1963 wurde Gerhard Kiefer in Dömitz eingeschult. Mit dem Abschluss der 8. Klasse begann er eine Lehre als Maurer im VEB Landbaukombinat Ludwigslust. Nach dem ersten Lehrjahr wechselte er in den VEB BAMA Baustoffmaschinen Ludwigslust über, wo er zum Schlosser ausgebildet wurde. Nach seinen eigenen Angaben wurde er 1973 wegen Rowdytums zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt, die er im Jugendhaus Dessau verbüßte. Wahrscheinlich vorzeitig entlassen, heiratete er im November 1975 in Ludwigslust. Mit seiner Ehefrau bekam er einen Sohn. Während dieser Zeit beging er gemeinschaftlich mit anderen Tätern in Berlin schwerwiegende Straftaten und wurde am 6. September 1976 verhaftet. Das Stadtbezirksgericht Berlin-Mitte verurteilte ihn wegen versuchter Erpressung, mehrfachen gemeinschaftlichen Raubes im schweren Fall, mehrfachen Diebstahls, Hehlerei und gemeinschaftlichen Widerstandes gegen staatliche Maßnahmen in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung am 7. September 1977 zu einer achtjährigen Freiheitsstrafe mit anschließendem dreijährigen Aufenthaltsverbot in Berlin. Während der Haftzeit in der Strafvollzugsanstalt Brandenburg-Görden ließ sich seine Ehefrau von ihm scheiden.
Nach der Haftentlassung am 5. September 1984 wurde Gerhard Kiefer in Ludwigslust eine Wohnung und ein Arbeitsplatz als Schlosser im dortigen VEB Meliorationsbau zugewiesen. Einschätzungen des Betriebsleiters und des Arbeitskollektivs aus dem Jahr 1986 bescheinigten Kiefer zunächst gewissenhaftes und zufriedenstellendes Arbeiten, er galt als guter „Kumpel“. Doch nach dem Tod seiner Eltern im August 1985 hätten Fehlschichten zugenommen. Kritisiert wurde Kiefers Beziehung zu anderen Vorbestraften und sein verstärkter Alkoholkonsum.
Im April 1985 lernte er seine spätere zweite Ehefrau kennen, gemeinsam bezogen sie ein Zimmer in Ludwigslust. Im Juni 1986 wurde ihnen ein Sohn geboren. Am 16. September 1986 bestahl der inzwischen 30-Jährige seine Nachbarn, ein Rentnerehepaar, um 400,- Mark. Da er bereits vorbestraft war, wertete das Kreisgericht Ludwigslust seine Tat als Verbrechen und verurteilte ihn am 12. November 1986 zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe, die er in einer Berliner Strafvollzugseinrichtung verbüßte. Diese informierte den Staatsanwalt des Kreises Ludwigslust nach den ersten drei Monaten Haft über Kiefers gute Führung. Er habe im Rahmen der staatsbürgerlichen Erziehungsmaßnahmen keine politisch negative Haltung gezeigt, vielmehr andere Strafgefangene bei ihren Aufgaben unterstützt. Aufgrund eines Amnestiebeschlusses des Staatsrates der DDR wurde er am 15. Oktober 1987 aus der Haft entlassen.
Das Amt für Arbeit Ludwigslust wies Gerhard Kiefer nun eine Stelle als Schlosser beim örtlichen ZBE Meliorationen zu. Am 11. Dezember 1987 heiratete er seine Verlobte, gemeinsam bezogen sie eine Wohnung in der Letzten Straße in Ludwigslust und bekamen im Juli 1988 ein zweites Kind, eine Tochter. In den folgenden Monaten verstärkte sich Kiefers Alkoholkrankheit soweit, daß er „jeden Tag zwei bis drei große Flaschen“ Schnaps trank und nicht mehr in der Lage war, seiner Arbeit nachzugehen, wie er im Mai 1989 der Volkspolizei gegenüber aussagte. Wegen seiner Fehlzeiten im Betrieb erhielt er nur noch eingeschränkte Lohnzahlungen. Da auch seine Frau am Alkoholkonsum stark beteiligt war, ordnete das Referat Jugendhilfe beim Rat des Kreises Ludwigslust im Februar 1989 die Unterbringung der Kinder in einem Heim an. Am 31. Januar und am 3. Mai 1989 wurde Gerhard Kiefer erneut straffällig, da er insgesamt 1205,- Mark stahl, um sich Alkohol zu kaufen. Beim Diebstahl am 3. Mai war ebenfalls seine Ehefrau beteiligt. Gegen ihn ermittelten nun die Staatsanwaltschaften in Schwerin und Ludwigslust, in deren Zuständigkeitsbereichen die Straftaten begangen wurden. Am Abend des 7. Mai 1989 nahm ihn die Volkspolizei in Ludwigslust fest und inhaftierte ihn in der Untersuchungshaftanstalt Perleberg. Zwei Tage später musste Kiefer lebensgefährlich erkrankt ins örtliche Krankenhaus eingeliefert werden. Nach seiner Genesung kam er in die Strafvollzugsanstalt Bützow, wurde aber am 5. Juni 1989 in eine Tuberkuloseklinik verlegt. Da er vorläufig nicht mehr haftfähig war, hob das Kreisgericht Ludwigslust den Haftbefehl Kiefers auf. Bis zum 17. August 1989 blieb der 33-Jährige im Krankenhaus Waldeck, dann sollte seine Weiterbehandlung ambulant erfolgen. Am 19. April hatte die Staatsanwaltschaft Schwerin und am 29. Mai die Staatsanwaltschaft Ludwigslust gegen Kiefer Anklage wegen Diebstahls erhoben. Er musste damit rechnen, dass seine letzten Straftaten ähnlich streng geahndet würden, wie sein Diebstahlsdelikt aus dem Jahr 1986.
