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Biografisches Handbuch

Walter Uhl

geboren am 30. Januar 1913 in Voigtsgrün (heute: Fojtov, Tschechien) | erschossen am 1. Juni 1953 | Ort des Vorfalls: Rambach, Kreis Eschwege (Hessen), Nähe „Mäusemühle“
Der hessische Zollbeamte Walter Uhl machte auf einem Streifengang an der hessisch-thüringischen Grenze Rast an einem Schlagbaum, als eine DDR-Streife ihn wegen Grenzverletzung festnehmen wollte. Nach einem Fluchtversuch wurde er auf hessischem Gebiet erschossen.

Der hessische Zollgrenzassistent Walter Uhl stammte aus dem Sudetenland. Verwandte von ihm wohnten in der DDR. Einer Anwohnerin im Grenzgebiet erzählte Uhl, er sei früher „Wachtmeister“ im Osten gewesen. Sie hatte gesehen, dass Uhl keine Berührungsängste gegenüber den DDR-Grenzern hatte und häufiger mit ihnen sprach. „Er war den Vopos und überhaupt der DDR und den Einrichtungen dort nicht feindlich eingestellt, im Gegenteil, er sprach immer gut davon und versuchte, manches zu entschuldigen.“ Obwohl das Verhältnis zwischen den Grenzern aus Ost und West in den frühen 1950er Jahren an diesem Grenzabschnitt noch nicht so feindselig wie später war, galten auf beiden Seiten strikte Anweisungen, nicht mit der „anderen Seite“ zu sprechen. Walter Uhl nahm das nicht so ernst. Wegen Zuwiderhandlung gegen diese Anordnung war er mehrfach verwarnt worden, da er sich häufiger am Schlagbaum nahe der „Mäusemühle“ mit Volkspolizisten unterhalten hatte.

Am 1. Juni 1953 ging Walter Uhl mit einem Diensthund an der hessisch-thüringischen Grenze in der Nähe von Rambach auf Streife. Eine Stunde später, gegen 11.30 Uhr, erreichte er die „Mäusemühle“ und unterhielt sich mit einer Anwohnerin. Anschließend begab er sich auf die frühere Straße von Großburschla (Thüringen) nach Rambach (Hessen) bis zum Grenzschlagbaum. Den Anwohnern und auch den Grenzern beider Seiten war bekannt, dass man auf der etwa 250 Meter langen Straße bis zur Grenze viermal die hier im Zickzack verlaufende innerdeutsche Grenze überquerte. Deshalb galt dieses Straßenstück informell als „neutrales Territorium“. Die westlichen Zollbeamten hatten dennoch Weisung, diesen Weg zu meiden. Als Walter Uhl am Schlagbaum ankam, stellte er sein Gewehr ab und ruhte sich aus. Plötzlich wurde er von einer DDR-Grenzstreife angerufen, die ihn mit vorgehaltener Waffe aufforderte, er solle stehenbleiben und die Hände hochnehmen, er werde wegen „Grenzverletzung“ festgenommen. Darüber, ob der Schlagbaum schon auf DDR-Gebiet stand oder nicht, gab es unterschiedliche Auffassungen. Nach einem kurzen Wortwechsel griff Uhl zu seiner Waffe, woraufhin beide DDR-Polizisten je einen Schuss auf ihn abgaben, ohne ihn zu treffen. Uhl, der selbst nicht geschossen hatte, floh nun in ein nahe gelegenes Kornfeld und befand sich schon etwa zehn Meter auf hessischen Boden, als die beiden DDR-Grenzer erneut auf ihn schossen. Einer der beiden abgegebenen Schüsse traf ihn am Arm, der zweite durchschlug seinen Kopf und führte zum sofortigen Tod. Walter Uhl hinterließ eine Frau und ein kleines Kind.

Ein pensionierter Zollbeamter, der damals in der Gegend eingesetzt war, sagte 1992 aus: „Soweit ich weiß, gab es keine Bestimmung oder einen Erlaß einer vorgesetzten Dienststelle, der dem Zollbeamten damals verboten hätte, diesen Weg zu benutzen. Im Übrigen war das Verhältnis zwischen den Volkspolizisten und den Zollbeamten an der Grenze damals noch recht gut. Man kannte sich zumindest vom Sehen und es gab auch Verkehr von der Bundesrepublik nach der DDR. So erinnere ich mich, daß Volkspolizisten in Zivil Kirmesveranstaltungen im Grenzgebiet aufgesucht haben. Dies war zwar offiziell auch von DDR-Seite nicht erlaubt, es wurde sich aber nicht daran gehalten. Die Grenze war ja noch offen. Es bestand damals auch zwischen den VoPo’s und uns noch nicht das Feindbild, das sich dann erst in den sechziger, siebziger Jahren in der Phase des ‚kalten Krieges‘ entwickelte. Aus diesem Grunde finde ich diese Tat umso verwerflicher.“

Die Schützen wurden nach dem Zwischenfall zwar von MfS-Mitarbeitern befragt, strafrechtliche Konsequenzen hatte ihr Handeln in der DDR jedoch nicht. Nach der Wiedervereinigung konnte das Landgericht Mühlhausen 1997 nicht mehr feststellen, wer den tödlichen Schuss auf Uhl abgegeben hatte. Postenführer Hans Webs, angeblich „ein linientreuer Politoffizier der Staatssicherheit“, ist 1984 verstorben. Sein Posten Manfred E. wurde wegen Totschlags zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, da er den Tod Uhls „zumindest billigend in Kauf genommen“ habe.


Biografie von Walter Uhl, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/67-walter-uhl/, Letzter Zugriff: 29.03.2024