschen Seerederei beworben hatte, aber abgelehnt worden sei, es aber auch noch einmal bei der Fischfangflotte der DDR versuchen wollte. Insgesamt schrieb Detlef drei Bewerbungen an die VEB Deutfracht, die Seerederei Rostock und das VEB Fischkombinat Saßnitz. Aus dieser Tatsache leiteten die Ermittelnden ab, dass der junge Mann vermutlich die Absicht hatte, die DDR nach geltendem Recht illegal als Angehöriger der genannten Flotten über den Seeweg zu verlassen. Diese Vermutungen wurden durch seine mangelnden beruflichen Voraussetzungen für eine zukünftige Tätigkeit als Seemann beziehungsweise Fischer und die Vermeidung von harter körperlicher Arbeit, für die er bekannt sei, bestärkt. Aus dem Briefverkehr wurde auch bekannt, dass Detlef seinem schwedischen Bekannten ein Treffen während der Leipziger Frühjahrsmesse, in seinem Urlaub zwischen dem 18. und 20. März 1978, vorschlug.
Im Mai 1978 wurde Detlef durch einen Inoffiziellen Mitarbeiter des MfS bei der NVA dabei beobachtet, wie er im Annoncenteil einer Zeitung Werbung für ein Motorboot Typ Delphin und ein Bauernhaus an der Ostsee markierte. Die Nachfrage, ob er vorhabe, dieses käuflich zu erwerben, bejahte er. In einem Gespräch in den Abendstunden des 13. Mai 1978 mit einem NVA-Kollegen tauschte sich Detlef mit einem Gesprächspartner über dessen Angelausflug zum Arendsee, der in der Sperrzone der Bundesrepublik lag und die dortigen Fluchtbedingungen, aus. Nach dem belauschten Gespräch suchte Detlef den Inoffiziellen Mitarbeiter auf, der dem Gespräch zwar beigewohnt, sich jedoch nicht beteiligt hatte, und bat ihn, über den Inhalt der Unterhaltung zu schweigen.
Auch Detlefs Freund Gerald Gennert machte unbewusst Aussagen gegenüber der Staatssicherheit, die seinem Freund zum Verhängnis hätten werden können. So wurde Gerald durch einen Inoffiziellen Mitarbeiter der Staatssicherheit direkt gefragt, ob Detlef Absichten hätte, in den Westen zu fliehen. Gerald plauderte aus, dass sein Freund laufend davon reden würde, dass er zur Marine wolle und in seinem Spind ein Handbuch für Wassersportler liegen würde. Die Bewerbungen bei der Handelsmarine und Hochseefischerei seien auch aus seiner Motivation heraus, in den Westen zu fliehen, entstanden. Da sie abgelehnt wurden, sei die Bewerbung bei der Binnenschifffahrt erfolgt. Nach Gerald sei dies die einzige Möglichkeit für seinen Freund Detlef, die DDR verlassen zu können, da ihm für eine Schleusung das Geld fehlen würde. Dies deckt sich mit weiteren Aussagen zu Detlefs Persönlichkeit, aus denen hervorgeht, dass er nicht gut mit Geld umgehen und keine Ersparnisse ansammeln könne. Gegenüber dem Inoffiziellen Mitarbeiter machte Gerald Gennert darüber hinaus deutlich, dass er ebenfalls die DDR über Polen verlassen wollen würde, falls er keinen Studienplatz erhielte.
Im Juni 1978 wurden weitere Vorkommnisse über Detlef bekannt, bei denen er mit seinen NVA-Vorgesetzten in Konflikt geriet. So störte er durch negative Äußerungen den Politunterricht und sprach häufig in Andeutungen. Er kritisierte unter anderem, dass in der DDR keine Freizügigkeit herrschen würde und betonte die Widersprüche und Verstöße des DDR-Rechts gegen die UNO-Charta. In seinem Spind lagen zudem eine UNO-Deklaration sowie die Verfassung der BRD. Detlef übte Kritik an der Institution der NVA, die er schlichtweg nicht als notwendig erachtete, da seiner Meinung nach von der Bundesrepublik niemals ein Krieg ausgehen würde. Auch die ideologisch verordnete Freundschaft zur Sowjetunion empfand er als Zwang: Seiner Meinung nach hätte die DDR sich viel weiter entwickeln können, wenn sie nicht so abhängig von der Sowjetunion gewesen wäre. In den Sommermonaten häuften sich zudem wiederholte Berichte über mehrfaches unerlaubtes Entfernen vom Gelände und die Meldung des unerlaubten Hörens westlicher Nachrichten. Detlef begründete dies damit, dass man den Medien der DDR nicht trauen könne. Weiterhin wurde er dabei beobachtet, wie er sich mehrfach mit seinem Atlas beschäftigte und Notizen machte.
