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Biografisches Handbuch

Günter Lange

geboren am 22. April 1944 in Stralsund | ertrunken vermutlich am 2. November 1973 | Ort des Vorfalls: die Donau südlich der rumänischen Stadt Orşava und der serbischen Kleinstadt Tekija
BildunterschriftGünter Lange
BildquelleStudentenakte Universität Greifsawald (UAG, Stud-Akt.-III 9512)
Quelle: Studentenakte Universität Greifsawald (UAG, Stud-Akt.-III 9512)
Günter Lange versuchte, von Rumänien über die Donau nach Jugoslawien zu flüchten, um von dort in die Bundesrepublik Deutschland zu gelangen. Seine erste Donauüberquerung endete am 12. Oktober 1973 am serbischen Flussufer. Dort nahmen ihn jugoslawische Grenzwachen fest und lieferten ihn an die rumänischen Sicherheitsorgane aus, die ihn in einem Bukarester Hotel unter Hausarrest stellten. Es gelang Günter Lange, aus seiner Unterkunft zu entkommen und einen erneuten Fluchtversuch durch die Donau nach Jugoslawien zu wagen. Dabei verlor er sein Leben.

Laut Geburtenbuch des Standesamtes der Hansestadt Stralsund kam Günter Otto Hermann Lange am 22. April 1944 in der Wohnung seiner Eltern im Kurt-Neubauer-Weg 18 zur Welt. Seine Mutter, Else Lange (geb. Bent, Jg. 1913), und sein Vater, Otto Lange (Jg. 1910), stammten gleichfalls aus Stralsund. Beide Eheleute waren evangelisch, hatten 1933 geheiratet und keinen erlernten Beruf. Otto Lange war zunächst Seemann, dann Hafenarbeiter und später Telegrafenarbeiter. Von 1942 bis 1945 diente er als Soldat im Zweiten Weltkrieg. Danach arbeitete Otto Lange einige Jahre als selbständiger Fuhrmann und seit 1951 als Schiffskoch. Gleichzeitig holte er bis 1960 die Grundschule und ab 1961 die Oberschule nach. Seine Frau Else arbeitete vor der Heirat ohne Berufsabschluss als Verkäuferin, dann als Hausangestellte. Nach der Geburt ihres ersten Sohnes, Wolfgang, blieb sie im eigenen Haushalt. Während des Kriegsdienstes ihres Mannes, arbeitete sie als Reinemacherin, bis sie ihren zweiten Sohn, Günter, bekam. Das Ehepaar Lange hatte insgesamt drei Kinder: Wolfgang, Günter und dessen jüngeren Bruder Werner. Die Eheleute Lange lebten mit ihren Kindern in Stralsund – von 1944 bis 1946 im Hasenweg 6, dann kurzfristig am Lüssower Berg 15 und ab 1946 im Lerchenweg 4.

Über das Privatleben von Günter Lange ist wenig bekannt. Er besuchte seit dem 1. September 1950 die lokale Grundschule. Seit 1953 gehörte er der Pionierorganisation „Ernst Thälmann“ an und war dort von 1956 bis 1958 Mitglied des Gruppenrats. Er schloss die Grundschule im Sommer 1958 mit der Note „gut“ ab und wechselte am 1. September an die Hansa-Oberschule. Vor Jahresende trat er der Freien Deutschen Jugend (FDJ) und Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF) bei sowie Anfang 1959 dem Deutsche Turn- und Sportbund (DTSB). Die Schüler der elften und zwölften Klassen wählten Günter Lange 1960 und 1961 zum Mitglied im Zentralsekretariat der Gruppenleitung (ZSGL) der FDJ. Als die FDJ-Führung nach dem Mauerbau vom 13. August 1961 in ihrer Kampagne „Das Vaterland ruft! Schützt die sozialistische Republik!“ für die Selbstverpflichtung zum Dienst in der Nationalen Volksarmee (NVA) aufrief, wurden insbesondere Abiturienten unter Druck gesetzt, solche Erklärungen „freiwillig“ zu unterschreiben. Dementsprechend verpflichtete sich Günter Lange, „nach dem Abitur meinen Ehrendienst in der Nationalen Volksarmee zu versehen.“ Die FDJ-Kampagne endete am 24. Januar 1962 mit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht durch Beschluß der Volkskammer. „Durch das Wehrpflichtgesetz wurde meine Bewerbung aber hinfällig“, schrieb Günter Lange in seinem Lebenslauf.

