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Biografisches Handbuch

Torsten Feige

geboren am 16. Mai 1962 in Hennigsdorf | Suizid am 17. Juli 1981 | Ort des Geschehens: Kaserne der Grenzkompanie Selmsdorf (Mecklenburg-Vorpommern)
Ein Feldwebel und ein Gefreiter der Grenzbrigade Selmsdorf, die gerade den Hof fegten, hörten plötzlich einen Schuss und sahen, wie ein Soldat im Wachdienst zu Boden stürzte. Als sie den am Boden liegenden Posten erreichten, stellten sie fest, dass er sich mit seiner MPi in den Kopf geschossen hatte. Es handelte sich um den Soldaten Torsten Feige. Sein Tod trat nach der Schussabgabe mit sofortiger Wirkung ein.

Torsten Feige war von Beruf Instandhaltungsmechaniker. Bei seiner Musterung wies er auf Herzprobleme bei hoher Belastung hin. Er kam am 23. Juni 1981 als Kraftfahrer zum Stab der Grenzbrigade Selmsdorf. Seine militärischen Beurteilungen fielen bis dahin positiv aus. Ihm wurde ein ausgeglichener Charakter bescheinigt. Zimmerkameraden sagten nach Feiges Suizid aus, es sei nach einer Woche noch immer nicht gelungen, ihn in die Zimmergemeinschaft zu integrieren, da er sich ständig mehr oder weniger abgesondert habe. Torsten Feige habe weder über sein bisheriges Leben noch über sein Elternhaus gesprochen und sich nicht an „gemeinsamen Maßnahmen“ beteiligt. Am Tag seines Todes habe er, wie schon oft zuvor, vor seinem geöffneten Spind gestanden und wie geistesabwesend in den Schrank gestarrt. Wenn er zuvor gefragt worden sei, warum er in den Spind starre, habe er geantwortet, er wolle dort etwas in Ordnung bringen, obwohl sein Spind sauber und vorschriftsmäßig aufgeräumt gewesen sei. Am Tag seiner Selbsttötung habe er von 13 bis 13.45 Uhr vor dem geöffneten Spind gestanden und hineingeschaut. Ein Zimmerkamerad benachrichtigte den Zugführer über Feiges seltsames Verhalten. Unteroffizier Kawalle begab sich auf die Stube und sprach Feige an, der noch immer vor seinem Schrank stand. Auf die Frage, ob er Probleme hätte, verneinte er das und schloss den Schrank. Danach ging er zum Meldepunkt, um seinen Wachdienst anzutreten.

Einen Tag nach der Selbsttötung Feiges entschied der Untersuchungsführer Leutnant Matussek von der Militärstaatsanwaltschaft Stendal, dass den Eltern „lediglich mitzuteilen ist, daß der Sohn tödlich verunglückt sei und die Ermittlungen durch den Militärstaatsanwalt geführt werden“. Die Eltern würden nach dem Abschluss der Ermittlungen dann „ausreichende Auskünfte“ erhalten. Ihnen sollten die persönlichen Gegenstände ihres Sohnes übersandt werden. Die im Spind Feiges aufgefundenen Briefe der Eltern, der Großmutter und von zwei Freunden aus Hennigsdorf seien inhaltlich belanglos und nicht mit der Selbsttötung in Zusammenhang zu bringen. Zwei in seinem Spind sichergestellte Briefe enthielten Todesanzeigen von einem Freund Feiges, der als Offiziersschüler in Löbau bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war.

In einer vom Militärstaatsanwalt verlangten handschriftlichen Beurteilung, die ein Kamerad, der Feige aus der Ausbildungskompanie Glöwen kannte, verfasst hatte, heißt es, Torsten Feige sei während der Ausbildung umgänglich aber zurückhaltend gewesen. „Man konnte sich mit ihm über viele Probleme unterhalten. Er hatte großes Interesse am Motorsport und erzählte auch viel darüber. Er hatte einen großen Freundes- und Bekanntenkreis. Über sich selbst hat er kaum gesprochen.“ Torsten Feige sei sehr auf die Ordnung in der Stube bedacht gewesen. Nach der Grundausbildung habe er sich sehr auf seine Tätigkeit als Kraftfahrer gefreut. Sein Vorgesetzter in der Grundausbildung erklärte als Zeuge gegenüber der Militärstaatsanwaltschaft: „Sold. Feige bereitete die Umstellung auf die Belange des militärischen Lebens größere Schwierigkeiten als dem Durchschnitt der anderen Soldaten. Seine Haltung zum Dienst war vor allem bestimmt durch das Prinzip, auf keinen Fall auffallen zu wollen.“ Im Politunterricht habe sich Feige nicht geäußert und nur auf Nachfragen reagiert.

Der „Abschlußbericht“ des Grenzregiments 6 zum Suizid Feiges charakterisierte ihn als „sehr sensibel, feinfühlig und zurückhaltend“. Gründe für die Selbsttötung im dienstlichen Bereich lägen nicht vor. Vermutlich habe es sich um eine „Kurzschlussreaktion“ gehandelt. Die Selbsttötung wurde in außerordentlichen Dienstversammlung der Einheit Feiges und im Stab erörtert. Major Großmann teilte am 18. Juli 1981 den Eltern, die sich auf einem Zeltplatz am Liepnitzsee im Urlaub befanden, den Tod ihres Sohnes mit. Wie angeordnet, sprach er von einem Unfall und gab ihnen keine Auskünfte über die Todesumstände, sondern verwies auf die Untersuchung des Militärstaatsanwaltes. Erst zehn Tage später informierte der Mitarbeiter der Militärstaatanwaltschaft Leutnant Matussek die Eltern über den Freitod ihres Sohnes. Die Mutter habe Zweifel geäußert, da sich ihr Sohn sehr auf seinen bevorstehenden ersten Urlaub gefreut habe.

Die Bestattung von Torsten Feige auf dem Waldfriedhof in Hennigsdorf erfolgte mit kleinem militärischen Zeremoniell. Die Eltern baten darum, unter Rücksichtnahme auf die Herzschwäche der Großeltern auf einen Ehrensalut zu verzichten. Major Großmann sprach im Namen des Grenzregiments am Grab. Das Musikkorps Eggesin und eine Ehrenwache des Grenzausbildungsregiments Oranienburg eskortierten den Sarg. Das MfS meinte, unter den etwa 170 Trauergästen vier Verwandte der Familie aus West-Berlin erkannt zu haben und zählte weiter 30 Außenstehende, die den Ablauf der „Trauerparade“ beobachteten.


Biografie von Torsten Feige, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/319-torsten-feige/, Letzter Zugriff: 21.11.2024