Werner Schneege besuchte von 1960 bis 1968 eine Sonderschule und erlernte in der LPG „Geschwister Scholl“ den Beruf des Agrotechnikers. Von 1971 an arbeitete er als Gabelstaplerfahrer im VEB Obertrikotagenbetrieb Wittstock. Das Werk war ein Anziehungspunkt für junge Textilarbeiterinnen aus der ländlichen Umgebung der Kreisstadt. Wahrscheinlich lernte Werner Schneege hier seine Verlobte, die Näherin Ines S., kennen, mit der er 1974 eine Tochter bekam.
Am 1. November 1973 wurde der 19-Jährige zum Grundwehrdienst eingezogen und nach der militärischen Grundausbildung im April 1974 in die Grenzkompanie Haar (Amt Neuhaus) kommandiert. Dort sollte er zunächst nur im Küchendienst beschäftigt werden, weil der Staatssicherheitsdienst bei seiner Überprüfung herausfand, dass er westliche Rundfunksendungen hörte. Sein Kompaniechef muss ihm jedoch soweit vertraut haben, dass er ihn auch für den Postendienst an der Grenze einteilte.
Am 12. Juni 1974 sollte Werner Schneege gemeinsam mit Unteroffizier Gerd B. als Postenführer an der Elbgrenze im Bereich Haar patrouillieren. Die Nachtschicht begann um 20 Uhr und sollte am darauffolgenden Tag um 4 Uhr enden. Gerd B. berichtete später dem westdeutschen Zoll, Schneege habe ihm während des Streifengangs offenbart, er wolle über die Elbe in die Bundesrepublik flüchten. Daraufhin habe er sich spontan entschlossen, ebenfalls zu flüchten, schon aus Angst vor der Bestrafung, die er zu erwarten hatte, wenn er ohne seinen Posten zur Kompanie zurückkehren würde. Gegen 23 Uhr standen beide bei Elbkilometer 532 und sahen auf der gegenüberliegenden Seite die Lichter des Dörfchens Schutschur. Sie zogen ihre Stiefel aus, legten die Waffen ab, verpackten die Dienstausweise in einem Plastikbeutel und stiegen gemeinsam in den Fluss. Während der ersten Meter schwamm Werner Schneege noch dicht hinter seinem Kameraden her. Dann musste Gerd B. mit der starken Strömung so sehr kämpfen, dass er nicht mehr auf Schneege achten konnte. Nachdem er zehn bis 15 Minuten geschwommen war, erreichte er das westliche Ufer. Auf seinen Kameraden wartete er dort jedoch vergebens.
Das NVA-Grenzsicherungsboot 199 meldete am 17. Juni 1974 gegen 13.40 Uhr den Fund einer Leiche. Der Tote, den man an einer Buhne gegenüber Klein Kühren barg, war Werner Schneege. Ein Motiv für seine Flucht war nicht zu ermitteln. Der Staatssicherheitsdienst behauptete später, Schneege sei von seinem Postenführer zur Flucht überredet worden. Ein weiterer Fahnenflüchtling aus Schneeges Kompanie informierte am 29. Juli 1974 den westdeutschen Zollgrenzdienst in Helmstedt über den Todesfall. Er hatte die Leiche Werner Schneeges noch vor der Überführung in die Gerichtsmedizin nach Schwerin selbst gesehen.