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Biografisches Handbuch

Heinz-Uwe Mauersberger

geboren am 28. Oktober 1944 in Auerbach | gestorben an Unterkühlung nach dem 16. Oktober 1961 | Ort des Zwischenfalls: im Gebiet Großer Winterberg, nahe der Ortschaft Schmilka ca. 200 m auf tschechoslowakischem Territorium
BildunterschriftHeinz-Uwe Mauersberger
BildquellePrivat, Bernd Mauersberger
Quelle: Privat, Bernd Mauersberger
Am 21. April 1962 um 15:45 Uhr fanden tschechoslowakische Grenzsoldaten im Gebiet Großer Winterberg zwischen Kilometerstein 9 und 10, etwa 200 Meter südlich des Grenzsteines 10, die sterblichen Überreste des zum Todeszeitpunkt 16jährigen Heinz-Uwe Mauersberger.

Heinz-Uwe Mauersberger wurde am 28. Oktober 1944 in Auerbach geboren. Nachdem 1956 zunächst sein Vater Werner Mauersberger und die Schwester in die Bundesrepublik geflohen waren, folgten wenige Monate später auch seine Mutter Hanni Mauersberger mit dem 11jährigen Heinz-Uwe und seinem jüngeren Bruder Bernd.

Die Familie lebte fortan in Hagen (Westfalen), wo der gelernte Autoschlosser Werner Mauersberger eine berufliche Tätigkeit als Lkw-Fahrer aufnahm. Es gibt nur wenige Angaben über Heinz-Uwe Mauersbergers Jugendzeit. Er hat in Auerbach die Grundschule besucht (1951 – 1956).

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Nach der Flucht in die Bundesrepublik absolvierte er die Volksschule (1959) und begann anschließend eine Berufsausbildung als Kfz-Elektriker. Dafür waren vermutlich auch ungeordnete Familienverhältnisse verantwortlich. Sein jüngerer Bruder Bernd Mauersberger erinnert sich: „Unsere Eltern waren lediglich Erzeuger die sich um ihre Kinder kaum gekümmert haben. Es gab zwar was zu essen, aber nicht ein Fünkchen von elterlicher Liebe.“

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Sein Bruder sei „mehrmals von zu Hause abgehauen“ und durch die Polizei aufgegriffen worden. Daher habe ihm eine sogenannte „Fürsorgeeinweisung“ gedroht. Nachdem der Jugendliche ein Moped aus der Lehrwerkstatt entwendet hatte, ordnete das Amtsgericht Hagen am 28. Juni 1961 die vorläufige Heimerziehung für ihn an.

Um die Einweisung seines Sohnes in eine Fürsorgeanstalt zu vermeiden, entschied Werner Mauersberger seinen Sohn  zu den Großeltern in die DDR zu schicken. Mit dem Auto brachte er ihn über Kassel und Bad Soden zur innerdeutschen Grenze (Grenzübergangsstelle Wartha-Herleshausen). Er gab ihm ein Schriftstück mit, auf dem es hieß, dass er seinem Sohn erlaube, in der DDR Arbeit zu suchen und seinen Wohnsitz dort „für immer“ zu nehmen. Nach Überquerung der „Staatsgrenze West“ wurde der Jugendliche am 1. Juli 1961 gegen 9:30 Uhr von DDR-Grenzpolizisten festgenommen. Er hatte einen Koffer mit Wäsche und den Betrag von 4 Mark und 10 Pfennig bei sich. Anschließend verbrachte er vierzehn Tage im Aufnahmeheim Eisenach, bevor er zu seinen Großeltern nach Auerbach (Erzgebirge) reisen durfte. Von der Kreisverwaltung Stollberg erhielt er am 14. Juli 1961 einen vorläufigen Personalausweis (PM 12). Dieser Behelfsausweis war mit der Auflage verbunden, dass er seinen Wohnort über einen festgelegten Radius hinaus nicht verlassen durfte und sich regelmäßig bei der Volkspolizei melden musste.

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Über das Leben von Heinz-Uwe Mauersberger in Auerbach ist nur wenig bekannt. Sein jüngerer Bruder Bernd Mauersberger meint bei den Großeltern sei es mit Erziehungsmethoden aus der Kaiserzeit noch liebloser zugegangen als zuhause. Es sei „nur die logische Konsequenz, dass er von dort fliehen wollte“. Hans-Uwe Mauersberger fand einen Ausbildungsplatz in der MZ-Vertragswerkstatt Erich Mäder im knapp sieben Kilometer entfernten Thalheim (Erzgebirge). An den Wochenenden verbrachte er seine Freizeit zumeist mit seinem in Auerbach lebenden langjährigen Schulfreund Rolf G. Die Freunde unternahmen gemeinsame Spaziergänge, schauten Fernsehen und verabredeten sich zu gelegentlichen Kinobesuchen. Bekannte beschreiben Heinz-Uwe Mauersberger als einen schweigsamen, zurückhaltenden Einzelgänger, der keine Gaststätten besuchte und sich bei Gesprächen zurückhielt.

