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Biografisches Handbuch

Werner Dobrick

geboren am 27. April 1942 in Marienwerder | bei Fluchtversuch ertrunken am 28. August 1962 | Ort des Vorfalls: Pötenitzer Wiek (Mecklenburg-Vorpommern/Schleswig-Holstein)
BildunterschriftWerner Dobrick
BildquellePrivat, Dieter Dobrick
Quelle: Privat, Dieter Dobrick
Der 20-Jährige Lehrer unternahm einen Fluchtversuch über die Pötenitzer Wiek. Unter welchen Umständen der ausgebildete Rettungsschwimmer ums Leben kam, ist bis heute ungeklärt.

Werner Dobrick war das jüngste von vier Geschwistern. Nach Krieg und Vertreibung wohnte die Familie in Gägelow, nahe Wismar.

Ein Bruder Dobricks lebte seit 1955 in der Bundesrepublik. Werner Dobrick hatte einen ruhigen Charakter, er war gesellig und verbrachte gerne Zeit mit seinen Freunden. Einer seiner Brüder erinnert sich an ihn als einen wohlüberlegt handelnden Menschen, der die Dinge und seine Vorhaben sehr genau durchdacht habe. Nach einer Tischlerlehre wurde Werner Dobrick zum Junglehrer am Lehrerbildungsinstitut in Neukloster ausgebildet. Er kam 1960 als Volksschullehrer nach Pötenitz. Dort setzte ihn der damalige Schulleiter massiv unter Druck, „eine Verpflichtung [zu] unterschreiben, daß er jeglichen Kontakt mit seinem in der Bundesrepublik lebenden Bruder […] unterbindet und zu jeder Zeit, wenn es die DDR fordere, auch bereit sei, auf seinen Bruder zu schießen“.

Beim Kommando der Grenztruppen ging in den frühen Morgenstunden des 29. August 1962 eine Meldung über einen Grenzdurchbruch südwestlich von Pötenitz ein. Demnach hatten Grenzer an einer unbewachten Stelle eine Kriechspur durch den Zehn-Meter-Kontrollstreifen bis zur Pötenitzer Wiek entdeckt. Sie stammte vom 20-jährigen Werner Dobrick, der das westliche Ufer jedoch nicht erreichte. Gerüchte, dass er nicht alleine geflüchtet sei, sondern in Begleitung einer jungen Kollegin aus seiner Schule, konnten durch polizeiliche Ermittlungen im Jahr 1993 widerlegt werden. Die Flucht der jungen Lehrerin erfolgte ein Woche später am 3. September 1962, wie aus Unterlagen der Erfassungsstelle Salzgitter hervorgeht.

Nach der Bergung der Leiche Werner Dobricks vernahm der Staatssicherheitsdienst seine Eltern, ohne sie über den Tod ihres Sohnes zu informieren. Später hieß es, er sei bei einem Sportunfall ertrunken. Trotz des Vermerks „Tod durch Ertrinken“ auf der vom Standesamt Dassow am 10. September 1962 ausgestellten Sterbeurkunde und der vom MfS verbreiteten Desinformation, Werner Dobrick sei bei einem Badeunfall ums Leben gekommen, vermuteten Verwandte und Bekannte einen gescheiterten Fluchtversuch. Da Werner Dobrick ein ausgebildeter Rettungsschwimmer war, glaubte man, er sei bei einem gescheiterten Fluchtversuch im Wasser erschossen worden. Die Leiche Werner Dobricks wurde in seinen Heimatort Gägelow/Proseken überführt. Seine Angehörigen durften ihn nicht noch einmal sehen. Als die Trauergemeinde zur Grabstelle kam, hatte man den mit Nägeln und Schrauben verschlossenen Sarg bereits ins Grab gelassen. Das ungeklärte Schicksal des jüngsten Sohnes grämte seinen Vater zutiefst. Er verstarb ein Jahr später im Alter von 60 Jahren.

Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in den 1990er Jahren brachten keine neuen Erkenntnisse über Werner Dobricks Todesursache. Da die von seinen Angehörigen vermutete Schussverletzung nicht nachgewiesen werden konnte, wurde das gegen Unbekannt geführte Ermittlungsverfahren eingestellt. Unter welchen Umständen der ausgebildete Rettungsschwimmer ums Leben kam, ist bis heute ungeklärt. Allerdigs weist ein amtliches Gutachten des Deutschen Wetterdienstes, Seewetteramt Hamburg vom 5.10.1993 darauf hin. dass die damaligen Wetterbedingungen (Wellen von 0,5 bis 1 m Höhe) auch für einen geübten Schwimmer wie Werner Dobrick gefährlich gewesen sein könnten.


Biografie von Werner Dobrick, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/107-werner-dobrick/, Letzter Zugriff: 21.11.2024