Werner Hans Hellmuth Gambke kam am 23. November 1936 in Kreuzburg im Regierungsbezirk Oppeln in Schlesien als Sohn von Margarete Gambke, geborene Galla (Jahrgang 1904), und Hellmuth Gambke (Jahrgang 1901) zur Welt. Vor der Geburt ihres Sohnes hatte seine Mutter als Putzmacherin gearbeitet. Sein Vater wollte ursprünglich Lehrer werden, durfte aber keine höhere Schule besuchen. Er musste im Familienbetrieb den Beruf eines Schuhmachers erlernen und ausüben. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Hellmuth Gambke in die Wehrmacht eingezogen. Er geriet in Kriegsgefangenschaft, weswegen Werner Gambke und seine kleine Schwester Irmgard unter der Fürsorge ihrer Mutter aufwuchsen.
Ab Mitte Januar 1945 stieß die Rote Armee nach Schlesien vor. Die sowjetischen Besatzer unterstellten den Landkreis Kreuzburg im März 1945 der polnischen Verwaltung. Die deutsche Bevölkerung wurde vertrieben und der Landkreis mit polnischen Migranten besiedelt, zum erheblichen Teil Zwangsaussiedler aus den von der Sowjetunion annektierten Gebieten. Auch Margarete Gambke und ihre beiden Kinder gehörten zu den Heimatvertriebenen. Obwohl Margarete Gambke nach einer Operation noch nicht vollständig genesen war, musste sie die beschwerliche Reise mit ihren beiden Kindern mitten im harten Winter am Jahresende 1945 in einem Viehwagen antreten. Es dauerte mehrere Tage, bis sie und ihre Kinder schließlich aus Schlesien in der ihnen zugewiesenen Ortschaft Zöllnitz bei Jena in Thüringen ankamen. Die Verteilung von 4,3 Millionen Flüchtlingen und Vertrieben aus den ehemaligen Ostgebieten des Deutschen Reiches erfolgte in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) nach Maßgaben der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) und ihrer „Zeitweiligen Deutschen Zentralverwaltung für Umsiedlung“ (ZVU).
Werner Gambke bezeichnete die Lebensumstände in Zöllnitz später als „die schwersten und härtesten, die ich je erlebt habe“. In der Nachkriegszeit war die Familie „vollständig auf die Gnade oder Ungnade eines Großbauern und Mühlenbesitzers angewiesen.“ Als Margarete Gambke aus Armut, Hunger und Krankheit sich Kartoffeln vom Feld des Gutsbesitzers geholt hatte, strengte der Großbauer ein Gerichtsverfahren gegen sie an. In dieser schweren Zeit erkrankte Werner Gambke so heftig an Typhus, dass er besinnungslos „in Jena im Hilfskrankenhaus eingeliefert“ wurde und dort, wie er sich später erinnerte, „210 Tage, 200 Injektionen, bis 41° C Fieber“ über sich ergehen lassen musste. Seine Gesundheit war infolge der Typhuserkrankung und des langen Krankenhausaufenthalts derart angegriffen, dass er in seiner allgemeinen Entwicklung stark zurückblieb. Seine Schulausbildung war durch Krieg und Krankheit quasi ausgefallen. Rückblickend beschrieb er das folgendermaßen: „Zwei volle Jahre ohne jegliche Schule; […] einige kümmerliche Jahre […] Pendelunterricht in einer Dorfschule, in der alles, von der 1. bis zur 8. Klasse, in ein und demselben Raume tintenklekste“.
Nachdem Hellmuth Gambke aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt war und seine Ehefrau und die Kinder in Zöllnitz wiedergefunden hatte, begann für die Familie 1949 ein neues gemeinsames Leben. Sie zog in die Stephanusstraße 8 in Halle an der Saale um. Helmuth Gambke besuchte eine Volkshochschule, um sich zum Berufsschullehrer in der Schuhbranche ausbilden zu lassen. Margarete Gambke besorgte den Haushalt und kümmerte sich um die Kinder. In der Neumarktschule in Halle konnte Werner Gambke aufgrund seiner Vorerkrankungen noch keinen Sport treiben. Er hatte aber sehr viel versäumten Lernstoff und nicht zuletzt „Kennnisse in Russisch“ nachzuholen. Er begann in der sechsten – statt altersgemäß in der siebten – Klasse und schloss die Grundschule mit der Note „sehr gut“ ab.
