Am 13. April 1958 meldete der Lokführer eines aus der Bundesrepublik kommenden Güterzuges am Grenzübergang Schwanheide, dass sich in einem Waggon eine Zivilperson befinde. Zwei Mitarbeiter des DDR-Zolls, die daraufhin den Waggon kontrollieren wollten, konnten gerade noch sehen, wie ein Mann aus dem Zug sprang und fortlief. Sofort wurde Grenzalarm ausgelöst, die Grenze abgeriegelt und ein Fährtenhund eingesetzt. Doch die flüchtige Person blieb unauffindbar. Die Grenzpolizei schrieb den Unbekannten zur Fahndung aus, die Abschnittbevollmächtigten der Volkspolizei in den umliegenden Ortschaften wurden verständigt.
Der Mann, der aus dem Waggon gesprungen war und sich in den nun folgenden drei Tagen im Grenzgebiet des Dreiländerecks Schleswig-Holstein/Niedersachsen/ Mecklenburg-Vorpommern aufhielt, hieß Hermann Schübele. Er wurde am 12. September 1923 in der Altstadt von Magdeburg geboren und erlernte den Beruf eines Bäckers. Später verschlug es ihn nach Hamburg, wo er das Leben eines Einzelgängers geführt haben muss. Von dort kommend überquerte er am 13. April 1958 die Grenze zur DDR. Die Tage nach Schübeles Flucht aus dem Güterzug waren von wechselhaftem Wetter geprägt, in den Nächten herrschte noch Bodenfrost, was das Übernachten im Freien wohl schwer erträglich machte. Am 16. April 1958 entdeckte eine Streife der Grenzpolizei den 34-Jährigen um 8.20 Uhr im Bereich des Kommandos Vierkrug. Er sprang mit den Worten „Jetzt habt ihr Schweine mich doch“ etwa fünf Meter vor dem Grenzpolizisten Fritz S. aus dem Unterholz einer Kiefernschonung auf und flüchtete durch die Baumreihen. Fritz S. rief dem Flüchtenden zu, er solle stehenbleiben, und gab Warnschüsse in die Luft ab. Als dieser schon 20 bis 30 Meter Abstand gewonnen hatte, schoss der Grenzpolizist gezielt mit seiner Maschinenpistole in die Kiefernschonung.
Hermann Schübele trafen drei Kugeln in Rücken und Unterleib. Er brach sofort zusammen und starb wenige Augenblicke später. Fritz S. unterrichtete über das Grenzmeldenetz seine Vorgesetzten von dem Zwischenfall. Fünf Minuten später trafen ein Offizier und weitere Grenzpolizeiangehörige ein. Die Leiche von Hermann Schübele wurde abtransportiert, die bei ihm gefundene Aktentasche mit einer Bibel, mehreren kirchlichen Büchern und Notizen der Kreisdienststelle des MfS zur Auswertung übergeben. Im Westen vermisste Hermann Schübele niemand, zumindest gingen nach seinem Tod bei der Polizei keine Vermisstenmeldungen ein. Fritz S. erhielt nach der Tat eine Belohnung und schied bald darauf aus dem Grenzdienst aus.
Im Jahr 1997 gelang es dem Landgericht Schwerin nicht, die Gründe für Hermann Schübeles Grenzübertritt im April 1958 aufzuklären. Das Gericht meinte, er habe sich als Spion im Auftrag eines westlichen Geheimdienstes im Grenzgebiet aufgehalten. Fritz S. wurde am 20. November 1997 vor dem Landgericht Schwerin vom Vorwurf des Totschlags freigesprochen. Die faktische Rechtswidrigkeit der 1958 geltenden Befehlslage sei für den Angeklagten nicht offensichtlich gewesen.