Obwohl er sein Abitur zum 1. Juli 1962 mit der Note „befriedigend“ bestand, bescheinigte ihm die Prüfungskommission: „Günter ist als Arbeiterkind politisch sehr interessiert und trat im politischen Meinungsstreit sehr positiv in Erscheinung. Auch als Mitglied der ZL [= Zentralleitung der FDJ] beeinflusste er das Kollektiv im fortschrittlichen Sinne.“

Günter Lange erlernte wie sein älterer Bruder, der Schlosser war, einen Handwerksberuf. Am 1. September 1962 begann er seine Ausbildung zum Facharbeiter für Tiefbohrungen in der Betriebsberufsschule (BBS) des Volkseigenen Betriebs (VEB) Zentrales Reparatur- und Ausrüstungswerk (ZRAW) der Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB) Erdöl-Erdgas Gommern. Das Werk befand sich in der Magdeburger Chaussee in Gommern (Kreis Burg) im Bezirk Magdeburg. Dort wohnte er seit dem 5. September 1962 in einem Lehrlingswohnheim (LWH 1) des Betriebes. Wie auch bei späteren Wohnungswechseln behielt er seinen Hauptwohnsitz in der Kreisstadt Stralsund.

Während der Ausbildung in Gommern trat Günter Lange der Industriegewerkschaft Bergbau im Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) bei. Sein Berufsziel war, Geologe zu werden. Der Lehrmeister des VEB ZRAW Gommern bescheinigte ihm am 25. Januar 1963, fleißig, gewissenhaft und qualitativ gut gearbeitet zu haben. Die berufstheoretische Leistung wäre jedoch unausgereift, weil Lange in seiner Freizeit sehr viele private Interessen auslebte: Er sang in einem Chor, gehörte einem Theaterring an, trieb Judosport und in der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) Fallschirmspringen. Weiter heißt es in der Beurteilung, er sei körperlich gut entwickelt, herausragend sportlich und meinungsstark, besäße ein offenes Wesen und ließe sich „gern belehren“, wenn er falsch urteile. „Da der Vater als Schiffskoch viel unterwegs ist und seine Mutter als Verkäuferin im Konsum arbeitet, ist er mit seinen beiden Brüdern selbständig aufgewachsen.“ Die politische Beurteilung lautete: „Als stellvertretender FDJ-Gruppensekretär erfüllt er seine Aufgabe. (…) Im Kollektiv bewährt sich Günter als guter Kamerad.“

Am 29. Januar 1963 stufte der Amtsarzt im Landambulatorium Gommern den 173 cm großen und 69 kg schweren Günter Lange als „[u]ntertagetauglich“ ein. Der Mediziner hatte „[k]eine Bedenken gegen [ein] Studium an der Bergbau-Akademie Freiberg“. Das Volkspolizeikreisamt Burg stellte Günter Lange ein tadelloses Führungszeugnis aus. Aus einer für die Studienbewerbung geforderten Selbstauskunft ging freilich hervor, dass sein älterer Bruder Wolfgang inzwischen im westdeutschen Hannover lebte. Sein Vater Otto war jedoch offenbar gut beleumundet und mit der bronzenen „Medaille für treue Dienste“ ausgezeichnet worden. Mit dieser Selbstauskunft und den vorherigen Gutachten bewarb sich Günter Lange am 13. Februar 1963 im Staatssekretariat für das Hoch- und Fachschulwesen der DDR um ein Studium zum Diplomgeologen an der Universität Rostock.