All diese Umstände führten dazu, dass der Soldat am 28. September 1978 zu einem zweistündigen Vernehmungsgespräch beordert wurde. Zuerst bestritt er, dass er irgendwelche Aktivitäten zur Vorbereitung einer Flucht durchgeführt hätte. Nach der Androhung von Sanktionen gestand er aber schließlich Vorbereitungshandlungen, wie beispielsweise die Bewerbungen als Seemann. Detlef sagte aus, dass er geschwankt habe zwischen Bleiben und Gehen. Zum einen habe seine Freundin die DDR nicht verlassen wollen, zum anderen sei ihm klar geworden, dass er „im Sozialismus bessere Existenzmöglichkeiten“ habe als in der Bundesrepublik. Er berichtete, dass er einen neuen Arbeitsvertrag besäße und nach dem Ende seines Grundwehrdienstes wieder in seinem alten Betrieb anfangen könnte. Darüber hinaus offenbarte Detlef, dass er beabsichtigte, sich als Amateurmusiker weiter zu qualifizieren. Diese Aussagen konnten die Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit überzeugen und führten dazu, dass sie das Ziel ihres Vorbeugungsgespräches als erreicht ansahen und annahmen, der Soldat Detlef Günther würde in Zukunft keine weiteren Aktivitäten unternehmen, um die DDR illegal zu verlassen. Es erfolgte die Einstellung der OPK und Detlef brachte seine Armeezeit ohne weitere Vorkommnisse zu Ende. Anschließend trat er wieder seine Stelle als Kraftfahrer in der Transportmechanik in Leipzig an.
Dort nahm er vom 10. September bis zum 26. September 1980 seinen ihm noch zustehenden Urlaub. Als Reiseziel gab er die Volksrepublik Bulgarien an, aus der er auch zwei Ansichtskarten an eine namentlich nicht bekannte Zeugin sendete. Dieser hatte Detlef bereits im Vorfeld erzählt, dass er nach Bulgarien fliegen wollte, jedoch ohne ihr seine Unterkunft oder die Dauer seines Aufenthaltes mitzuteilen. Weiterhin erzählte er ihr, dass er sein Schlagzeug und seinen Kofferfernseher verkauft habe. Als Grund nannte er Geldmangel. Die Zeugin nahm daraufhin an, dass Detlef durch den Verkauf dieser Gegenstände seine Urlaubsreise nach Bulgarien finanzieren wollte. Er erzählte auch, dass er die Reise nach Bulgarien allein durchführen wollte, um das Land besser kennenzulernen. Andeutungen, dass er die DDR verlassen wollte, machte er nicht. Gegen Ende seines Urlaubes meldete sich Detlef telefonisch bei seinem Betrieb und bat darum, seinen Urlaub bis zum 1. Oktober verlängern zu dürfen. Dieser Wunsch wurde jedoch abgelehnt, da er keine konkreten Gründe vorlegen konnte. Theoretisch hätte Detlef am Montag, den 29. September 1980, also wieder auf seiner Arbeitsstelle erscheinen müssen – dazu kam es jedoch nicht.
Nach Annahmen der Ermittlungsbehörden planten Gerald und sein Freund Detlef, von der Insel Rügen aus die DDR über die Ostsee mit einem Faltboot Richtung Schweden zu verlassen. Vermutlich wollten sie im Anschluss über Schweden in die Bundesrepublik einzureisen. Doch wie bereiteten die beiden jungen Männer ihre Flucht vor?
