Aus dem Leben des am 24. Oktober 1940 in Breslau geborenen Siegward Guder ist bislang nur bekannt, dass er eine Schwester und einen Bruder hatte, im sächsischen Werdau lebte und Student an der Bergakademie in Freiberg war.
Zusammen mit seinem Freund Günter Klein, einem gleichaltrigen Schlosser aus Werdau, versuchte er vermutlich im Juni 1962 vom Darß aus über die Ostsee zu fliehen. Guder besuchte Klein während der Pfingsttage 1962 in Ribnitz-Damgarten, wo dieser zu der Zeit beim VEB Faserplattenwerk Ribnitz beschäftigt war. Er reiste mit dem Motorrad an; dieses wurde am Pfingstsonntag, dem 10. Juni 1962, herrenlos am Strand von Dierhagen gefunden. Seit diesem Tag galten die beiden als vermisst. Als der Bruder von Siegward das Motorrad später abholte, erfuhr er, dass die beiden jungen Männer zuletzt am zweiten Pfingstfeiertag in einem Kulturhaus beim Tanz gesehen wurden. Am 12. Juni wurde ein stark beschädigtes Faltboot, das den beiden aufgrund darin vorgefundener persönlicher Dinge zugeordnet wurde, am Strand von Zingst entdeckt. Von den beiden 21- bzw. 22-Jährigen fehlte seitdem jede Spur.
Viele der Informationen zu diesem möglichen Fluchtfall mit Todesfolge sind einem Schreiben zu entnehmen, das die Schwester von Siegward Guder im Januar 1991 an den Ministerpräsidenten des Landes Mecklenburg-Vorpommern gerichtet hatte, mit der Bitte bei der Aufklärung des Falles zu helfen und Nachforschungen einzuleiten. Der Brief sowie das Antwortschreiben an Guders Schwester aus dem Innenministerium Ende Februar 1991 finden sich im Aktenbestand der ZERV. In der Antwort des Innenministeriums wurden ihr folgende Ergebnisse der Prüfung in der Angelegenheit dargelegt: Der Vermisstenvorgang beim VPKA Ribnitz-Damgarten lag nicht mehr vor, jedoch konnte die Karteisammlung vermisster Personen der Morduntersuchungskommission (MUK) Rostock ausfindig gemacht werden. Diese Karteikarten – eine zu Guder und eine zu Klein – finden sich auch in der ZERV-Akte. Hier wurde unter dem Stichwort „Verdachtsrichtung“ festgehalten, dass es sich um einen Unfalltod durch Ertrinken handelte und das Faltboot am Strand der Sundischen Wiesen gefunden wurde. Im Brief des Innenministeriums wiederum wurde hinter die Information Sundische Wiese in Klammern die Ergänzung „boddenseitiger Bereich der Halbinsel Zingst“ eingefügt. Wie man im Innenministerium zu diesem Befund kam, ist nicht nachvollziehbar. Die Sundischen Wiesen umfassen den gesamten östlichen Teil der Halbinsel Zingst und haben somit auch eine der Ostsee zugewandte Seite. Wenn das Faltboot hier – und nicht am Bodden – gefunden worden wäre, ließe sich viel eher eine Fluchtgeschichte rekonstruieren als wenn das Boot am Bodden gelegen hätte.
Auch die ZERV scheint nach Prüfung aller bekannter Fakten zu dem Schluss gekommen zu sein, dass es sich um eine Flucht mit Todesfolge gehandelt habe. In einer Verfügung vom Juli 1994 wurde vermerkt, dass sich keine Anhaltspunkte für eine Gewalttat an der Grenze ergeben haben und dass „Siegward Guder und Günter Klein […] offenbar beim Versuch, über die Ostsee in die Bundesrepublik Deutschland zu flüchten, ertrunken“ sind. Ob ihr Ziel wirklich die Bundesrepublik war oder nicht viel eher das Gedser Feuerschiff oder gleich das dänische Festland der Insel Falster – das Fluchtziel vieler Ostdeutscher, die in den 1960er Jahren vom Darß aus die Flucht über die Ostsee ergriffen –, lässt sich nicht mehr herausfinden. Auch zu den Leichen oder dem sonstigen Verbleib der beiden jungen Männer lässt sich bis heute keine Spur finden.
Es bleibt eine Vermutung, dass die beiden an Pfingsten 1962 mit einem Faltboot in Dierhagen oder Umgebung aufbrachen und ihre Flucht tödlich endete.