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Biografisches Handbuch

Paul Hermann

geboren am 31. Juli 1944 in Leschnau (heute: Leziona, Polen) | Suizid nach Festnahme am 18. April 1963 | Ort des Vorfalls: Ludwigslust (Mecklenburg-Vorpommern)
Vier Jugendliche, unter ihnen Paul Hermann, wollten im April 1963 bei Dömitz durch die Elbe in die Bundesrepublik flüchten. Einer der Beteiligten hatte die Gruppe verraten und sie wurden festgenommen. Zur Vernehmung wurden sie in das Volkspolizeikreisamt nach Ludwigslust gebracht. Dort sprang der 18-jährige Paul Hermann während seiner Vernehmung plötzlich durch das geschlossene Fenster des zweiten Stockwerks und verletzte sich tödlich.

In den späten Abendstunden des 17. April 1963 befand sich die Grenzkompanie Dömitz in Alarmbereitschaft. Es lagen Informationen über ein Fluchtvorhaben von vier Jugendlichen vor, die südöstlich von Dömitz durch die Elbe in die Bundesrepublik flüchten wollten. Einer der Beteiligten hatte die Gruppe verraten und Informationen über den Fluchtplan weitergegeben. Die vier Flüchtlinge trafen gegen 23 Uhr auf zwei Grenzsoldaten der Bootstruppe Dömitz, die als zusätzliche Sicherungsposten an Land patrouillierten. Paul Hermann widersetzte sich der Festnahme, indem er einen der Grenzposten angriff und vergeblich versuchte, ihm die Maschinenpistole zu entreißen. Der Posten stieß Paul Hermann zu Boden und hielt ihn mit der Waffe in Schach. Die anderen Jugendlichen ergaben sich ohne weiteren Widerstand ihrem Schicksal. Ein nach Signalschüssen herbeigeeiltes Kommando der Bootstruppe Dömitz führte sie ab und übergab sie der Volkspolizei, die sie zur Vernehmung in das Volkspolizeikreisamt (VPKA) nach Ludwigslust brachte. Dort sprang Paul Hermann während seiner Vernehmung plötzlich vom Stuhl auf den Tisch und dann durch das geschlossene Fenster des zweiten Stockwerks. Er stürzte auf die Steintreppen vor der Polizeidienststelle und erlag dort wenig später seinen schweren Verletzungen. Ob es sich bei dem Sprung aus dem Fenster um einen erneuten Fluchtversuch oder eine Selbsttötung aus Verzweiflung gehandelt hat, blieb ungeklärt.

Paul Harry Hermann kam in Leschnau, im Kreis Ostrowo (heute: Leziona, Polen) zu Welt. Der 18-Jährige lebte zuletzt mit seiner Mutter in Ludwigslust und absolvierte dort eine Lehre zum Glaser bei der Produktionsgenossenschaft (PGH) „Diamant“. Die anderen drei an dem Fluchtversuch Beteiligten waren 16 bis 18 Jahre alt und stammten ebenfalls aus der Dömitzer Umgebung. Einem von ihnen, einem Traktoristen aus Malliß, war bereits einmal die Flucht in den Westen gelungen. Er kehrte aber nach zwei Wochen im Januar 1963 wieder in die DDR zurück. Die Volkspolizei und das MfS hegten deswegen den Verdacht, dass er für westdeutsche Auftraggeber „Abwerbungen“ aus der DDR organisiere und die anderen zur Flucht überredet hätte. Während er und ein weiterer beteiligter Jugendlicher in Haft kamen, blieb der vierte unbehelligt, da er das Fluchtvorhaben verraten hatte.


Biografie von Paul Hermann, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/114-paul-hermann/, Letzter Zugriff: 21.11.2024