Eiserner Vorhang. Tödliche Fluchten und Rechtsbeugung
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Biografisches Handbuch
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Herbert Fischer

Geboren am 3. Oktober 1920 in Wörlsdorf | erschossen am 9. Juni 1952 | Ort des Vorfalls: bei Liebau (Thüringen)

Auf dem Rückweg von einem Kirchweihfest im bayerischen Schwärzdorf trafen Herbert Fischer und sein Freund Willi R. auf zwei DDR-Grenzpolizisten, die sie festnehmen wollten. Fischer wehrte sich und entriss einem der beiden Grenzposten den Karabiner. Wenig später kam es zu einem Feuergefecht.

Herbert Bruno Fischer kam im bayerischen Wörlsdorf, in der heutigen Gemeinde Sonnefeld, zur Welt. Im Prinzenhof, dem landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern Rosa und Heinrich, half Herbert Fischer schon frühzeitig mit und unterstützte die Familie. Als „Prinz“ spielte er bereits als Jugendlicher beim Sportclub Hassenberg als Mittelläufer und entwickelte sein Fußballtalent weiter. Im Jahre 1937/38 feierte er mit seiner Mannschaft den Aufstieg in die Bezirksliga. Nach seiner Einberufung zum Kriegsdienst kam Fischer mit einer schweren Kriegsverwundung zu Genesung nach Freudenstadt in den Schwarzwald. Während eines weiteren militärischen Einsatzes im Protektorat Böhmen und Mähren lernte er seine spätere Frau Juliane aus dem Sudetenland kennen. Nach seiner Entlassung aus der englischen Gefangenschaft im April 1945 kehrte er in seine Heimat zurück und unterstützte seinen Vater auf dem elterlichen Hof. Seine Mutter sollte er nicht mehr wiedersehen, sie war bereits verstorben. Auf dem Prinzenhof der Fischers fanden einige heimatvertriebene Familien eine Bleibe, so auch Juliane seit 1945. Das junge Paar heiratete an Silvester 1947, im Januar 1949 wurde der Sohn Ralph geboren. Im Jahre 1948 wurde Herbert Fischer in den Wörlsdorfer Gemeinderat gewählt. Er arbeitete mit großem Engagement in der Gemeindevertretung mit, wo man seine Aufrichtigkeit und Sachlichkeit schätzte. Als Maschinist bediente er bei der Freiwilligen Feuerwehr Wörlsdorf die Feuerspritze.

Herbert Fischer, links im Bild, stehend, mit der Aufstiegsmannschaft von 1937/38
Herbert Fischer, links im Bild, stehend, mit der Aufstiegsmannschaft von 1937/38
Quelle: SC 1930 Hassenberg

Im Zuge der „Aktion Ungeziefer“ ordnete die SED-Führung im Jahre 1952 die Zwangsaussiedlung von mehr als 10 000 Menschen aus ihren Heimatorten im unmittelbaren Grenzgebiet an. Zu den betroffenen Orten zählte auch Liebau, das direkt an der thüringisch-bayerischen Grenze lag. Heute erinnert nur noch ein Gedenkstein an das Dorf, aus dem Anfang Juni 1952 nahezu die gesamte Dorfbevölkerung in den Westen flüchtete. In der Nacht zum 8.  Juni, eine Woche nach den Pfingstfeiertagen, besetzte die Volkspolizei den Ort. Einen Tag später, in der Nacht zum 9. Juni 1952, machte sich Herbert Fischer gemeinsam mit seinem Freund Willi R. auf den Rückweg von einem Kirchweihfest aus dem bayerischen Schwärzdorf. Zu später Stunde, gegen 3.30 Uhr, befanden sich die beiden etwas 100 Meter von Liebau entfernt, als sie auf zwei DDR-Grenzpolizisten des Kommandos Oerlsdorf trafen. Sie wurden angehalten und aufgefordert, zum Kommando mitzukommen. Die beiden Freunde weigerten sich jedoch, dem Befehl Folge zu leisten. Herbert Fischer sei mit einem der Grenzpolizisten wegen seines zwangsumgesiedelten Onkels und Paten in Streit geraten. Der Wachtmeister B. wollte Verstärkung herbeirufen.

Als er sich für einen Moment abwandte und mit der Signalpfeife nach hinten Alarm gab, entriss ihm Fischer den Karabiner und rannte in Richtung Grenze. Mehrere nach dem Alarmsignal herbeigeeilte Grenzpolizisten nahmen die Verfolgung auf. Herbert Fischer fand zunächst Deckung in einem Getreidefeld, das nur etwa 150 Meter von der Demarkationslinie entfernt lag. Er soll dann, wie die Tagesmeldung der Grenzpolizei angibt, aus dem Feld heraus das Feuer auf seine Verfolger eröffnet haben, als sie ihn einkreisten. In diesem Feuergefecht erlitt der 31-Jährige tödliche Schussverletzungen. Die spätere Untersuchung führte zum Ergebnis, dass Fischer vier Schüsse aus dem Karabiner abgab, ohne einen seiner Verfolger zu treffen, die Grenzpolizisten feuerten insgesamt 46 Schüsse auf ihn ab. Herbert Fischer wurde in seinen Heimatort Wörlsdorf überführt und am 22. Juni 1952 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung und seiner Sportkameraden zu Grabe getragen.

Autorin:
MP
Recherche:
jk, jos., MP, St.A
Quellen:
  • NVA, GT, Abteilg. Operativ: Tagesrapporte besondere Vorkommnisse betreffend Juni 1952– August 1952. BArch Freiburg, DVH 27/130330.
  • Grenzpolizeikommissariat Coburg, Vetter/Grenzpolizeikommissariat Coburg an das Präsidium der Bayerischen Grenzpolizei München: Veröffentlichung der kommunistischen Gewaltverbrechen an der Demarkationslinie. Coburg, 26.2.1963, BayHstA München, Präsidium der Bayer. Grenzpolizei, 74.
  • Bortfeldt, Florian-Michael: Grenzerinnerungen. http://www.grenzerinnerungen.de/aktion- ungeziefer/liebau (Zugriff am 10.03.2016).
  • Weiß, Hans-Jörgen: Nostalgie-Porträt: Herbert Fischer. SCH-ECHO, SC Hassenberg, 17/99.
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Abkürzungsverzeichnis
Name
Fischer, Herbert
Geschlecht
männlich
Geburtsdatum
3. Oktober 1920
Geburtsort
Wörlsdorf
Letzter Wohnort
Wörlsdorf, Ortsteil von Sonnefeld
Staat des Vorfalls
DDR
Region des Vorfalls
Thüringen
Ort des Vorfalls
bei Liebau
Todesursache
Schusswaffen
Datum des Vorfalls
9. Juni 1952
Todesalter
31
Teilprojekt
innerdeutsche Grenze
Fallgruppe
bei Kontrollen
Personengruppe
Zivilisten / Bundesrepublik
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