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Biografisches Handbuch

Günter Müller

geboren am 10. Mai 1949 in Wolfen | vermutlich im August 1970 ertrunken (seit dem 7. August 1970 verschollen) | Ort des Vorfalls: Ostsee (Raum Kühlungsborn)
Der aus Wolfen stammende Günter Müller, der in Rostock lebte und als Koch arbeitete, versuchte im August 1970 vom Zeltplatz in Kühlungsborn aus über die Ostsee nach Fehmarn zu schwimmen. Der 21-Jährige gilt seitdem als vermisst. Seine Leiche wurde nie gefunden.

Günter Müller wurde 1949 in der für ihre Filmfabrik bekannten Stadt Wolfen im Landkreis Bitterfeld geboren. Aus Müllers Jugend ist bekannt, dass er gerne tanzte, die Beatles liebte und ein guter Schwimmer war. Zusammen mit seinen Freunden trainierte er im Schwimmverein von Wolfen, die Sommerferien wurden nahezu rund um die Uhr im Schwimmbad verbracht. Auch an Wettkämpfen nahm Müller teil und fuhr beispielsweise 1964 zu den DDR-Jugendmeisterschaft. 1961 musste er lange Zeit im Krankenhaus liegen: Nach einem Unfall war ein Bein leicht verkürzt und er musste sich einigen Operationen unterziehen. Sein Jugendfreund berichtete 2014 in einem Interview, dass seine Eltern es daher mit Günter nicht mehr rechtzeitig vor dem Mauerbau in den Westen geschafft hätten. Seine älteren Brüder konnten noch vor dem 13. August 1961 aus der DDR fliehen und lebten fortan in Australien und Südamerika. Günter äußerte häufiger gegenüber seinem Freund, dass er seinen Brüdern „in die Freiheit“ folgen wollte. Auch seine Tante lebte im Westen, in der Bundesrepublik Deutschland.

Sein Verlangen, die DDR zu verlassen, bestand nun schon einige Jahre lang und in einer Augustnacht des Jahres 1970 muss die Sehnsucht ihn so gepackt haben, dass er sich ohne jegliche Schwimmmittel und trotz seines Handicaps durch die Beinoperationen, die ihn daran hinderten, längere Strecken zu schwimmen, ins Wasser begab.

Anfang August 1970 zelteten seine Wolfener Freunde auf dem Zeltplatz in Kühlungsborn und Günter Müller besuchte sie dort. Er konnte im Vorzelt seines Freundes und dessen Partnerin übernachten. Dieser wusste um Günters andauernde Fluchtgedanken und auch auf dem Zeltplatz in Kühlungsborn hatte sich Günter wieder direkt dazu geäußert, indem er nachts fragte, wie weit es wohl nach Fehmarn sei, als sie ein blinkendes Licht am Horizont betrachteten.

Am Abend des 6. August aßen sie alle zusammen in einer Gaststätte: Günter verspeiste die doppelte Portion im Vergleich zu den anderen, was jedoch zum damaligen Zeitpunkt niemanden sonderlich irritierte. Am nächsten Morgen war die Luftmatratze, auf der Günter im Vorzelt geschlafen hatte, leer. Seine Jeans lag noch dort sowie eine leere Nivea-Dose, die der Partnerin seines Freundes gehörte. Am Strand fanden die Freunde dann nur noch seine Badelatschen und ahnten, dass Günter sich in der Nacht auf den Weg über die Ostsee gemacht hatte.

Seit dem 7. August 1970 war Günter Müller spurlos verschwunden. Die Gruppe meldete ihn bei der Volkspolizei als vermisst, machte aber keine Angaben zu einem möglichen Fluchthintergrund, um nicht für Beihilfe zur Flucht belangt werden zu können. Wie die Kriminalpolizei Bad Doberan ermittelte, gab es keine Anzeichen auf ein Verbrechen, dem Müller zum Opfer gefallen war. Die Freundesgruppe wurde davon freigesprochen, etwas mit dem Verschwinden von Müller zu tun gehabt zu haben.

Auch den Behörden wurde durch ihre Untersuchungen klar, dass Müller schon häufiger versucht hatte, in den Westteil Deutschlands zu gelangen. Bei seinen Sachen in Rostock wurde ein selbst angefertigter Taucheranzug gefunden, der aus einer Luftmatratze zugeschnitten war. Die Polizei vermutete daher, dass Müller von Kühlungsborn aus einen erneuten Versuch unternommen habe, um die DDR über den Seeweg ungesetzlich zu verlassen und dabei verunglückt sei. Eine Leiche wurde bis zum 28. Juli 1971 weder geborgen noch angespült und somit die Kriminalakte zu diesem Zeitpunkt geschlossen und archiviert. Auch nach 1971 konnten keine weiteren Erkenntnisse zum Verbleib von Günther Müller gewonnen werden. Es spricht vieles dafür, dass er bei seinem Fluchtversuch vom Strand in Kühlungsborn aus im August 1970 ertrank.


Biografie von Günter Müller, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/500-guenter-mueller/, Letzter Zugriff: 28.03.2024