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Biografisches Handbuch

Uwe Richter

geboren am 27. Januar 1966 in Leipzig | seit Ende August 1987 verschollen | Ort des Vorfalls: Ostsee
Uwe Richter unternahm im Sommer 1987 zusammen mit seinem jüngeren Bruder Frank und ihrem gemeinsamen Freund Jan Nöbel einen Fluchtversuch mit Faltbooten. Im September 1987 wurde die Leiche von Uwe Richter geborgen. Von Frank Richter und Jan Nöbel fehlt seitdem jede Spur.

Uwe Richter wurde als Uwe Hannemann am 27. Januar 1966 in Leipzig geboren. Er lebte zum Zeitpunkt seiner Flucht in Leipzig und wohnte in der Zwenkauer Straße im Stadtteil Connewitz in unmittelbarer Nähe zu seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder Frank, die gemeinsam in der Ecksteinstraße, im gleichen Stadtteil, nur zwei Kreuzungen entfernt wohnten. Uwe Richter hatte den Klempnerberuf erlernt, den er in der Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) „Sanitäranlagen Leipzig“ ausübte. Uwes jüngerer Bruder Frank war mit Jan Nöbel befreundet, der ebenfalls in Connewitz wohnte und wie Frank 1987 seine Reifeprüfung abgelegt hat. Zusammen bildeten sie ein Trio, das sich so sehr vertraute, dass sie gemeinsam einen Fluchtversuch planten und durchführten.

Im Haushalt der Familie Richter, der von der Mutter geführt wurde – vom Vater finden sich keine Spuren in den vorliegenden Quellen – herrschte ein offener und liebevoller Umgang. Man nahm auch politisch kein Blatt vor den Mund. Frank und Uwe haben gegenüber ihrer Mutter keinen Hehl daraus gemacht, dass sie mit der DDR und dem sie beherrschenden Regime der SED nicht einverstanden waren. Deshalb wusste diese auch, dass die drei Freunde im August einen Fluchtversuch unternehmen wollten. Auch ihren Plan kannte sie: Mit einem Faltboot die Ostsee nach Dänemark zu überqueren. Der Vater von Jan Nöbel hatte nach der Flucht eine Landkarte gefunden, auf der von Dranske auf Rügen ein roter Strich zur dänischen Insel Møn gezogen war.

Die Mutter der Richter-Brüder wusste auch, dass die drei Freunde vor ihrem eigentlichen Fluchtversuch noch einige Tage Urlaub auf dem Darß machen wollten. Dazu verließen sie am 24. August 1987 Leipzig und mieteten sich, wie ihre Mutter später herausfand, in Born auf dem Darß in der Jugendherberge „Heinz Peters“ ein. Ob die Freunde dort tatsächlich nur Urlaub gemacht haben, oder, wie viele andere Flüchtlinge, diese Zeit genutzt haben, um ihre Ablandung vorzubereiten, ist nicht mehr zu rekonstruieren. Es ist heute auch vollkommen ungeklärt, wo die Drei abgelandet sind. Auch die Ermittlungsbehörden der DDR konnten den Ort, von dem aus sie in See gestochen sind, nicht finden.

Uwe Richter hatte für den 25. August 1987 in seinem Betrieb Urlaub genommen, aber auch am 26. August trat er seine Arbeit nicht wieder an. Frank Richter hatte bis zum 31. August die Papiere für sein Vorpraktikum im VEB Erdöl und Erdgase Grimmen in der Bergbauakademie Freiberg abzuholen. Dazu hätte er am 30. August wieder in Leipzig sein müssen. Als er an diesem Tag nicht wieder eintraf, wurde die Mutter der beiden Richter-Brüder aktiv, stellte eine Vermisstenanzeige für ihre beiden Söhne und setzte auch ihren Bruder in Kenntnis, der in Westberlin wohnte und sich sogleich an das Bundesgrenzschutzkommando Küste (GSK) in Bad Bramstedt wandte. Den ersten handfesten Hinweis darauf, dass die drei Freunde ihren Fluchtversuch tatsächlich angetreten hatten und es dabei womöglich zu einem Unglück gekommen war, gab die Staatssicherheit (Stasi) gegenüber Frau Richter preis. Sie informierte diese am 22. September 1987 darüber, dass ein dänischer Fischer am 5. September in dänischen Hoheitsgewässern eine Jacke mit einer Brieftasche geborgen und der Polizei übergeben hatte. In der Brieftasche befanden sich unter anderem der Führerschein und der Personalausweis von Uwe Richter.

Aus der Vermutung, die Uwe Richters Mutter danach haben konnte, wurde am 27. September Gewissheit: An diesem Tag fanden Urlauber gegen halb zwölf am Mittag Uwe Richters Leiche am Strand von Hiddensee, in der Nähe von Kloster. Die Leiche war anscheinend in keinem guten Zustand, denn sie wurde am 6. Oktober 1987 per Zahnstandsgutachten identifiziert. Wenn sie noch erkennbar gewesen wäre, hätte man sie durch Abgleich mit den Fotos in den Ausweisen oder Hinzuziehen der Mutter identifiziert. Uwe Richter wurde in Leipzig beerdigt, von seinem Bruder Frank und seinem Freund Jan Nöbel wurden keine Spuren mehr gefunden.


Biografie von Uwe Richter, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/516-uwe-richter/, Letzter Zugriff: 21.11.2024