Eiserner Vorhang. Tödliche Fluchten und Rechtsbeugung
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Biografisches Handbuch
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Richard Schlenz

geboren am 20. Januar 1939 in Leipzig | gestorben am 27. August 1967 im Grenzgebiet der ČSSR zu Österreich | Ort des Zwischenfalls: Der Grenzfluss Morava (March), ein Nebenfluss der Donau – im Gebiet Devín, in einem nordwestlichen Vorort von Bratislava.

Quelle: Familie / Stefan Appelius

Am 27. August 1967 um 14.23 Uhr wurde Richard Schlenz erschossen, nachdem er den Signalzaun überwunden hatte und nach etwa vierhundert Meter Fußmarsch den Grenzfluss zu durchschwimmen versuchte. Dabei eröffneten tschechoslowakische Grenzer gezielt das Feuer auf ihn.

Richard Schlenz erlernte nach dem Besuch der Volksschule den Beruf eines Stahlgußformers. Aus gesundheitlichen Gründen konnte er diese Tätigkeit jedoch schon bald nicht mehr ausüben. Nach einer Tätigkeit im Straßen-, Gleis- und Tiefbau war er seit Februar 1966 als Kraftfahrer bei der Stadtreinigung Leipzig beschäftigt.

Richard Schlenz war mit einer schwer herzkranken Frau kinderlos verheiratet und führte ein sehr zurückgezogenes Leben. Er galt in seinem Wohngebiet als zurückhaltender, freundlicher Nachbar, der sich nicht an politischen Aktivitäten beteiligte. Seine Frau war in den Fluchtversuch eingeweiht. Das Ziel der Flucht bestand nämlich darin, dass Schlenz eine unbedingt benötigte künstliche Herzklappe für seine Frau im Westen beschaffen wollte. Er reiste am Samstag, dem 26. August 1967, mit drei Arbeitskollegen im Auto am Grenzkontrollpunkt Hřensko in der Nähe von Děčín (Nordböhmen) in die CSSR. Einer dieser Arbeitskollegen hatte sich bereits zwei Jahre zuvor über den Grenzverlauf an der ungarisch-österreichischen Grenze informiert. Vermutlich war er es, der den Fluchtversuch in der Nähe von Bratislava empfahl.

Postkarte mit der Todesmitteilung an die Arbeitskollegen von Richard Schlenz bei der VEB Stadtreinigung Leipzig
Postkarte mit der Todesmitteilung an die Arbeitskollegen von Richard Schlenz bei der VEB Stadtreinigung Leipzig
Quelle: BStU

Richard Schlenz und seine Begleiter fuhren mit ihrem Pkw unmittelbar an die tschechoslowakisch-österreichischen Grenzsicherungsanlagen heran. Sie kletterten auf das Dach des Fahrzeugs, überwanden den Signalzaun und sprangen nach der Durchquerung des Grenzstreifens in die Morava. Dort eröffneten tschechoslowakische Grenzer, die von einem Beobachtungsturm unterhalb der Burg Devín auf die Stelle, an der sie ins Wasser gegangen waren, zugerannt kamen, gezielt das Feuer auf sie. Während seine drei Begleiter das österreichische Ufer erreichten, wurde Schlenz im Fluss erschossen.

Aufnahmen nach der gescheiterten Flucht von Richard Schlenz


Das Fluchtfahrzeug

Das Fluchtfahrzeug
Der Kreis mit der 4 markiert die Stelle, an der er von den Schüssen getroffen wurde. Die weitere blaue Linie den Fluchtweg der drei Überlebenden.
Das Bild zeigt den Fluchtverlauf von Richard Schlenz an der Mündung der Mur in die Donau.
Der Kreis mit der 4 markiert die Stelle, an der er von den Schüssen getroffen wurde. Die weitere blaue Linie den Fluchtweg der drei Überlebenden.

Die Karte zeigt die Fluchtroute (blau) von Schlenz.

Personen am österreichischen Ufer nach dem Zwischenfall



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Das Fluchtfahrzeug

Das Fluchtfahrzeug

Das Bild zeigt den Fluchtverlauf von Richard Schlenz an der Mündung der Mur in die Donau.

Der Kreis mit der 4 markiert die Stelle, an der er von den Schüssen getroffen wurde. Die weitere blaue Linie den Fluchtweg der drei Überlebenden.

Die Karte zeigt die Fluchtroute (blau) von Schlenz.

Personen am österreichischen Ufer nach dem Zwischenfall

Der Grenzzwischenfall erregte große internationale Aufmerksamkeit. Das Westfernsehen berichtete vom Ort der Ereignisse. Der frühere österreichische Innenminister Hans Czettel (SPÖ) erklärte laut SFB („Hier spricht Berlin“): „Für die mörderische Menschenjagd, die tschechische Soldaten (…) auf österreichischem Gebiet begangen haben, gibt es keinerlei Rechtfertigung. (…) Wir müssen daher leidenschaftlich die Forderung erheben, nicht nur mit der mörderischen Schießerei an der Grenze Schluß zu machen, sondern auch endlich daran zu gehen, den verhängnisvollen Stacheldraht an der österreichischen Grenze abzubauen.“ Die österreichische Sozialministerin Grete Rehor kündigte an, den Fall vor die Vereinten Nationen bringen zu wollen.

Die Ehefrau von Richard Schlenz ist wenig später ebenfalls verstorben.


Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.08.1967
Quelle: BStU

Pressemeldung zum Fluchtversuch von Richard Schlenz und seinen Kameraden
Quelle: BStU



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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.08.1967

Quelle: FAZ

Pressemeldung zum Fluchtversuch von Richard Schlenz und seinen Kameraden

Quelle: BStU
Autor:
App.
Recherche:
App., jk, MP, US , SM
Quellen:
  • Pulec, Martin: Organizace a cinnost ozbrojených pohranicních složek. Seznamy osob usmrcených na státní hranici. Praha 2006, S. 205.
  • Vodicka, Karel: Die Prager Botschaftsflüchtlinge 1989. Geschichte und Dokumente, Göttingen 2014, S. 298.
  • Kaltblütiger Flüchtlingsmord. Tschechische Grenzwächter erschießen Leipziger auf österreichischem Gebiet. In: Telegraf, 29.8.1967.
  • Zácek, Pavel; Faulenbach, Bernd; Mählert, Ulrich (Hrsg.): Die Tschechoslowakei 1945/48 bis 1989. Studien zu kommunistischer Herrschaft und Repression, Leipzig 2008, S. 151.
  • MfS-Abschlussbericht über den Fall Schlenz und weitere Dokumente. BStU MfS AS 625/70 Bd. 10.
  • MfS-Sammelakte enthält Hinweise über Familienangehörige von Richard Schlenz in Westdeutschland. BStU MfS AP 7954/84.
  • MfS-Sammelakte mit Presseartikel zum Fall Schlenz und Berichte des MfS über seinem Mitflüchtling. BStU MfS ZAIG 9934.
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Abkürzungsverzeichnis
Name
Schlenz, Richard
Geschlecht
männlich
Geburtsdatum
20. Januar 1939
Geburtsort
Leipzig
Letzter Wohnort
Leipzig
Staat des Vorfalls
Tschechoslowakei
Region des Vorfalls
Bratislavský kraj
Ort des Vorfalls
Grenzfluss Morava (March), ein Nebenfluss der Donau, im Gebiet Devín
Todesursache
Schusswaffen
Datum des Vorfalls
27. August 1967
Todesalter
28
Teilprojekt
verbündete Ostblockstaaten
Fallgruppe
Todesfälle bei Fluchtversuchen
Personengruppe
Zivilisten / DDR
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