Seit 1951 arbeitete Hellmuth Gambke als Gewerbelehrer und -ausbilder in der Betriebsberufsschule „Junge Garde“ des VEB Schuhlehrkombinats „Banner des Friedens“ in Weißenfels. Sein Sohn Werner wechselte 1952 an die Friedrich-Engels- Oberschule in Halle und zugleich vom Pionierverband zur Freien Deutschen Jugend (FDJ). Außerdem „wirkte [er] anfangs als Mitglied des Schulfriedensrats, dann lange Zeit als Wandzeitungsredakteur“. Im Jahr 1955 trat er dem Kulturbund bei und die Schulgruppe der FDJ wählte ihn in ihren Gruppenrat. Den Naturwissenschaften wie Physik, Chemie, Biologie und Erdkunde galt sein besonderes Interesse. Zu seinen Hobbys zählten ein Aquarium, das Fotografieren und die Beschäftigung mit einem Experimentierschrank. Durch etwas Sport gelang es ihm, seine körperlichen Schwächen nach und nach halbwegs auszugleichen. So konnte er in den Sommerferien 1954 als Bauhelfer und 1955 als Güterbahnarbeiter sein erstes eigenes Geld verdienen.
Während seine Schwester Irmgard eine Schneiderlehre begann, bewarb sich Werner Gambke im Februar 1956 um einen Studienplatz in der Fachrichtung Landwirtschaft mit dem Berufsziel Pflanzenzüchter oder alternativ in der Fachrichtung Mineralogie mit dem Berufsziel Diplom-Mineraloge. Diese Bewerbung enthielt das angelernte systemloyale Bekenntnis, er habe sich „von kleinbürgerlicher Denkweise und Milieus“ befreit, weil „die Naturgesetze […] den Marxismus bestätigen“. Werner Gambke benötigte für sein Studium ein Stipendium, da er kein Einkommen hatte und das väterliche Gehalt ein Studium nur teilweise mitfinanzieren konnte.
Das Volkspolizeikreisamt Halle bescheinigte Werner Gambke am 9. Mai 1956 „keine Strafen“ im Führungszeugnis. Die Friedrich-Engels-Oberschule in Halle schloss er mit der Gesamtnote „gut“ und der Beurteilung ab: „Er hat die Fähigkeit, selbständig zu urteilen und geistig selbständig zu arbeiten“. Seine Leistungskraft wäre zwar etwas inhomogen, aber „gut“. Die Zentrale Schulgruppe der FDJ lobte den Studienanwärter für seine „gute gesellschaftliche Arbeit“ im „Kollektiv“ sowie während einer Delegation nach „Bremerhaven, wo er gute Agitationsarbeit leistete“.
So wurde Werner Gambke am 15. August 1956 als Diplom-Student der Landwirtschaftlichen Fakultät an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg immatrikuliert und erhielt ein Stipendium. Der FDJ-Sekretär bei der Fakultätsleitung begründete am 6. September 1957 einen Stipendium-Leistungszuschlag für Gambkes gute Zwischennoten und tadelloses Auftreten: „Werner ist kritisch eingestellt und äußert seine Meinung. Er ist zuvorkommend, kameradschaftlich und zuverlässig.“
Dieser positive Leumund verblasste, als Werner Gambkes Eltern und seine Schwester im Dezember 1957 aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland flüchteten, nachdem Hellmuth Gambke im Zuge von Umstrukturierungen der Betriebsberufsschule des VEB Schuhlehrkombinats in Weißenfels entlassen worden war.
