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Biografisches Handbuch

Adolf Kohlus

geboren am 29. März 1937 in Mühlhausen | erschossen am 27. Oktober 1955 | Ort des Vorfalls: Pferdeberg bei Arenshausen (Thüringen)
Der 18-jährige Grenzpolizist Adolf Kohlus wollte seiner Freundin in die Bundesrepublik folgen und erzählte das seinem Postenführer, als beide zusammen auf Grenzstreife gingen. Wenig später starb Kohlus im Kugelhagel seines Kameraden.

Der gelernte Tischler Adolf Kohlus trat im März 1955 in die Deutsche Grenzpolizei ein. Obwohl sein Vater, der vor 1933 KPD-Mitglied und nach dem Krieg SED-Mitglied war, ihn im Sinne der Partei erzogen hatte, galt der junge Polizist bei seinen Vorgesetzten als weltanschaulich wenig gefestigt. Ihnen war aufgefallen, dass er versuchte, „allein im Klubraum zu sein und dort Westsender, insbesondere Tanzmusik zu hören. Hinweise von Genossen tat er damit ab, dass Musik international sei und man diese demzufolge hören könne. Beim Ausgang versuchte er, in den Tanzlokalen westliche Tänze aufzuführen und musste deswegen von seinen Vorgesetzten „zur Rede gestellt werden“. In einer Gaststätte erzählte er einem Kameraden, dass er auch lieber im Westen leben möchte.

Am 27. Oktober 1955 wollte der 18-jährige Adolf Kohlus beim Verpflegungsdienst seiner Einheit einen ganzen Kasten Bier kaufen, um seinen Kameraden einen auszugeben. Er bekam aber nur zwei Flaschen. Eine davon trank er selbst, die andere gab er seinem Postenführer Gerhard Sch., mit dem er sich gut verstand. Am Abend gingen die beiden im sogenannten „Gänsebachtal“ auf Grenzstreife. Während des Dienstes erzählte Kohlus seinem Postenführer, dass seine Freundin, die er vor Kurzem in Mühlhausen kennengelernt hatte, im Westen sei. Gegen 23 Uhr meldete sich Kohlus laut Tagesrapport der Grenzpolizei bei Gerhard Sch. zum Austreten ab und machte die Bemerkung: „Heute ist die beste Zeit zur Desertion!“ Der Postenführer nahm diese Äußerung zunächst nicht ernst. Plötzlich sah er, wie sein Posten in Richtung Grenze lief. Gerhard Sch. nahm die Verfolgung auf und befahl ihm stehenzubleiben. Kohlus rannte jedoch unbeirrt weiter. Er war nur noch wenige Schritte vom Gebiet der Bundesrepublik entfernt, als Postenführer Sch. niederkniete und aus der Hüfte mit seiner Maschinenpistole eine Salve von 24 Schüssen auf den vier bis sieben Meter entfernten Adolf Kohlus abfeuerte. Dieser erlitt zwei Durchschüsse im Bereich des Nierenbeckens sowie einen Streifschuss an der linken Brustseite und brach auf dem Zehn-Meter-Kontrollstreifen zusammen. Gerhard Sch. legte dem Schwerverletzten einen Notverband an und gab Signalschüsse ab, um die Nachbarposten zu alarmieren. Adolf Kohlus erlag jedoch kurze Zeit später seinen Bauchverletzungen.

Am Tag nach dem Zwischenfall informierten zwei Offiziere der Deutschen Grenzpolizei die Familie über den Tod von Adolf Kohlus. Seine damals 15-jährige Schwester durfte vor der Erdbestattung ihren Bruder im Sarg sehen. Nach ihrer Erinnerung soll er wie ein 40-Jähriger ausgesehen haben, der Körper war noch blutverschmiert. Durch das offene Leichenhemd konnte sie eine Schussverletzung am Bauch sehen. Den kriminalpolizeilichen Ermittlern berichtete sie 1995, ihr Bruder habe eigentlich keinen Grund gehabt, in den Westen zu fliehen, denn das Mädchen, in das er sich verliebt hatte, habe damals noch in Mühlhausen gewohnt. Dagegen sagte ein ehemaliger Grenzpolizist aus seiner Einheit den Ermittlern, Kohlus habe ihm am Tag des Zwischenfalls einen Brief von seiner Freundin gezeigt, aus dem hervorging, dass sie in den Westen „abgehauen“ sei. Er habe Kohlus an diesem Tag noch davor gewarnt, während des Streifendienstes zu desertieren, da er mit Postenführer Gerhard Sch., dem besten Schützen des Kommandos, zum Dienst eingeteilt war. Dem Zeugen war es unerklärlich, warum Kohlus während des Streifengangs zu fliehen versuchte, wo es doch gefahrlos am nächsten Tage möglich gewesen wäre – Kohlus müsse irgendwie „durchgedreht“ sein. Er hatte am Tag darauf frei und hätte gefahrlos die Grenze passieren können, da jeder in der Einheit wusste, wo die Posten gerade Streife gingen und an der Grenze noch kein Sicherungszaun stand.

Der Todesschütze Gerhard Sch. wurde unmittelbar nach der Tat ausgezeichnet. Er erhielt eine Armbanduhr mit Gravur: „Gewidmet für vorbildliche Leistungen – Chef der deutschen Grenzpolizei, Generalmajor Jadmann“. Die Staatsanwaltschaft Erfurt stellte 1998 das Ermittlungsverfahren gegen Sch. wieder ein, da der Vorwurf des Totschlags nicht nachzuweisen sei.


Biografie von Adolf Kohlus, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/73-adolf-kohlus/, Letzter Zugriff: 21.11.2024