Die Zulassung erfolgte jedoch nicht am gewünschten Studienort, sondern an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Der Kaderleiter des VEB ZRAW Gommern delegierte Günter Lange offiziell am 1. April 1963 „zum Direktstudium in der Fachrichtung Geologie für das Jahr 1964/ 65“ und bat die Universität Greifswald „um Berücksichtigung der Bewerbung“. Die zuständige Zulassungskommission war am 27. Mai 1963 mit der Eignungsprüfung des Kandidaten sehr zufrieden und empfahl ihn als „besonders geeignet“. Er hätte eine gute, klare und logische Denkleistung bewiesen. Sein Interesse an der Geologie wäre durch den ehemaligen Klassenlehrer geweckt und durch Sammlungen von Gesteinen und Fossilien sowie durch die Tiefbohrer-Lehre in Gommern noch gesteigert worden.

Kurzum: Günter Lange konnte seine handwerkliche Ausbildung beenden, ab dem 10. Juni 1963 ein Wohnheim in Reinkenhagen (Kreis Grimmen) im Bezirk Rostock beziehen und sich am 30. August 1963 an der Universität Greifswald immatrikulieren. Bald darauf bezog er mit Kommilitonen das Zimmer 101 in einem Studentenheim in der Saarlandstraße 19/21. Die Universität beantragte am 9. Dezember 1963 „seine Zurückstellung vom Grundwehrdienst bis Beendigung seines Studiums im Jahre 1968“. In dieser Zeit blieb Günter Lange Mitglied der FDJ und des DTSB, gehörte aber der „Gesellschaft für Deutsch Sowjetische Freundschaft“ spätestens ab 1964 nicht mehr an. Außerdem teilte er der Universitätsverwaltung am 1. Oktober 1965 bei der Rückmeldung für das kommende Semester mit, dass sein älterer Bruder Wolfgang aus der Bundesrepublik in die DDR und nach Stralsund zurückgekehrt war.

Günter Lange absolvierte seine zweite Zwischenprüfung von Juli bis November 1965 und seine dritte Zwischenprüfung von Juni 1966 bis März 1967. Die damaligen Protokolle dokumentierten seine zwiespältigen Interessen, Fähigkeiten und Studienergebnisse: Einerseits wurden seine Geologie-Kenntnisse und ein Berufspraktikum mit „sehr gut“ oder zumindest „gut“ bewertet, andererseits erreichte er am 4. Juli 1966 bei der Prüfung im Fach Politische Ökonomie zum Thema des staatsmonopolistischen Kapitalismus nur die Note „ausreichend“.

Am 16. November 1967 beantragte Günter Lange, nach zehn Studiensemestern das „Staatsexamen (Diplomprüfung) der Fachrichtung Geologie im Sommer 1968“ ablegen zu dürfen. Die Prüfungskommission billigte sein Examensgesuch. Sein Bruder Wolfgang starb kurz danach im Alter von 32 Jahren am 12. Februar 1968. Die Diplomarbeit von Günter Lange, „Makrofauna und Stratigraphie einiger Callovien-Geschiebe von NE-Mecklenburg unter besonderer Berücksichtigung der Ammoniten“, erhielt die Note „sehr gut“. Das Diplomzeugnis vom 15. Juli 1968 weist allerdings für das Prüfungsfach Marxismus-Leninismus nur die Note „genügend“ aus sowie die Gesamtnote „befriedigend“.

