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Biografisches Handbuch

Manfred Schefuß

geboren am 21. Oktober 1948 in Stralsund | verschollen seit dem 10. Mai 1969, vermutlich in der Ostsee ertrunken | Ort des Vorfalls: Ostsee
Manfred Schefuß wollte gemeinsam mit seinem Freund Friedrich Karl Bruhn über die Ostsee fliehen. Seit dem 10. Mai 1969 werden beide vermisst.

Zum Leben von Manfred Schefuß wissen wir nur wenig. Das meiste ist aus einer Kerblochkarte der Stasi zu erfahren, die aufgrund seiner gemeinsamen Flucht mit Friedrich Karl Bruhn angelegt wurde.

Manfred Schefuß wurde am 21. Oktober 1948 in Stralsund geboren. Er war Sohn eines Stralsunder Maschinenbauers.

Schefuß war ein sportlicher und aktiver Mensch. Noch heute findet sich der gleiche Name auf der ewigen Bestenliste des TSV 1860 Stralsund im Bereich Leichtathletik. Es konnte zwar nicht nachgewiesen werden, dass es sich hierbei um ein und dieselbe Person handelt, doch neben dem Namen lassen sowohl der dort angegebene Geburtsjahrgang 1948 als auch die Jahre, in denen die Erfolge erzielt wurden, die Vermutung als plausibel erscheinen. Im Kurzstreckenlauf von 100 Metern, beim Weitsprung sowie beim Dreisprung hält er damit wahrscheinlich bis heute Rekorde, die er als A-Jugendlicher in den Jahren 1966 und 1967 erzielte. Auch bei der männlichen Erwachsenenklasse konnte er 1968 in ebendiesen Disziplinen Plätze belegen.

Seit dem Wintersemester 1967 war Manfred Schefuß an der Universität Rostock als Student für das Fach Physik immatrikuliert. Aus diesen Unterlagen kennen wir Geburtsdatum und -ort sowie den Berufsstand seines Vaters. Zudem ist hieraus zu erfahren, dass er sein Reifezeugnis an der Betriebsberufsschule Stralsund (BBS) erworben hatte. Hier war es möglich, zusätzlich zu einer Berufsausbildung an der Volkswerft Stralsund das Abitur zu machen. Neben dem Studium verdiente Manfred Schefuß sich etwas dazu, indem er am Hafen in Rostock arbeitete.

Aus einer am 15. Mai 1969 erstellten Kerblochkarte der Staatssicherheit lässt sich das scheinbare Fluchtmotiv von Manfred Schefuß entnehmen: Anfang Mai 1969 erfuhr er, dass seine damalige Freundin von ihm ein Kind erwartete. Diese Neuigkeit soll ihn bedrückt haben, da er sich durch die bevorstehende Vaterschaft und Familienverantwortung in seiner eigenen Entwicklung gehemmt sah. Er löste die Beziehung auf.

Wann und wo sich Manfred Schefuß und Friedrich Karl Bruhn kennenlernten, ist unbekannt. Beide wuchsen in Stralsund in unterschiedlichen Gegenden auf: Friedrich sehr idyllisch am Knieperwall bei der Brunnenaue in der eher locker und villenartig bebauten Kniepervorstadt, Manfred in der Grünstraße in der doch wesentlich enger bebauten Frankenvorstadt, wo sich mit den Werften die Stralsunder Industrie befand. Zwischen ihnen lag die Altstadtinsel. Manfred und Friedrich verband neben der Freundschaft der Wille, die DDR zu verlassen. Sie sollen sich Neoprenanzüge selber gefertigt und eine motorisierte Schwimmhilfe ähnlich eines Aquascooters gebaut haben. Das Fluchtvorhaben sollte wohl bei Dranske, im nordwestlichen Teil der Insel Rügen, umgesetzt werden. Von hier ließ sich die bei guter Wetterlage die sichtbare dänische Halbinsel Møn erreichen. Am 9. Mai hob Manfred 500 Mark von seinem Konto ab. Einen Tag später, ein Samstag, verschwanden die beiden jungen Männer.

Aus der oben genannten Kerblochkarte ist weiterhin zu entnehmen, dass die beiden am 10. Mai 1969 gegen 15:00 Uhr die Wohnung Bruhns verlassen haben und seither nicht zurückgekehrt waren. Die Staatssicherheit vermutete anfangs, dass sich die beiden mittels des Hafenausweises von Schefuß, der neben dem Studium dort arbeitete, Zutritt zum Seehafen Rostock verschafft und sich dort auf einem ausländischen Schiff versteckt hätten. Aus diesem Grund wurde gegen beide ein Ermittlungsverfahren gemäß § 213 StGB („Ungesetzlicher Grenzübertritt“) eingeleitet und Haftbefehl erlassen. Laut eines Eintrags vom 3. April 1970 auf der Kartei blieb ein weiteres Lebenszeichen der beiden bis zu diesem Zeitpunkt aus. Die Eltern hatten Suchmaßnahmen über das Rote Kreuz eingeleitet, welche jedoch ergebnislos verliefen. Ein einige Jahre später vorgenommener Eintrag vom 30. März 1971 erwähnt die Aussage eines Inoffiziellen Mitarbeiters. Dieser kannte Bruhn durch den gemeinsamen Schulbesuch und gab an, dass ein anderer Bekannter ihm gegenüber äußerte, dass er den beiden geholfen hatte, zu fliehen, aber noch keine Nachricht darüber hatte, ob die beiden gut angekommen waren. Um wen es sich dabei handelte, ist nicht belegt.

Bis heute bleiben Manfred Schefuß und Friedrich Karl Bruhn verschollen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie in der Ostsee ertranken und das Meer sie bei sich behalten hat.

Am 15. Juli 1969 wurde Manfred Schefuß aus der Liste der Studierenden der Universität Rostock gestrichen. Als Grund wurde „Verlassen der DDR“ angeführt.


Biografie von Manfred Schefuß, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/512-manfred-schefuss/, Letzter Zugriff: 23.04.2024