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Biografisches Handbuch

Konrad Dieze

geboren am 20. Juni 1954 in Blumenau (Erzgebirge), Kreis Marienberg | getötet am 24. August 1988 auf der Flucht über die ungarische Grenze nach Österreich | am Grenzübergang Köszeg
Bei dem Versuch mit seinem Fahrzeug am Grenzübergang Köszeg nach Österreich durchzubrechen, kam Konrad Dieze an einer Sperrschranke ums Leben. Seine Lebensgefährtin und deren achtjähriger Sohn überlebten den Aufprall mit leichten Verletzungen.

Konrad Dieze kam am 20. Juni 1954 in Blumenau als Sohn von Wolfgang und Ingeborg Dieze (geb. Matthes) zur Welt. Er erlernte den Beruf eines Kochs und arbeitete zunächst in der DDR-Seefahrt. Seit 1980 betrieb er mit seiner Lebensgefährtin Martina P. in Bad Lauchstädt den Gasthof „Zur Weintraube“. Konrad Dieze gehörte keiner Partei oder Massenorganisation an.

Am 8. August 1988 fuhren Konrad Dieze, Martina P. und deren achtjähriger Sohn Rene mit ihrem Lada 2107 im visafreien Reiseverkehr über den Grenzübergang (GÜSt) Zinnwald aus der DDR in die ČSSR ein und zwei Tage später über die GÜSt Rajka nach Ungarn weiter. Die als Urlaubsaufenthalt ausgegebene Reise wollte das Paar nutzen, um von Ungarn nach Österreich zu flüchten. Deswegen begaben sie sich am 16. August 1988 in die Gegend von Köszeg und beobachteten von einem Hügel aus das Reisegeschehen am dortigen Grenzübergang. Am 23. August 1988 schließlich fuhren sie über Zalaegerszeg und Szombathely direkt zum Grenzübergang Köszeg. Um die Vorkontrolle ungehindert passieren zu können, hatte Konrad Dieze ein österreichisches Nummernschild und das österreichische Nationalitätenkennzeichen auf Pappe nachgeahmt und an seinem Fahrzeug angebracht. Hinter der Ortschaft Szombathely legte sich Martina P. flach auf den Rücksitz des Lada und ihren Sohn vor sich auf den Boden hinter den Vordersitzen des Fahrzeugs. Konrad Dieze durchfuhr um 00.18 Uhr mit dem Wagen die Vorkontrolle und versuchte dann mit ca. 120 km/h den heruntergelassenen Eingangsschlagbaum des Grenzübergangs zu durchbrechen.

Am 24. August 1988 ging bei dem Mitarbeiter in der Hauptabteilung Konsularwesen des DDR-Außenministeriums (MfAA) Hansjochen Vogl ein Telegramm aus der Botschaft in Budapest ein, wonach der DDR-Bürger „Konrad Thiele“ mit seinem PKW einen „Grenzdurchbruch bei Köszeg“ versucht habe. „Fuhr mit PKW gegen Schranke, sofort tot gewesen.“ Im Wagen befanden sich außerdem die 28jährige Martina P. mit ihrem Sohn Rene. Beide seien mit leichten Verletzungen in das Krankenhaus Szombathely eingeliefert worden. Ihre Rückführung in die DDR sollte am 26. August 1988 durch die Untersuchungsabteilung des MfS erfolgen. Der Namen des Todesopfers war in dem Telegramm falsch angegeben. Tatsächlich handelte es sich um den 34-jährigen Konrad Dieze.

Bei ihrer Vernehmung durch die ungarische Staatssicherheit sagte Martina P. aus, sie habe seit ungefähr acht Jahren mit Konrad Dieze zusammengelebt. „Gemeinsam haben wir eine Gaststätte erworben, die damals auch unser gemeinsamer Arbeitsplatz war, doch wir wollten ein besseres Leben und uns eine bessere Existenz aufbauen als es uns die DDR bis dato ermöglich hatte. Deshalb haben wir uns längere Zeit, ungefähr ein Jahr lang intensiv mit dem Gedanken auseinandergesetzt die DDR für immer zu verlassen. Nachdem wir Anfang Juli einen Lada in tadellosem Neuzustand erworben hatten, beschlossen wir, nach Ungarn zu reisen um von dort, natürlich illegal, in die Bunderepublik zu gelangen.“

Westdeutsche und österreichische Medien berichteten am 25. August 1988, drei DDR-Bürger – ein Mann, eine 28 Jahre alte Frau und ein achtjähriges Kind – hätten am 23. August 1988 versucht, die geschlossenen Schranken des ungarischen Grenzübergangs Köszeg (Güns) zum österreichischen Grenzort Rattersdorf, einem Ortsteil von Mannersdorf an der Rabnitz im Burgenland zu durchbrechen. Der Fahrer missachtete die Stopprufe und Haltsignale der ungarischen Grenzwächter, raste in die geschlossenen Grenzschranken und starb sofort am Unfallort. Die Beifahrerin und das Kind überlebten verletzt und wurden von der Feuerwehr aus dem Unfallfahrzeug gerettet.

Poster zum Video
Video 1
BildunterschriftPressemeldungen am 25. August 1988
BildquelleBayHStA, Sammlung Presseberichte Grenzpolizei
Abb. 1:

Sektorenleiter Heynert aus der Hauptabteilung Konsularwesen des MfAA telegrafierte am 26. August 1988 an den Leiter der Abteilung Innere Angelegenheiten im Rat des Kreises Merseburg, der DDR-Bürger Konrad Dieze aus Bad Lauchstädt, Schottereyer Str. 28, sei „bei Herbeiführung eines Verkehrsunfalles im Bereich des Grenzübergangs Köszeg, UVR, tödlich” verunglückt. Heynert bat um die Verständigung der Angehörigen und Entscheidung, ob der Leichnam überführt oder eingeäschert werden solle sowie um die Bestätigung der Kostenübernahme durch die Angehörigen. In seiner Rückantwort teilte der Rat des Kreises Merseburg mit, dass Konrad Dieze keine Angehörigen in Bad Lauchstädt habe. Seine Eltern würden in Stendal wohnen. Am 30. August 1988 telegrafierte der Leiter der Abteilung Inneres beim Rat des Kreises Stendal dem MfAA, Wolfgang und Ingeborg Dieze seien um 11.00 Uhr vom Todesfall verständigt worden. Sie seien zur Kostenübernahme bereit und wünschten die Einäscherung der Leiche in Ungarn. Nach der Urnenüberführung wurde Konrad Dieze auf dem Stendaler Friedhof an der Uenglinger Straße beigesetzt.


Biografie von Konrad Dieze, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/440-konrad-dieze/, Letzter Zugriff: 28.03.2024