Sowohl Detlef als auch Gerald galten seit dem 24. September 1980 als verschollen. An diesem Tag berichtete Detlefs Mutter, dass sie zum letzten Mal etwas von ihrem Sohn gehört hätte. Auch Gerald verabschiedete sich zeitgleich von seiner Mutter, indem er ihr mitteilte, dass er mit seinem Freund Detlef auf Arbeitssuche gehen würde. Eine Vermisstenanzeige für ihren Sohn erstattete Geralds Mutter jedoch erst am 3. Februar 1981.
Bereits im Vorfeld hatte Gerald in Leipzig einen PKW Moskwitsch gemietet, mit dem die beiden Freunde Bernburg verließen. Am 25. September 1980 gegen 11 Uhr kauften beide in Berlin ein Faltboot. Ein Zeuge, vermutlich ein Verkäufer aus dem Laden, berichtete, wie er den beiden Männern half, das Faltboot aufzubauen. Er erläuterte, dass Detlef und Gerald beim Aufbau des Bootes verzweifelt wirkten, da sie drohten zu scheitern. Sie hatten schon einige Teile vollkommen falsch zusammengebaut, weswegen der Zeuge gemeinsam mit ihnen die Teile des Faltbootes zurück in den Laden brachte und ordnungsgemäß zusammenbaute. Der Verkäufer fragte die beiden, wohin sie in dieser Jahreszeit mit dem Faltboot wollten, woraufhin sie antworteten, dass ihr Ziel der ungarische Balaton sei. Detlef und Gerald nannten auch Ortsnamen, die der Zeuge zwar nicht kannte, da er aber selbst in Ungarn einen Urlaub verbracht hatte, schöpfte er keinen Verdacht. Weiterhin erwähnten die beiden, dass sie noch nach Oranienburg wollten, um dort einen Freund abzuholen, der ihnen eine Bekanntschaft in Ungarn vermittelt habe und mit in den Urlaub wollte. Da sie jedoch offensichtlich keine Ahnung hatten, wie sie nach Oranienburg kommen sollten, zeigte er ihnen den Weg auf einer Karte.
Etwa gegen 13 Uhr verluden die drei Männer das Boot auf den PKW. Da das Auto keine Dachgepäckträger hatte, wurde das Boot auf Verpackungsmaterial gelegt, welches durch den Laden zur Verfügung gestellt wurde. Der Angestellte spendierte vor der Abfahrt noch eine Tasse Kaffee, da Günther und Gerald ihm beim Einräumen der Ware geholfen hatten. Der Zeuge berichtete, dass sich die beiden nicht mit Namen ansprachen. Die Gespräche hätten sich nur um den Aufbau des Bootes und den Urlaub in Ungarn gedreht. Dazu, wie das Boot bezahlt wurde, konnte er keine Angaben machen. Detlef habe erzählt, dass er Musiker sei. Gerald verhielt sich schweigsamer und sagte im Gegensatz dazu fast nichts. Ob die beiden Freunde nach der Verabschiedung noch nach Oranienburg fuhren und was sie dort wollten, kann nicht rekonstruiert werden. Bekannt ist, dass sie mit dem Auto in Richtung Ostsee fuhren und in den Nachmittagsstunden in der Ortsmitte von Göhren in der Thiessower Straße durch einen Zeugen gesehen wurden. Dieser erkannte im PKW zwei junge Männer, von denen einer eine Brille getragen haben soll.
Einen Tag später, am 26. September 1980, wurde gegen 18 Uhr das Fahrzeug der beiden jungen Männer in der Nähe des Bootsliegeplatzes der Fischerei-Produktions-Genossenschaft (FPG) „Mönchgut“ durch einen Fischer aufgefunden. Das Auto war so unauffällig in der Verbindungsstraße Göhren-Lobbe und der Düne in Höhe des Bootsliegeplatzes der FPG „Mönchgut“ unter einem Birnenbaum abgestellt, dass es weder vom Strand noch von der Verbindungsstraße aus zu sehen war. Dem Zeugen stach jedoch auffällig ins Auge, dass vorne am PKW ein Hanfseil befestigt war.
