Eiserner Vorhang. Tödliche Fluchten und Rechtsbeugung
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Biografisches Handbuch
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Günter Anderson

geboren am 25. Mai 1922 in Kolberg (heute: Kołobrzeg, Polen) | gestorben an den Folgen einer Schussverletzung am 13. März 1952 | Ort des Vorfalls: bei Gefell (Thüringen)

Quelle: Universitätsarchiv Jena

Als Günter Anderson und zwei seiner Kommilitonen der Friedrich-Schiller-Universität Jena von Grenzposten gestellt wurden, eröffnete er mit seinem Revolver das Feuer. Bei dem sich anschließenden Schusswechsel brach er getroffen zusammen. Er erlag seiner Verletzung einen Tag später im Krankenhaus.

Günter Anderson kam am 25. Mai 1922 in Kolberg (heute: Kołobrzeg, Polen) auf die Welt. Nach dem Besuch der Volksschule erlernte er den Beruf eines Kaufmanns. Im Mai 1939, als 17-Jähriger, zog ihn die Wehrmacht nach einer kurzen Arbeitsdienstzeit ein. Als die deutschen Streitkräfte 1945 kapitulierten, waren seine Eltern bereits verstorben und sein einziger Bruder als Soldat gefallen. Er selbst geriet in amerikanische Kriegsgefangenschaft und zog nach seiner Rückkehr aus Frankreich im Mai 1948 nach Rostock. Dort arbeitete er zunächst als Transportarbeiter. Im Oktober 1948 ergriff er die Chance, an der Arbeiter- und Bauernfakultät Rostock sein Abitur nachzuholen. In diesem Jahr trat er auch in die SED ein. Wie es in einer Einschätzung der Partei heißt, arbeitete er im Parteiaktiv der Arbeiter- und Bauernfakultät mit, jedoch ohne besonders hervorzutreten, „da er durch seine fachliche Arbeit zu sehr beansprucht war“. Nach vier Semestern Vorstudium bewarb er sich im Oktober 1950 mit seinem Reifezeugnis an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Als Berufsziel strebte er eine Tätigkeit als Verwaltungsjurist oder Rechtsanwalt an. In Jena lernte er die Dolmetscherin und Lehrerin Luzie B. kennen, welche er am 31. März 1951 heiratete. Zu seinem Bekanntenkreis gehörten auch die Brüder Alfred und Eberhard M., die ebenfalls in Jena studierten und der Parteigruppe der SED an der Universität angehörten.

Am 12. März 1952 gegen 15.50 Uhr bemerkte eine Grenzpolizeistreife aus Gefell drei Männer im Grenzgebiet. Es handelte sich um Günter Anderson sowie Alfred und Eberhard M. Die Grenzpolizisten versuchten gemeinsam mit einer sowjetischen Streife, die als Grenzverletzer bezeichneten Männer zu stellen. Doch Günter Anderson eröffnete mit seinem amerikanischen Revolver das Feuer. Er warnte die Posten, indem er zweimal in den Boden schoss. „Daraufhin“, so heißt es in der Tagesmeldung der Grenzpolizei, „ergriffen die Grenzverletzer die Flucht.“ Als es den Posten gelungen war, die Fliehenden bis auf fünf Meter einzuholen, habe sich Günter Anderson umgedreht und drei Schüsse auf den Sergeanten der sowjetischen Streife abgegeben, ohne ihn zu treffen. Die Verfolger erwiderten daraufhin das Feuer. Bei diesem Schusswechsel brach Anderson zusammen, ein gezielter Schuss hatte ihn in den Unterleib getroffen. Er stürzte zu Boden und versuchte, sich selbst zu erschießen, was jedoch verhindert werden konnte. Nachdem die Grenzposten auch Alfred und Eberhard M. festgenommen hatten, brachte man Günter Anderson in das Stadtkrankenhaus Schleiz. Volkspolizisten bewachten sein Krankenlager.

Was Günter Anderson und die Gebrüder M. veranlasste, sich Waffen zu beschaffen, und weshalb sie versuchten, über die thüringisch-bayerische Grenze in den Westen zu gelangen, bleibt ungewiss. Ihre Motive sind den Überlieferungen der Grenzpolizei und des Staatssicherheitsdienstes nicht zu entnehmen.

Günter Anderson erlag seinen Verletzungen am Morgen des 13. März 1952 im Krankenhaus Schleiz. Alfred und Eberhard M. erhielten zunächst sechsmonatige Zuchthausstrafen wegen illegalen Waffenbesitzes. Ein Revisionsgericht erhöhte die Strafe auf ein Jahr und acht Monate.

Dokumente Günter Anderson


Selbst verfasster Lebenslauf von Anderson
Quelle: Universitätsarchiv Jena, Studentenakte

Fragebogen der Friedrich Schiller-Universität ausgefüllt von Anderson
Quelle: Universitätsarchiv Jena, Studentenakte



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Selbst verfasster Lebenslauf von Anderson

Quelle: Universitätsarchiv Jena, Studentenakte

Fragebogen der Friedrich Schiller-Universität ausgefüllt von Anderson

Quelle: Universitätsarchiv Jena, Studentenakte
Autor:
jk
Recherche:
jk, jos., US
Quellen:
  • Kommando der DGP, Abt. Organisation und Nachweisführung: Nachweisbuch über besondere Vorkommnisse 1952. BArch Freiburg, DVH 27/134521.
  • HV Deutsche Volkspolizei/Hpt.-Abtlg. Grenzpolizei: Meldung besonderer Vorkommnisse Nr. 62/52 für die Zeit vom 12.3.1952 06.00 Uhr bis 13.3.1952 06.00 Uhr. Berlin, 13.3.1952. BArch Freiburg, DVH 27/130329.
  • HV Deutsche Volkspolizei/Hpt.-Abtlg. Grenzpolizei: Meldung besonderer Vorkommnisse Nr. 63/52 für die Zeit vom 13.3.1952 06.00 Uhr bis 14.3.1952 06.00 Uhr. Berlin, 14.3.1952. BArch Freiburg, DVH 27/130329.
  • Friedrich-Schiller-Universität Jena: Studentenakte Anderson, Günter. Universitätsarchiv Jena, STA Nr. 19340.
  • Strafnachrichten zu Alfred Mundt. BStU, ZA, SK 22 und JAK. MfS BV Gera. BStU, Ast. Gera, AG 156/56.
  • Mitteilungen des Standesamtes Jena vom 23.03.2016.
Druckversion
Abkürzungsverzeichnis
Name
Anderson, Günter
Geschlecht
männlich
Geburtsdatum
25. Mai 1922
Geburtsort
Kolberg (heute: Kołobrzeg, Polen)
Letzter Wohnort
Jena
Staat des Vorfalls
DDR
Region des Vorfalls
Thüringen
Ort des Vorfalls
bei Gefell
Todesursache
Schusswaffen
Datum des Vorfalls
12. März 1952
Ergänzendes Datum
13. März 1952
Todesalter
29
Teilprojekt
innerdeutsche Grenze
Fallgruppe
Todesfälle bei Kontrollen
Personengruppe
Zivilisten / DDR
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