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Biografisches Handbuch

Günter Lippmann

geboren am 14. Dezember 1930 in Plauen | angeschossen am 16. August 1950, gestorben am 20. August 1950 | Ort des Vorfalls: Grenzkommando Oebisfelde (Sachsen-Anhalt)
Nach seiner Festnahme und Inhaftierung durch das Grenzkommando Oebisfelde gelang es Günter Lippmann zu entkommen. Während der Flucht wurde er angeschossen und erlag seiner Verletzung einige Tage später im Krankenhaus.

Günter Lippmann kam am 14. Dezember 1930 in Jössnitz, einem Stadtteil von Plauen, im sächsischen Vogtland als Sohn eines Buchbinders zur Welt. Er gehörte der evangelischen Kirche an und erlernte den Beruf eines Vulkaniseurs. Im Jahr 1950 lebte er in einer kleinen Gemeinde nahe Hamm in Westfalen. Vermutlich hatte er die DDR verlassen, um einer Bestrafung wegen eines Einbruchs zu entgehen. Seit dem 17. März 1950 fahndete die Volkspolizei wegen eines Einbruchdiebstahls im vogtländischen Reichenbach nach Lippmann.

Am Nachmittag des 16. August 1950 nahmen DDR-Grenzposten Günter Lippmann fest, als er versuchte, zwischen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt in die DDR zu gelangen. Wahrscheinlich wollte er zu seinen Eltern, die im thüringischen Reichenbach wohnten. Die Grenzpolizisten führten den jungen Mann zur Kommandantur in Oebisfelde ab und stellten dort fest, dass er seit fünf Monaten zur Fahndung ausgeschrieben war. Unterdessen gelang es Günter Lippmann, die Fenstergitter des Verwahrraumes aufzustemmen und hinaus in den Garten der Kommandantur zu springen. Ein Wachposten bemerkte den Fluchtversuch und nahm sofort die Verfolgung des Flüchtenden auf, der jedoch trotz der Halt-Rufe des Postens nicht stehenblieb. Als Lippmann bereits die Gartenmauer erreicht und erklommen hatte, gab sein Verfolger einen gezielten Schuss auf ihn ab, der den Flüchtenden traf. Dennoch setzte Lippmann mit letzter Kraft seine Flucht fort. Nach etwa 150 Metern musste er erschöpft aufgeben und sich erneut festnehmen lassen. Kurze Zeit später stellte ein herbeigerufener Arzt eine schwere Unterleibsverletzung fest und ordnete an, Lippmann in das Hilfskrankenhaus Oebisfelde zu bringen.

Wegen der schweren Verletzung und des starken Blutverlustes verlegte man ihn von dort in das Kreiskrankenhaus nach Gardelegen. Trotz einer Blutspende durch einen Polizisten der Grenzbereitschaft Gardelegen konnte Lippmann dort nicht mehr gerettet werden. Das Geschoss hatte seine Leber zerrissen. Nach qualvollen vier Tagen starb der 19-Jährige in den Morgenstunden des 20. August 1950.

Im Zuge der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in den 1990er Jahren wurde die tödliche Schussabgabe auf Lippmann als fahrlässige Tötung bewertet. Der beschuldigte ehemalige Volkspolizei-Wachtmeister Sch. sagte aus, er habe einen ungezielten Schuss aus der Hüfte heraus in Richtung der Gartenmauer abgegeben. Das Geschoss sei dann von der Mauer abgeprallt und habe Lippmann als Querschläger getroffen. Die Einstellung des Verfahrens erfolgte mit der Begründung, dass Wachtmeister Sch. die Schusswaffe nicht in erster Linie zur Verhinderung einer Flucht nach Westdeutschland angewandt habe, sondern primär zur Festnahme eines flüchtigen Gefangenen, nach dem „wegen eines Eigentumsdeliktes gefahndet worden war. In einem solchen Fall muß eine fahrlässige Tötung anläßlich des Schußwaffeneinsatzes zur Festnahme erst recht gerechtfertigt sein.“


Biografie von Günter Lippmann, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/20-guenter-lippmann/, Letzter Zugriff: 18.04.2024