Als das Auto einen Tag später immer noch unverändert an der Stelle stand, schaute der Zeuge noch einmal in das Fahrzeug und teilte seinem Fund einem weiteren Fischer mit. Gemeinsam schauten sich die zwei Fischer das Fahrzeug noch einmal an. Kurz darauf machten die Fischer der FPG eine weitere Entdeckung: Die Reuse, welche vom Bootsliegeplatz der FPG zwischen 600 und 700 Metern in die See hinaus ausgestellt war, musste an einer Stelle durchschnitten oder zerrissen worden sein. Dies teilten sie in den Mittagsstunden des 27. September dem Abschnittsbevollmächtigten (ABV) der Volkspolizei von Göhren mit, woraufhin das Auto geöffnet und entsprechende Maßnahmen eingeleitet wurden.
Die im Auto hinterlassenen Gegenstände erhärteten bei den ermittelnden Behörden den Verdacht, dass es sich hier um den Versuch eines „illegalen Grenzübertrittes“ handeln musste. So fand sich im Auto ein Zettel, mit der Aufschrift „Bin spätestens 9.00 Uhr zurück“ unterzeichnet mit Detlef. Neben fünf Litern Trinkwasser hatten die Männer auch Thermosflaschen, Koffein, Westen, zwei bis drei Tuben Ärosmit, Kassenzettel, Garantieschein, Bestandteile und Verpackung eines Faltbootes des Typs „Pouch/RZ 85 – 3 Exquisit, eine Autokarte der DDR und eine Touristenkarte der Inseln Rügen und Hiddensee im Gepäck. Kleidungsstücke in verschiedenen Größen konnten Gerald Gennert und Detlef Günther zugeordnet werden. Die Ermittelnden formulierten die These, dass durch die beiden Flüchtenden in der Nacht vom 25. auf den 26. September 1980 die Reusen durchschnitten worden waren, damit sie mit ihrem Faltboot entlang der Reuse auf das Meer hinausfahren konnten. Dabei müssen sie die Reusen durchkreuzt haben, wobei sie zerrissen worden waren.
Am 30. September 1980 wurde Detlefs Wohnung in der Kirschbergstraße in Leipzig durch die Ermittlungsbehörden durchsucht. Die Drei-Zimmer-Wohnung war in einem sauberen und gut eingerichteten Zustand, auch wenn zum damaligen Zeitpunkt renovierungsbedingte Malerarbeiten stattfanden. Detlef bewohnte darin ein kleines Zimmer und schlief auf der Erde. Trotz eines großen Bekanntenkreises wurden nur wenige Briefe gefunden, die eher allgemein gehalten waren. Auch ein Notizbuch lieferte keine weiteren Hinweise zum Fluchtversuch.
Am 14. Oktober 1980 wurde etwa zehn Meilen vor der Küste bei Kolobrzeg (Woiwodschaft Westpommern) eine unbekannte männlichen Wasserleiche geborgen. Der Tote wurde auf ungefähr 25 Jahre geschätzt, hatte eine Körpergröße von rund 194 cm, dunkelbraune Augen, blonde Haare und einen leichten Bart mit rötlicher Färbung. Er war bekleidet mit einer orangefarbenen Schwimmweste, trug eine Handtasche bei sich, die persönliche Gegenstände enthielt (wie 150 DDR-Mark, einen Kugelschreiber, eine Tube eines Rheuma-Schmerzmittels, eine Schokoladenverpackung) und hatte an der linken Hand einen Kompass befestigt. Durch einen Abgleich mit gemeldeten Vermisstenvorgängen, der Personen- und Bekleidungsbeschreibung sowie des Zahnstatusses konnten die Ermittelnden zuordnen, dass es sich bei dem Unbekannten um den seit dem 24. September 1980 vermissten Detlef Günther handeln musste. Am 21. Oktober wurde er auf dem Städtischen Friedhof Kolobrzeg beigesetzt. Er wurde nur 26 Jahre alt.
Zum Weihnachtsfest des Jahres 1980 meldete sich Detlefs Bekannter aus Schweden mit Weihnachtsgrüßen und Glückwünschen zum Jahreswechsel 1981. Er erhielt nie eine Antwort, doch durch diesen Brief wurde letztmalig bestätigt, dass weder Detlef noch sein Freund Gerald Schweden erreichten. Die Leiche Gerald Gennerts wurde nie gefunden. Er gilt bis heute als verschollen.