Günter Lange arbeitete nach seinem Studium im VEB Untergrundspeicher Stendal und wohnte Am Mühlenberg 1 in der Kreisstadt Stendal. Der VEB Untergrundspeicher Stendal war ein Betriebsteil des selbständigen VEB Erdöl-Erdgas Mittenwalde. Der Untergrundspeicher Stendal diente der Aufbewahrung von Gas, Öl und petrochemischen Produkten der Region Altmark. Ab dem 1. Januar 1970 wurde der VEB Untergrundspeicher Stendal aus dem VEB Erdöl-Erdgas Mittenwalde ausgegliedert und Generalauftragnehmer für die Erforschung, Erkundung und Einrichtung von Untergrundspeichern. Der VEB Untergrundspeicher Stendal unterstand nun der VVB Erdöl-Erdgas Gommern (Kreis Burg) im Bezirk Magdeburg. Zu dieser Vereinigung Volkseigener Betriebe gehörte auch der VEB ZRAW Gommern, die ehemalige Ausbildungsstelle von Günter Lange.

Das Jahr 1973 brachte im Leben von Günter Lange wichtige Veränderungen: Sein Vater Otto starb am 6. April und der VEB Untergrundspeicher Stendal wurde zum 1. Juli liquidiert. Dessen Aufgaben übernahm der VEB Erdöl-Erdgas Mittenwalde. Er wurde als VEB Untergrundspeicher Mittenwalde Hauptauftragnehmer für Untergrundspeicher. Damit änderte sich auch der Arbeitsort des inzwischen 29-jährigen Günter Lange. Er löste seine Nebenwohnung in Stendal auf und nahm seinen Nebenwohnsitz in Mittenwaldes Berliner Chaussee.

Warum sich Günter Lange zur Flucht aus der DDR entschloss, ist nicht bekannt. Auf einer Meldekarte wurde vermerkt, dass Günter Lange aus privatem Anlass in das sozialistische Ausland gereist war. Er erreichte im Herbst 1973 den Kreis Mehedinţi in der Region Oltenia (Kleine Walachei) der Sozialistischen Republik Rumänien. Am 12. Oktober 1973 überquerte Günter Lange vermutlich bei der Stadt Drobeta Turnu Severin auf ungeklärte Weise die Donau. Er gelangte so nach Jugoslawien und wurde auf serbischem Territorium mutmaßlich nahe der Gemeinde Kladovo im Bezirk Bor von dortigen Sicherheitskräften festgenommen.

Die rumänische Journalistin Marina Constantinoiu schrieb im Jahr 2005, Günter Lange sei durch die Donau geschwommen und am Ufer bei der jugoslawischen Kleinstadt Tekija, ungefähr 24 km nordöstlich von Kladovo festgenommen worden. Bei seiner Vernehmung durch einen jugoslawischen Staatsanwalt und einen Untersuchungsrichter habe er darum gebeten, nicht zurück nach Rumänien gebracht zu werden, weil er auf dem Weg zu seiner kranken Mutter in West-Berlin sei. Da Else Lange in Stralsund lebte, war das offenbar eine Schutzbehauptung.

Jedenfalls lieferte die jugoslawische Grenzpolizei den Gefangenen am 13. Oktober 1973 bei Drobeta Turnu Severin dem rumänischen Grenzschutz aus. Für den 17. Oktober vereinbarte das rumänische Innenministerium mit der DDR-Botschaft in Bukarest Langes Übergabe. Er kam nicht in Abschiebehaft, sondern wurde unter Hausarrest in einem Bukarester Hotel untergebracht. Es gelang ihm jedoch, aus dem Hotel zu verschwinden und sich erneut auf den Weg zur jugoslawischen Grenze zu machen. Rumänische Sicherungskräfte fahndeten vergeblich nach dem DDR-Flüchtling und vermuteten bald, er sei erfolgreich über die Grenze entkommen.