Wegen der „Republikflucht“ prüfte die FDJ-Fakultätsleitung Mitte Januar 1958 die Stipendienvergabe für Werner Gambke, der mehrmals zu politischen „Aussprachen“ in das Prorektorat für Studentenangelegenheiten vorgeladen wurde. Wochen später erfuhr er „auf Umwegen“, dass ihm die finanzielle Beihilfe entzogen worden war, weil „die Eltern republikflüchtig geworden sind“. Gegen die Stipendienstreichung protestierte Gambke am 22. Februar 1958: „Neben der Tatsache, daß ich materiell völlig in der Luft hänge, beleidigt es mich, daß ich einzig und allein nach dem Handeln meiner Eltern beurteilt werde. Ich habe mich mit meinem Vater in grundsätzlichen Fragen schon lange entzweit […], in letzter Zeit habe ich keinerlei Verbindung mehr zu ihm. […] Ich will in dem Teil Deutschlands wirken, in dem der Sozialismus aufgebaut wird und will selbst dabei mithelfen. […] Für mich kommt der Weg in einen […] feindlich gegenüberstehenden [westlichen] Staat nicht in Frage. […] Sollten Sie dennoch Ihre Maßnahmen für richtig halten, dann bleibt für mich kein anderer Weg, als in die Produktion zu gehen.“ Werner Gambke distanzierte sich in der folgenden Zeit mehrfach von seinen aus der DDR geflüchteten Eltern und bekannte sich zum Sozialismus. Dies und seine Klage, er sei fast mittellos, bewirkte, dass die Fakultätsleitung ihre Stipendiensperre ab dem 11. März 1958 vorläufig durch bescheidene Studienbeihilfen überbrückte. Doch mit diesen geringen Zuwendungen konnte er die familiäre Wohnung in der Stephanusstraße 8 in Halle nicht mehr halten. Nach seinen landwirtschaftlichen Berufspraktika in Rohrbeck (Kreis Osterburg) und Gröbers (Saalekreis) zog er in die Karl-Liebknecht-Straße 24 in Halle um.
Sein Vater Hellmuth Gambke ließ sich am 7. Mai 1958 durch das Sozialamt der westfälischen Stadt Lübbecke beglaubigen, dass er bisher nur eine „besuchsweise“ Unterkunft gefunden habe, aber noch kein Einkommen beziehe, um seinen Sohn zu unterstützen. Nach einigem hin und her gewährte die Erweiterte Stipendienkommission der Universität am 9. Oktober 1958 Werner Gambke rückwirkend ab dem 1. September wieder eine Studienbeihilfe. Bevor er davon erfuhr, schrieb Werner Gambke am 14. Oktober 1958 an den Prorektor: „Ich will die neue sozialistische Gesellschaftsordnung auf dem Lande mit aufbauen helfen […,] kann es mir auch gar nicht vorstellen, daß sich das Gesetz in unserem Staat gegen Menschen richten soll, die gewillt sind, an der Festigung dieses Staates teilzunehmen. […] Praktisch bekomme ich zu fühlen, daß eigenes Wollen und Handeln nicht entscheidend sind, ebenso Beurteilungen von Seiten der FDJ- Gruppen und -Fakultätsleitung. Dagegen protestiere ich [und,] daß augenblickliches und zukünftiges Verhalten (wenn auch indirekt) nach der Republikflucht der Eltern beurteilt wird.“
Mehrere 1959 und 1960 verfasste Beurteilungen der FDJ und der Universität über Werner Gambke fielen positiv aus. Damals übernahm er unter anderem auch „die Funktion als Zirkelleiter des FDJ-Schuljahres“. Er absolvierte zwei weitere Landwirtschaftspraktika in Stendal (Altmark) und Röderhof (Kreis Halberstadt) und zog im September 1961 in Halle in eine Wohnung in der August-Bebel-Straße 69 um.