Gerd Kiefer holte am 12. Oktober 1989 zusammen mit einem unbekannten Mann den 23jährigen Landwirt Dietmar Pommer von der elterlichen Wohnung in Ludwigslust ab, um sich auf den Weg zur bundesdeutschen Botschaft in Warschau zu machen. Kiefer und Pommer wurden nach Informationen des DDR-Staatssicherheitsdienstes zuletzt am 18. Oktober 1989 in Begleitung von Eleonore P. aus Schwerin in Fürstenberg und zusammen mit Uwe Petras aus Heinrichswalde in Eisenhüttenstadt gesehen. Uwe Petras war am 16. Okober in Frankfurt an der Oder bei dem Versuch nach Polen zu gelangen festgenommen und zurückgewiesen worden. Offenbar schloss er sich dann im Grenzgebiet der Fluchtgruppe an. In der Nähe von Eisenhüttenstadt versuchten sie am Abend des 18. Oktober 1989, die Oder zu durchschwimmen, um in die bundesdeutsche Botschaft in Warschau zu gelangen. Von dort waren am 1. Oktober 1989 insgesamt 809 DDR-Flüchtlinge entsprechend einer dreiseitigen Vereinbarung zwischen der DDR, der neuen polnischen Regierung und der Bundesregierung mit einem Zug nach Helmstedt gebracht worden. Deshalb verstärkten die DDR-Grenztruppen gemeinsam mit der Volkspolizei die Grenzüberwachung zu Polen. Allein im Berichtszeitraum vom 13. bis zum 14. Oktober 1989 (von vier Uhr morgens bis zur gleichen Zeit am Folgetag) nahmen ostdeutsche und polnische Grenzschutzorgane 70 Personen wegen eines versuchten oder bereits gelungenen Grenzdurchbruchs fest. Gerhard Kiefer, Dietmar Pommer und Uwe Petras erreichten das polnische Ufer nicht, Eleonore P. wurde gegen 22.00 Uhr von polnischen Sicherheitskräften festgenommen und am nächsten Tag in die DDR zurückgeführt. In ihrer Vernehmung gab sie an, dass sie am 18. Oktober mit dem Zug aus Schwerin in Eisenhüttenstadt eingetroffen war und sich bis zum Abend in Gaststätten aufgehalten hatte. Dann sei sie mit drei weiteren Männern in die Oder gestiegen. Sie „fühlt sich in der DDR im Stich gelassen, ihr wird nicht geholfen“, heißt es in der Tagesmeldung der Volkspolizei. Am 29. Oktober 1989 bargen polnische Grenzsoldaten die Leiche von Uwe Petras und am 30. Oktober die Leiche von Dietmar Pommer aus der Oder bei Rybojedzko (Gemeinde Gmina Cybinka), 4 km von Eisenhüttenstadt entfernt.
Das Kreisgericht Schwerin schickte am 20. Oktober 1989 die Vorladung zur für den 2. November angesetzten Hauptverhandlung wegen Diebstahls an Gerhard Kiefer. Sie erreichte ihren Empfänger nicht mehr. Da der Angeklagte nicht erschien und laut einem Aktenvermerk des Kreisgerichts vermutet wurde, „daß er über die Botschaft der BRD in Warschau in die BRD gelangt“, also unbekannten Aufenthalts war, wurde das Verfahren gegen ihn eingestellt. Die Staatsanwaltschaft Schwerin fahndete bis 1992 erfolglos nach Gerhard Kiefer, er blieb vermisst. Auch Suchanfragen beim DRK, beim Auswärtigen Amt und dem Rentenversicherungsträger sowie Befragungen einer Schwester von Gerhard Kiefer und von Eleonore P., die zwischen 2003 und 2011 unternommen wurden, erbrachten keinen Hinweis auf einen möglichen Aufenthaltsort. Am 30. Juni 2009 beantragte die Tochter Kiefers seine Todeserklärung. Dem gab das Amtsgericht Ludwigslust am 8. Juli 2011 statt und legte als Zeitpunkt des Todes nach dem Verschollenheitsgesetz den 31. Dezember 1994 fest.