Wo er sich rund zwei Wochen lang versteckt hielt und wie er erneut zur Donaugrenze gelangte, ist nicht bekannt. Sicher ist jedoch, dass er wohl am 2. November 1973 etwa 30 km nordöstlich von Drobeta Turnu Severin trotz der Herbstkälte versuchte, im Gebiet der Katarakten durch die Donau zu schwimmen. Dabei ertrank er zwischen der rumänischen Stadt Orşava und der jugoslawischen Kleinstadt Tekija. Seine Leiche wurde bei Tekija an das Flussufer gespült und dort am 3. November 1973 geborgen. Da der Tote in seinem Taucheranzug Papiere bei sich trug, stand seine Identität rasch fest. Die jugoslawischen Behörden übermittelten die Personalien der rumänischen Seite schon am nächsten Tag.

Bereits am 5. November 1973 wurden die sterblichen Überreste Günter Langes in einem Zinksarg nach Rumänien überführt. Als sein Sterbeort wird in den amtlichen Unterlagen Kladovo angegeben, wo vermutlich die Sargübergabe stattfand. Ob der Eintrag Nr. 4/ 1973 aus dem Standesamt Bukarest oder aus der DDR-Botschaft in Rumänien mitgeteilt wurde, ist unklar. Die beurkundete Todesursache lautet: „in der Donau ertrunken aufgefunden“.

August Klobes, der die Hauptabteilung Konsularische Beziehungen im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) der DDR leitete, benachrichtigte den Leiter der Abteilung für Innere Angelegenheiten beim Rat der Stadt Stralsund, Klemt, über den Tod Günther Langes und teilte mit: „Der Tote befand sich längere Zeit im Wasser, die Leiche wurde geborgen und identifiziert. Aufgrund des Zustandes der Leiche wurde sofortige Einäscherung angeordnet.“ Klobes bat Klemt, dies der Mutter mitzuteilen und von ihr die Kostenübernahme zu erwirken.

So erfuhr Else Lange am 6. November 1973, dass ihr Sohn Günter ertrunken und sein Leichnam bereits eingeäschert sei. Eine Auskunft über die Umstände und den Todeszeitpunkt bekam die Mutter nicht. Um wenigstens die Asche des Sohnes zu erhalten, bestätigte Else Lange noch am selben Tag die ihr abgenötigten Kostenregelungen per Telegramm an die Referentin der Konsularischen Hauptabteilung des MfAA, Ursula Gott. Da Else Lange zu ihrem jüngsten Sohn Werner nach Neubrandenburg umziehen wollte, beantragte sie die dortige Beisetzung Günter Langes.

Um mehr über den Tod von Günter Lange zu erfahren, erbat die Botschaft der DDR in Bukarest einen Termin bei der Passdirektion des rumänischen Innenministeriums. Die Zusammenkunft fand am 14. November 1973 statt. Dabei informierten Major Stoian und Oberst Cernat, der Direktor der Passabteilung, den DDR-Konsul Klaus Richter über ihren Kenntnisstand. Richter notierte die Inhalte des Gespräches fünf Tage später.

Die Konsularabteilung der DDR-Botschaft in Bukarest beglich zunächst die mit dem Todesfall von Günter Lange zusammenhängenden Kosten in Höhe von 3731 rumänischen Lei. Konsul Klaus Richter teilte das am 11. Dezember 1973 dem Leiter der Hauptabteilung Konsularwesen des DDR-Außenministeriums, August Klobes, mit und ebenso, „dass die Urne mit gleicher Post als unbegleitete Sendung an Genossin Gott zur weiteren Veranlassung übersandt wird“. Hauptreferentin Ursula Gott ließ die Urne zusammen mit einer Sterbeurkunde am 4. Januar 1974 dem Städtische Bestattungswesen in Berlin übergeben und verfügte die Beisetzung entgegen dem Wunsch von Else Lange auf dem Zentralfriedhof in Stralsund.

