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Biografisches Handbuch

Hans-Jürgen Kusnatzky

geboren am 11. März 1953 in Marl | gestorben nach Aufprall des Fahrzeugs auf eine Stahlsperre am 28. Oktober 1982 | Ort des Vorfalls: DDR-Grenzkontrollpunkt Marienborn (Sachsen-Anhalt)
BildunterschriftHans-Jürgen Kusnatzky
BildquelleBStU
Quelle: BStU
Kurz vor Mitternacht fuhr ein grüner Mercedes Benz aus Richtung Helmstedt in den Bereich der Vorkontrolle des DDR-Grenzübergangs Marienborn. Die Insassen, ein Ehepaar aus Marl, gaben an sich verfahren zu haben. Wenig später prallte das Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit gegen eine Grenzsperre.

Am 27. Oktober 1982 fuhr ein grüner Mercedes aus Marl kurz vor Mitternacht, um 23.58 Uhr, in den Bereich der Vorkontrolle des Grenzübergangs Marienborn. Die Insassen, das Ehepaar Kusnatzky, erklärten den DDR-Kontrolleuren, sie hätten sich offenbar auf dem Weg nach Hannover verfahren. Die Grenzsoldaten forderten sie auf, zum Abfertigungstrakt weiterzufahren. Dem leisteten sie jedoch keine Folge. Heinz-Jürgen Kusnatzky fuhr ein kurzes Stück weiter, wendete das Fahrzeug und versuchte, in Richtung Bundesrepublik den Grenzübergang wieder zu verlassen. Daraufhin wurde in der Grenzkontrolleinheit Alarm ausgelöst und die westliche Ausfahrt des Grenzübergangs durch eine stählerne Rollsperre blockiert. Der Mercedes prallte mit hoher Geschwindigkeit auf die Rollsperre. Beide Insassen wurden tödlich verletzt.

Die DDR-Nachrichtenagentur ADN meldete am 28. Oktober 1982, dass „der Bürger der BRD Heinz-Jürgen Kusnatzky mit dem PKW, amtliches Kennzeichen RE-ZU 630, in der Grenzübergangsstelle Marienborn infolge der Nichteinhaltung der Straßenverkehrsordnung, der Mißachtung der Einweisung durch die Kontrollkräfte und der Nichtbeachtung der Verkehrsleiteinrichtungen einen folgenschweren Verkehrsunfall“ verursacht habe.

Noch am Unfalltag erfolgte durch Unterleutnant Dietmar Büchner, der im „Dienstbereich Vorkontrolle Einreise“ mit Unteroffizier Ralf Wartchow eingesetzt war, eine „Darlegung zum Sachverhalt“. Wartchow befragte demnach die Reisenden im Mercedes nach ihrem Reiseziel, sie antworteten, „daß sie sich verfahren hätten, sie wollten nach Hannover“. Wartchow erklärte ihnen daraufhin, „sie mögen bitte weiter vorfahren und dort werden sie dann wieder zurück geschickt in Richtung BRD“. Kurz danach rief Büchner selbst im Trakt II an und teilte dort mit, dass der Wagen mit dem Kennzeichen RE-ZU 630 zurück möchte. Gegen 0.02 Uhr öffnete Wartchow in der Vorkontrolle die Schranke für ein einreisendes Fahrzeug. In diesem Moment habe er bemerkt, dass sich der grüne Mercedes mit einer Geschwindigkeit von 50 bis 70 km/h näherte. Trotz Handzeichen und Rufen sei das Fahrzeug an ihm vorbeigefahren, ohne zu halten. Daraufhin löste Unterleutnant Büchner Alarm aus. Unteroffizier Wartchow betätigte den Schalter der vorderen Schranke, doch da das Fahrzeug beschleunigte, konnte es darunter noch hindurchfahren. Büchner teilte das dem Diensthabenden Offizier in der Grenzübergangsstelle mit, auf dessen Befehl die stählerne Rollsperre ausgelöst wurde, die sich etwa 600 Meter von der Vorkontrolle entfernt befand.

Dem „Sachstandsbericht“ des für die Grenzüberwachung in Marienborn zuständigen MfS-Abteilungsleiters Oberstleutnant Masog vom gleichen Tag ist zu entnehmen, dass das Fahrzeug nach dem Aufprall auf die Sperre in Brand geraten war. Das Feuer wurde von den dort eingesetzten Kräften der Grenztruppen gelöscht. Der „Versuch des gewaltsamen Grenzdurchbruches“ sei verhindert worden, die beiden Passkontrolleure und die Kräfte der Grenztruppen „im Dienstbereich Straßenrollsperre“ hätten „entsprechend den Festlegungen in den Varianten der Handlungen und des Plans des operativen Zusammenwirkens schnell und exakt gehandelt“. Durch ein „gut koordiniertes praktisches Handeln der Kräfte des MfS sowie der Grenztruppen wurde eine zügige, reibungslose Bergung bei Einhaltung von Ordnung und Sicherheit gewährleistet“.

Die Berliner Morgenpost berichtete einen Tag später unter der Schlagzeile „Unglück in Marienborn aufgeklärt: SED-Mordfalle tötete Ehepaar“, das Ehepaar sei vor der Einreise der Autobahnpolizei und dem Grenzschutz in Helmstedt aufgefallen. „Bei der Paßkontrolle wurden die Beamten Augen- und Ohrenzeugen eines erregten Wortwechsels zwischen Heinz-Jürgen und Anita Kusnatzky, die eigentlich zur Kur nach Bad Rothenfelde hatte fahren wollen. Der Mann, Elektrofahrsteiger in Gelsenkirchen, bestand darauf, nach Berlin zu fahren, während die Frau umkehren wollte.“ Da der Mercedes am linken Kotflügel und am Rückspiegel Unfallspuren aufwies – er hatte kurz zuvor eine Baustellenbegrenzung gestreift – erfolgte bei Heinz-Jürgen Kusnatzky eine Blutprobe. Sie ergab keinen Alkoholwert.

Am 3. November 1982 meldete die Berliner Morgenpost: „Die Bundesregierung hat in Ost-Berlin im Zusammenhang mit dem schweren Unglücksfall in Marienborn gegen die Gefährlichkeit der Sperranlagen der ‚DDR‘ protestiert. Wie gestern bekannt wurde, ist der Leiter der Rechtsabteilung der Ständigen Vertretung, Ministerialrat Stab, bereits am vergangenen Freitag im ‚DDR‘-Außenministerium vorstellig geworden. Der Protest wurde jedoch zurückgewiesen.“ Der Fall werde nicht in der deutsch-deutschen Transitkommission behandelt, da nach Auffassung des Verkehrsministeriums keine Verletzung des Transitabkommens vorliege.

Siehe ergänzend zu diesem Fall die Biografie von Anita Kusnatzky.


Biografie von Hans-Jürgen Kusnatzky, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/224-heinz-juergen-kusnatzky/, Letzter Zugriff: 29.03.2024