Peter Gruner wurde am 9. Juli 1937 in Wismar als drittes von vier Kindern geboren. Der Vater war Klempnermeister. Als Peter vier war, kam seine Schwester Lilli auf die Welt. Gemeinsam mit ihr unternahm er 1962 den Versuch, aus der DDR über die Ostsee zu fliehen.
Peter wurde als schüchtern beschrieben, während seiner Schulzeit entwickelte er nur wenig Selbstvertrauen. Er erlernte zunächst den Beruf des Rohrschlossers auf der Mathias-Thesen-Werft in Wismar. Da er nicht weiter in dem Beruf tätig sein wollte, meldete er sich nach seiner Lehrzeit freiwillig zum sogenannten Ehrendienst bei der Kasernierten Volkspolizei (KVP), der Vorläuferin der Nationalen Volksarmee (NVA). Von 1955 bis 1957 war er in Prora auf Rügen stationiert.
Durch Sanitätslehrgänge, an denen er während seiner Zeit in der Armee teilnahm, entwickelte er den Wunsch, Medizin zu studieren. Um sein Abitur abzulegen, wurde Peter von der NVA zur Arbeiter- und Bauern-Fakultät nach Rostock delegiert. Im Anschluss nahm er an der Rostocker Universität ein Medizinstudium auf. Seine Schwester Lilli absolvierte ab 1961 in Rostock ein Lehrerstudium für Deutsch und Körpererziehung.
Im Sommer 1961 stürzte sich Peter in ein Unterfangen, das sein Leben tiefgreifend verändern sollte. Zusammen mit zwei Studienkollegen reiste er in den Ferien über Westberlin in die Bundesrepublik und fuhr dort mehrere Wochen lang per Anhalter von Nord nach Süd. Er besuchte auch seinen älteren Bruder, der einige Jahre zuvor in den Westen geflohen war und nun in Nürnberg lebte. Peter kehrte mit einem seiner Kommilitonen Anfang September zurück nach Rostock. Der andere hatte schon etwas früher wieder den Boden der DDR betreten und fertigte wenige Wochen später für die Staatssicherheit einen Bericht über die Reise an, in dem er seine beiden Mitreisenden schwer belastete. Diese hatten keine Kenntnis davon, dass ihr Studienfreund bereits seit Jahren als Geheimer Informator für das MfS tätig war und immer wieder über seine Kommilitonen Auskunft gab.
Peter wurde nach seiner Rückkehr aus der FDJ ausgeschlossen und musste weitere Konsequenzen befürchten. Die Lage spitzte sich zu, als die beiden Mitreisenden im Frühjahr 1962 unabhängig voneinander über die Ostsee flohen. Nun gerieten Peter und auch seine Schwester Lilli ins Visier der Staatssicherheit. Im Mai 1962 wurden beide verhaftet und während der Untersuchungshaft in Rostock verhört. Es wurde massiver Druck auf sie ausgeübt – sie sollten die Fluchtrouten der Kommilitonen, denen die Flucht geglückt war, ermitteln. Um der erzwungenen Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit zu entgehen, planten sie die eigene Flucht über die Ostsee. Für Peter und Lilli stand dabei fest, dass sie diesen Schritt nur gemeinsam gehen würden – keiner sollte durch die Flucht des anderen in noch größere Schwierigkeiten geraten.
Während Peter sich in Wismar aufhielt, meldete Lilli sich im August 1962 freiwillig zum Ernteeinsatz in Elmenhorst im Kreis Grevesmühlen. Bis in die Bundesrepublik war es von hier aus nicht weit. Aus einem Versteck heraus beobachtete Lilli Nacht um Nacht das Meer und den regen Fährverkehr vor der Küste. Die beiden Geschwister wollten versuchen, von einem dieser Schiffe in den Westen mitgenommen zu werden. Als Hilfsmittel für die Überfahrt diente ihnen lediglich ein altes, geflicktes Schlauchboot. Der 28. August 1962 wurde als Fluchttag ausgemacht. Ein Onkel der beiden brachte Peter samt Schlauchboot zu Lilli nach Elmenhorst. Am Abend machten sich die 20-jährige Lilli und der 25-jährige Peter auf den Weg. Es war bedeckt und regnerisch, aber warm. Die Ostsee hatte noch eine Temperatur von 15 Grad. Doch das Wetter schlug um und es kamen starke Winde auf. Für eine Fahrt auf stürmischer See war das lädierte Schlauchboot völlig ungeeignet. Die Flucht über die Lübecker Bucht nahm ein tragisches Ende.
Nachdem das Verschwinden von Lilli in Elmenhorst bemerkt und gemeldet worden war, tauchte am 5. September die Volkspolizei bei der Familie in Wismar auf. In größter Sorge um den Verbleib der beiden Kinder schrieb die Mutter ihrer in Hamburg lebenden Schwester einen Brief. Diese übermittelte wenige Tage später die traurige Nachricht nach Wismar, dass am 4. September in den Lübecker Nachrichten vom Leichenfund einer jungen Frau berichtet worden war. Die Tote wurde später als Lilli Gruner identifiziert. Die Leiche von Peter Gruner wurde nie gefunden. Vieles spricht dafür, dass auch er bei der Flucht ums Leben kam. Nach vielen Jahren der Ungewissheit ließ seine Mutter ihn für tot erklären. Als Sterbedatum ist bei beiden der 28. August 1962 vermerkt – jener Dienstag, an dem sie sich mit einem Schlauchboot ins Wasser der Ostsee begaben.