Die davon in Unkenntnis gehaltene Mutter Günter Langes hatte den Stadtrat zwar gebeten, alle Sachverhalte zum Umgekommenen aufzuklären. Allerdings leugnete die Abteilung für Innere Angelegenheiten von Stralsund jedwedes Wissen und riet der Hinterbliebenen, sich an das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR zu wenden. Deswegen beschwerte sich Else Lange am 15. Januar 1974 beim Außenministerium, es seien zweieinhalb Monate vergangen, ohne dass sie eine Nachricht bezüglich der Todesumstände ihres Sohnes oder auch nur über den Aufenthaltsort der Urne erhalten hätte. „Die sofortige Einäscherung klingt mir nicht glaubhaft, oder sollte Rumänien allein das Recht zur Einäscherung haben? Ich glaube kaum. Ich betrachte dieses Benehmen als unmenschlich und unerhört, daß man mir als Mutter nicht die Gelegenheit gegeben hat, meinen Sohn zu sehen und zu identifizieren.“ Überdies könne es doch keine zweieinhalb Monat dauern, die Urne „ins Freundesland zu schicken“. Deshalb beantragte Else Lange, die schnellstmögliche Übergabe der Urne.

Ursula Gott antwortete der Mutter: „Entsprechend den örtlichen Bedingungen der Sozialistischen Republik Rumänien, Gesundheits- und Hygienebestimmungen, mußte – da der Leichnam längere Zeit im Wasser gelegen hat – eine sofortige Einäscherung der sterblichen Überreste Ihres Sohnes vorgenommen werden.“ Darüber hinaus sei die Urne beim Berliner Bestattungswesen zwischengelagert und der Ort der Beisetzung mit dem Rat der Stadt Stralsund geregelt. Else Langes Wunsch auf Beisetzung ihres toten Sohnes in Neubrandenburg wurde übergangen. Stattdessen erfolgte die Urnenbeisetzung im Familiengrab auf dem Zentralfriedhof in Stralsund. In dieser Grabstelle lagen bereits sein älterer Bruder Wolfgang und sein Vater Otto Lange. Das Familiengrab ist heute nicht mehr vorhanden, da es im September 1997 von der Friedhofsverwaltung eingeebnet worden ist.

Die der Mutter lange vorenthaltene Sterbeurkunde war zunächst vom Zweiten Sekretär der DDR-Botschaft in Bukarest, Konsul Klaus Richter, unterzeichnet worden. Sie trug jedoch ein falsches Geburtsdatum. Deshalb sandte die Abteilung für Innere Angelegenheiten beim Rat der Stadt Stralsund den Totenschein am 22. Januar 1974 zurück. Die erste Abteilung der rumänischen Generalstaatsanwaltschaft übergab am 5. April 1974 an den Beauftragten der DDR-Botschaft in Bukarest, Gheorghe Dtaceac, die Hinterlassenschaft von Günter Lange. Es handelte sich dabei um einen Taucherapparat, Taucherschuhe, eine Schutzbrille, ein Unterwasserrohr, eine Regenpellerine, einen Leinenanzug, Schuhe, ein Fernglas, einen Kanister mit unbestimmter Flüssigkeit, einen Zahnbecher, Shampoo, und eine Seifendose. Nach langwierigem bürokratischen Hin und Her forderte der Abteilungsleiter für Inneres beim Rat der Stadt Stralsund, Hoddow, am 14. April 1974, die DDR-Botschaft in Bukarest möge nun endlich eine korrekte Todesurkunde ausstellen und nach Stralsund schicken. Frau Lange spreche laufend beim Rat der Stadt vor und verlange die Urkunden. Konsul Klaus Richter konnte dem angeblich nicht entsprechen, da die Personenstandsbücher der Botschaft schon an das Standesamt I in Berlin übergeben worden waren, das zuständigkeitshalber Todesfälle von DDR-Bürgern im Ausland beurkundet hat. Doch erst am 18. Juni 1974 wurde Günter Langes Sterbeurkunde auf Anweisung von MfAA-Hauptreferentin Gott nach Stralsund übermittelt


Biografie von Günter Lange, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/405-guenter-lange/, Letzter Zugriff: 19.04.2024