Eiserner Vorhang. Tödliche Fluchten und Rechtsbeugung
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Biografisches Handbuch
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Jürgen Hainz

Geboren am 11. Oktober 1950 in Meißen | Schussverletzung bei Fluchtversuch am 15. Juni 1971, gestorben am 14. Januar 1972 | Ort des Vorfalls: bei Elend (Sachsen-Anhalt)

Jürgen Hainz hatte sich unmittelbar vor der Grenze im Unterholz versteckt. Als er gebückt zum letzten Zaun laufen wollte, verletzte ihn ein Grenzposten schwer durch einen Maschinenpistolenschuss. Nach einem beinahe siebenmonatigen Krankenlager verstarb er mit 21 Jahren.

Der 20-jährige Jürgen Wilhelm Hainz aus Krostitz arbeitete als Transportarbeiter beim VEB Holzund Leichtbauelemente, als er sich zur Flucht in den Westen entschloss. Von Krostitz begab er sich in den 140 Kilometer entfernten Harzort Elend, um in der Nacht vom 14. auf den 15. Juni 1971 den Grenzübertritt zu wagen.

Am 15. Juni 1971 sendete um 1.18 Uhr der Signaldraht eines ein Kilometer südlich von Elend errichteten Grenzzauns ein Alarmsignal an die Kommandozentrale der Grenzkompanie. Offensichtlich war jemand in den Schutzstreifen eingedrungen. Eine Einsatzgruppe riegelte daraufhin die Grenze ab. Zu ihr gehörte auch das Postenpaar Peter L. und Harry R. Es gelang Jürgen Hainz, durch das felsige Waldgebiet bis zum Minengürtel vorzudringen und sich im Unterholz zu verstecken. Er muss die beiden Unteroffiziere nicht bemerkt haben, die etwa 20 Meter von ihm entfernt standen, als er gegen 4.45 Uhr aus dem Unterholz herauskam und gebückt auf den äußeren und damit letzten Grenzzaun zulief. Peter L. gab unverzüglich einen Warnschuss ab. Der Flüchtling reagierte nicht, worauf er kurz danach ein zweites Mal gezielt mit seiner Maschinenpistole schoss.

Der Schuss traf Jürgen Hainz an der linken Halsseite, durchschlug die linke Lunge und trat in Höhe des achten Brustwirbelkörpers wieder aus. Er brach sofort zusammen. Zunächst war er noch bei Bewusstsein und klagte über Schmerzen. Ein Grenzposten versorgte ihn mit einer Lungenkompresse, um das Austreten von Luft aus der Schusswunde zu verhindern. Wenig später brachte ein Sanitätsfahrzeug den Schwerverletzten in das Kreiskrankenhaus Wernigerode. Die Ärzte, die mit dem schweren Schockzustand des Patienten zu kämpfen hatten, stellten fest, dass Jürgen Hainz vom siebten Brustwirbel an gelähmt bleiben würde. Das Geschoss hatte sein Rückenmark verletzt.

Die beiden Grenzposten wurden nach dem Vorfall vernommen und für zwei Wochen beurlaubt. Anschließend erhielten sie Prämien. Jürgen Hainz kämpfte noch knapp sieben Monate ums Überleben. Am frühen Morgen des 14. Januar 1972 starb er mit 21 Jahren im Kreiskrankenhaus Wernigerode an einer Lungenentzündung, die sich während seines lang währenden Krankenlagers entwickelt hatte.

Das Landgericht Berlin verurteilte den ehemaligen Unteroffizier der DDR-Grenztruppen Peter L. wegen der Schussabgabe auf Jürgen Hainz am 6. Mai 1997 zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten.

Autor:
jk
Recherche:
jk, LH, St.A
Quellen:
  • Grenztruppen der DDR/Kommando der Grenztruppen: Operative Tagesmeldungen Nr. 127–152/71. BArch Freiburg, DVH 32/113211.
  • Kreiskrankenhaus Wernigerode: Schriftliche Todesanzeige, Sterbebuch Nr. 45. Stadtarchiv Wernigerode.
  • StA II beim LG Berlin: Anklage vom 23.02.1996, 27/2 Js 1131/93. LG Berlin: Urteil vom 06.05.1997, 513 KLs 17/96. Sammlung Marxen-Werle, Humboldt-Universität zu Berlin.
  • Personenstandsmitteilung des Landratsamtes Nordsachsen/Archiv Delitzsch. Torgau, 10.06.2015.
Druckversion
Abkürzungsverzeichnis
Name
Hainz, Jürgen
Geschlecht
männlich
Geburtsdatum
11. Oktober 1950
Geburtsort
Meißen
Letzter Wohnort
Krostitz
Staat des Vorfalls
DDR
Region des Vorfalls
Sachsen-Anhalt
Ort des Vorfalls
bei Elend
Todesursache
Schusswaffen
Datum des Vorfalls
15. Juni 1971
Ergänzendes Datum
14. Januar 1972
Todesalter
21
Teilprojekt
innerdeutsche Grenze
Fallgruppe
bei Fluchtversuchen
Personengruppe
Zivilisten / DDR
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