Ob der Jugendliche über sein neues Leben in der DDR glücklich war, lässt sich nicht belegen. Am 14. Juni 1961 kam Heinz-Uwe Mauersberger mit einem grünen Motorrad (Typ MZ ES 250) nach Auerbach zu seinen Großeltern. Ihnen sagte er, die Maschine sei ihm von seinem Chef ausgeliehen worden. Später stellte sich allerdings heraus, dass er sie unerlaubt mitgenommen hatte. Am Sonntag, dem 15. Juni 1961, verlor er bei einer Ausfahrt mit seinem Freund Rolf G. in der Nähe der Ortschaft Thum (Erzgebirge) die Kontrolle über das Motorrad. Bei dem leichten Unfall zog er sich Schürfwunden an der rechten Hand zu. Da auch seine Hose zerrissen war und die Großeltern nichts von dem Unfall bemerken sollten, fuhren die beiden Freunde zunächst zu Rolf G., der Mauersberger seinen Trainingsanzug auslieh. Am Montagmorgen, dem 16. Oktober 1961, verließ Heinz-Uwe Mauersberger das Haus seiner Großeltern in Auerbach. Wie sie glaubten, um mit dem Motorrad zu seiner Arbeitsstelle in Thalheim zu fahren. Wie immer nahm er ein Pausenbrot in einer rechteckigen Brotbüchse mit. Nach diesem 16. Oktober 1961 wurde er lebend nicht mehr wiedergesehen. Seine Großeltern erklärten später, sie hätten vermutet, dass er nach West-Berlin gewollt habe, um sich der Fremdenlegion anzuschließen. Eine Rückkehr zu seinem Vater nach Westdeutschland hielten sie wegen der gerichtlich angeordneten Einweisung in ein Fürsorgeheim für unwahrscheinlich. Auch Rolf G., sein bester Freund, gab gegenüber der Volkspolizei an, nichts von Unzufriedenheit oder einer Fluchtabsicht bemerkt zu haben. Hans Karl W., ein ebenfalls in der MZ-Vertragswerkstatt Mäder beschäftigter Lehrling sagte bei seiner Befragung durch die Volkspolizei, Hans-Uwe Mauersberger habe ihm gegenüber einmal geäußert, „daß er nach der CSSR oder Sowjetunion ‘abhauen’ wolle”, wenn es ihm „hier nicht mehr gefällt”.

Nach seinem Verschwinden fand die Volkspolizei in Mauersbergers Zimmer einen angefangenen Brief, der das Datum des 3. August 1961 trug. An seinen „lieben Vati“ in Westdeutschland gerichtet schrieb er, dass es ihm „sehr gut“ gefalle und dass er sein Arbeitszeug benötige. Der Versuch, mit einer früheren Mitschülerin in Annaberg eine Freundschaft aufzubauen, war fehlgeschlagen. Wie sie in ihrer späteren Aussage gegenüber der Volkspolizei sagte, hatte sie kein Interesse an ihm.

Die sterblichen Überreste von Heinz-Uwe Mauersberger wurden rund 140 Kilometer westlich von Auerbach etwa zweihundert Meter hinter der Grenze nahe der Ortschaft Schmilka auf dem Territorium der ČSSR aufgefunden. Neben dem unvollständigen Skelett und einigen Kleidungsstücken fanden die ČSSR-Grenzer im Umkreis von einhundert Metern die leere Brotbüchse, drei leere Weinflaschen, den „PM 12“, Mauersbergers Versichertenausweis, sein Arbeitsbuch und seine westdeutsche Lohnsteuerkarte. Eine tschechoslowakische Mordkommission konnte zwar Tierfraß am Skelett feststellen, jedoch keine Zeichen äußerer Gewalteinwirkung. Man vermutete, er habe sich im Zustand hochgradiger Erschöpfung niedergelegt und sei anschließend an Unterkühlung gestorben, da in den Tagen vom 16. bis zum 26. Oktober 1961 am Fundort der Leiche in Bodenhöhe Temperaturen zwischen – 3,1 Grad Celsius bis + 6,5 Grad Celsius herrschten. Das entwendete Motorrad fand die Volkspolizei bereits am 16. Oktober 1961 in einem Dresdner Schrebergartengelände. Wie Heinz-Uwe Mauersberger von Dresden zur rund 50 km entfernten Grenze bei Bad Schandau gelangte, ist nicht bekannt.

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Biografie von Heinz-Uwe Mauersberger, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/294-heinz-uwe-mauersberger/, Letzter Zugriff: 29.03.2024