Eiserner Vorhang. Tödliche Fluchten und Rechtsbeugung
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Biografisches Handbuch
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Herbert Dessel

geboren am 10. Dezember 1940 in Rostock | vermutlich in der Nacht vom 4. zum 5. September 1966 ertrunken (Leichenfund am 13. September 1966 in Dierhagen) | Ort des Vorfalls: Ostsee (zwischen Warnemünde und Dierhagen)

Der Rostocker Herbert Dessel versuchte zusammen mit einem Bekannten Anfang September 1966 von Warnemünde aus, schwimmend ein norwegisches Schiff außerhalb der Dreimeilenzone zu erreichen. Einige Tage später fand man die Leiche des 25-Jährigen am Strand von Neuhaus in Dierhagen.

Herbert Gerd Rudolf Dessel wurde am 10. Dezember 1940 in Rostock geboren. Seine Mutter stammte aus einem kleinen Dorf in Hinterpommern. Dessel lebte in Rostock und heiratete hier im Juni 1961; aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Über seinen beruflichen Werdegang ist nichts bekannt, lediglich, dass er bei einer Firma beschäftigt war.

Zur Flucht von Herbert Dessel liegen detailliertere Erkenntnisse vor, da er sie nicht allein begangen hat: Seit Freitagabend, dem 2. September 1966, galt Dessel als vermisst. Die polizeilichen Ermittlungen brachten zutage, dass er in der Nacht vom 4. zum 5. September zusammen mit einem Bekannten von Warnemünde aus die DDR durch das Anschwimmen eines Schiffes verlassen wollte. Der Bekannte – ein 17-Jähriger aus Rostock, der am 6. September volljährig werden sollte – sagte bei einer Befragung acht Jahre später in Hamburg aus, dass beide mit einem Pkw der Firma, in der Dessel beschäftigt war, bis zur Warnemünder Mole fuhren. In einem Lokal lernten sie zwei Seeleute eines norwegischen Schiffes kennen, das im Überseehafen vor Anker lag. Diese waren bereit, sie als blinde Passagiere aufzunehmen, wenn die Flüchtlinge es aus eigener Kraft schafften, außerhalb der Dreimeilenzone, also der Territorialgewässer der DDR, zu gelangen.

Der Bekannte schilderte die Flucht folgendermaßen: Beide gingen nur mit Badehose bekleidet im Hafen ins Wasser und schwammen ca. 45 Minuten Richtung offene See. Zur Sicherheit hatten sie einen Rettungsring vom Leuchtturm abgerissen, den sie abwechselnd vor sich herschoben und an dem sie ab und zu eine kurze Verschnaufpause einlegten. Dann sackte Dessel, der die ganze Zeit zwei Meter neben ihm schwamm, plötzlich und ohne erkennbaren Grund ab. Bis dahin sei nicht zu merken gewesen, dass seine Kräfte nachließen. Der Bekannte habe noch versucht, nach ihm zu tauchen, ihn aber nicht mehr gesehen.

Dessels Mitflüchtling habe daraufhin die Flucht aufgegeben und sei nach Warnemünde zurückgekehrt. Er ließ sich von einem Taxi nach Hause zu seinen Eltern fahren und berichtete am nächsten Tag einem Schulfreund von der Nacht. Dieser zeigte den Fluchtversuch bei der Polizei an, woraufhin er verhaftet und verurteilt wurde.

Am 13. September 1966 wurde am Strand von Neuhaus in Dierhagen nahe der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst eine unbekannte männliche Wasserleiche aufgefunden – 800 Meter westlich des FDGB-Heimes „Lebensfreude“. Dessels Bekannter sollte die Leiche identifizieren, konnte es aber aufgrund der längeren Liegezeit im Wasser von fast zehn Tagen nicht mit letzter Sicherheit tun. Der Stiefvater von Herbert erkannte seinen Sohn hingegen anhand einer Narbe am Knie und konnte somit bestätigen, dass er bei der Flucht ums Leben gekommen war.

Autorin:
JeLi
Recherche:
JeLi, HeHo, JaGe, MePe
Quellen:
  • Unterlagen der ZESt: Az. AR-ZE 169/74. BArch, B 285/830.
  • Institut für Gerichtliche Medizin der Universität Rostock: Sektionsbericht Nr. 233/66.
  • Standesamt Rostock: Geburtsurkunde Nr. 3288/1940.
  • Standesamt Ribnitz-Damgarten: Sterbeurkunde Nr. 252/1966. Stadtarchiv Ribnitz-Damgarten.
  • Müller, Christine/Müller, Bodo: Über die Ostsee in die Freiheit. Dramatische Fluchtgeschichten, Bielefeld 1996, S. 61.
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Abkürzungsverzeichnis
Name
Dessel, Herbert
Geschlecht
männlich
Geburtsdatum
10. Dezember 1940
Geburtsort
Rostock
Letzter Wohnort
Rostock
Ort des Vorfalls
Ostsee
Leichenfundort
Dierhagen
Todesursache
vermutlich Ertrinken
Datum des Vorfalls
vermutlich in der Nacht vom 4. zum 5. September 1966
Ergänzendes Datum
13. September 1966
Anmerkung
Leichenfund am 13. September 1966
Todesalter
25
Teilprojekt
Ostsee
Fallgruppe
Todesfälle bei Fluchtversuchen
Personengruppe
Zivilisten / DDR
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