Eiserner Vorhang. Tödliche Fluchten und Rechtsbeugung
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Biografisches Handbuch
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Joachim Zepernick

geboren am 30. August 1951 in Magdeburg | tödlicher Unfall bei einem Fluchtversuch am 28. Oktober 1970 | Ort des Vorfalls: nahe Etingen (Sachsen-Anhalt)

Der 19-jährige Jugendliche kam durch einen Unfall auf der Bahnstrecke zwischen Haldensleben und Oebisfelde ums Leben. Er hatte gemeinsam mit zwei Freunden versucht, den Kontrollen der Transportpolizei und des Bahnpersonals zu entgehen, indem er sich auf dem Dach eines Doppelstockzuges versteckte.

Eine Bahnfahrt von Magdeburg ins 64 Kilometer entfernt liegende Oebisfelde dauerte in den 1970er Jahren eineinhalb Stunden – für Menschen mit Fluchtabsicht waren dies 90 Minuten der Angst und Sorge, liefen sie doch Gefahr, bereits im Zug überführt und festgenommen zu werden. Der Bahnhof Oebisfelde war ein Grenzbahnhof, er lag im Sperrgebiet. Reisende mussten einen Berechtigungsschein vorweisen können. Um den Kontrollen im Zug zu entgehen, hatten drei Jugendliche am 27. Oktober 1970 einen Plan gefasst, der zwei von ihnen das Leben kosten sollte.

Joachim Zepernick war 19 Jahre alt, Kandidat der SED und arbeitete als Kranfahrer, der 17-jährige Burghard Fischbock war Transportarbeiter. Gemeinsam mit fünf weiteren Jugendlichen hatten sie in Magdeburg in der Gaststätte „Zum Neustädter Bahnhof“ gefeiert. Als sie gegen 23 Uhr das Lokal stark alkoholisiert verließen, mögen sie schon den nahenden Winter gespürt haben, die Temperaturen näherten sich dem Gefrierpunkt. Gleich gegenüber im Bahnhof Magdeburg Neustadt bestiegen sie gemeinsam mit dem 17-jährigen H. einen Doppelstockzug nach Oebisfelde. Nachdem der Zug Haldensleben passiert hatte, kurbelten sie eines der Fenster im oberen Raum herunter und schwangen sich auf das Zugdach – auf diese Weise wollten sie von der Transportpolizei und dem Bahnpersonal unbemerkt bleiben. H. versuchte, die Lücke zwischen zwei Waggons zu überspringen, dabei stürzte er und konnte sich auf einem Puffer abfangen. Er hangelte sich zurück ins Abteil. Das rettet ihm das Leben. Seine beiden Freunde wurden wenig später auf dem Dach des Zuges von einem Brückenbogen erfasst.

Ein Weichenwärter entdeckte bei der Einfahrt des Zuges in Oebisfelde zunächst die Leiche von Burghard Fischbock auf dem Dach des dritten Waggons. Auf der Suche nach Joachim Zepernick fand man seine Leiche am nächsten Vormittag am Gleiskörper nahe Etingen. Bei ihm wurde eine Schädelbasisfraktur als Todesursache festgestellt. Wahrscheinlich geschah das Unglück unter einer Überführung der Bundesstraße 188, etwa zehn Kilometer bevor der Zug sein Ziel erreichte. Das Motiv des Fluchtversuchs blieb unbekannt.

Siehe auch die Biografie von Burkhard Fischbock.

Autor:
jk
Recherche:
jk, US
Quellen:
  • Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei: Halbjahresanalyse über vorbereitete, versuchte und vollendete ungesetzliche Grenzübertritte. Magdeburg, 12.1.1971. LASA, MD, M24, Nr. 1198.
  • Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei: Rapporte der BDVP Magdeburg für die Monate September bis Oktober 1970. LASA, MD, M 24, Nr. 807.
  • Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei: Einschätzung der polizeilichen Lage im Kreis Klötze 1970–1972. LASA, MD, M 24, Nr. 672.
  • Kreisgericht Magdeburg: K Strafnachricht (A) vom 14.6.1968. BStU, ZA, MfS, A 5791.
  • MfS, BV Magdeburg, Abt. IX: Karteikarte zu Joachim Zepernick, Burghardt Fischbock und Dietmar H. BStU, Ast. Mgdb., MfS, BV Magdeburg, Abt. IX, Nr. 1307.
  • Standesamt Rätzlingen: Sterbeeintrag Joachim Zepernick, Auskunft vom 4.10.2016.
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Abkürzungsverzeichnis
Name
Zepernick, Joachim
Geschlecht
männlich
Geburtsdatum
30. August 1951
Geburtsort
Magdeburg
Letzter Wohnort
Magdeburg
Staat des Vorfalls
DDR
Region des Vorfalls
Sachsen-Anhalt
Ort des Vorfalls
nahe Etingen
Todesursache
Verletzungsfolge
Datum des Vorfalls
28. Oktober 1970
Todesalter
19
Teilprojekt
innerdeutsche Grenze
Fallgruppe
Todesfälle bei Fluchtversuchen
Personengruppe
Zivilisten / DDR
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