Nach längerer Zeit ohne Kontakt erhielt Werner Gambke zu seinem 25. Geburtstag, am 23. November 1961, Post von seinem Vater. Er selbst kam gerade von einer Exkursion aus dem Harz zurück und stellte nun fest, dass sich sein Vater zur gleichen Zeit auf der anderen Seite der innerdeutschen Grenze ebenfalls im Harz aufgehalten hatte. Er antwortete seinem Vater „wenn es noch der Tag gewesen war, an dem Du in Braunlage warst, so dürften wir höchstens in Luftlinie 40 Kilometer voneinander entfernt gewesen sein. Ja es ist die deutsche Tragik (die eigentlich hier als Begriff groß zu schreiben wäre), die das Kuriosum vollbringt, daß die Rocky Mauntains dem einen Teil Deutschlands und der Ural dem anderen näherliegen als der Oberharz und der Unterharz. Wenn das so weitergeht, werden Helmstedt und Marienborn, Magdeburg und Braunschweig einmal wie Städtenamen verschiedener Erdteile klingen. […] Daß hier die Freiheit geringer als die eines getüderten Rindviehs ist sei nur am Rande vermerkt (tüdern bedeutet weiden mit Halskette am Pfahl angebunden).“
Am 6. Dezember 1961 vereinbarte die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in einem Vorvertrag mit der Absolventeneinsatzkommission des Bezirksrats Neubrandenburg, dass Werner Gambke nach seinem Hochschulabschluss als Assistent im Bereich „Obstbau, Pflanzenschutz und Geflügel“ in der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) Möllenbeck im Kreis Neustrelitz eingesetzt werden soll. Gambkes Diplomarbeit „Über Möglichkeiten des obstbaulichen Pflanzenschutzes im großflächigen Marktversorgungsobstbau der DDR“ erhielt die Note „Noch sehr gut“. Seine Diplomprüfungen vom 8. Juni 1962 wurden als „Befriedigend“ bewertet. Mit der Gesamtnote „Gut“ beendete Werner Gambke am 30. Juni 1962 als Diplomagrarwirt sein Studium.
Die für ihn vorgesehen Arbeitsstelle in der LPG Möllenbeck im Kreis Neustrelitz trat Werner Gambke nicht an. Vielmehr zog er nach Merseburg und bewarb sich im Dezember 1962 bei der LPG Baumschulen Brehna, Obstgehölze – Rosen im Kreis Bitterfeld als Facharbeiter im Obstbau. Bei seiner Bewerbung gab er an, er sei nach dem dritten Studienjahr der Agrarwissenschaften „auf Grund der Republikflucht seiner Eltern“ exmatrikuliert worden. Nach seiner Einstellung bei der LPG Baumschulen zog Werner Gambke am 28. Dezember 1962 in den August- Bebel-Ring in Brehna und begann am 1. Januar 1963, in der LPG zu arbeiten. Durch Nachforschungen der LPG zu seinem Werdegang stellte sich jedoch heraus, dass Gambke seinem vorgesehenen Einsatz in Möllenbeck nicht nachgekommen war. Die LPG reagierte darauf mit seiner Entlassung. Der LPG-Vorsitzende und der Verantwortliche für den LPG-Gartenbau rügten ihn für „eine unverantwortliche Handlungsweise unserem Staat gegenüber“. Gambke sollte sich umgehend bei seiner früheren Hochschule zur Vermittlung einer Arbeitsstelle melden.
Doch er hatte sich unterdessen bei einem Obstbaubetrieb im Bezirk Potsdam beworben. Die Universität Halle-Wittenberg versuchte diese Bewerbung zu unterbinden und teilte am 11. März 1963 der Abteilung Landwirtschaft/ Kadereinsatz beim Rat des Bezirks Potsdam mit: „Im Sinne der Absolventenvermittlung sollte Herr Gambke – wie vorgesehen – seine Tätigkeit im Bezirk Neubrandenburg aufnehmen und wir bitten hierfür um Ihre Unterstützung.“ Diese Bitte der Hochschule blieb jedoch wirkungslos. Werner Gambke zog im März 1963 in den Bezirk Potsdam nach Bochow in die Damsdorfer Str. 10. In einer LPG arbeitete er als Diplom-Landwirt und Arbeits-Gruppenleiter.
Im Frühjahr 1965 beantragte Werner Gambke eine Urlaubsreise in die Volksrepublik Bulgarien, die von der Abteilung Innere Angelegenheiten beim Rat des Kreises Potsdam auch genehmigt wurde. Das Reisebüro der DDR vermittelte Gambke ab Ende Mai 1965 einen Hotelaufenthalt in dem bulgarischen Kurort Vasil Kolarov. Was danach geschah, ist einem Bericht des Stabschefs der Grenztruppen, Oberst Kolčevski, und des Stellvertreters des Chefs der Operativabteilung, Oberstleutnant Todorov, vom 20. Juli 1965 über die „Liquidierung eines Grenzverletzers“ zu entnehmen. Demnach verließ Gambke am 11. Juni 1965 um 7:00 Uhr seine Unterkunft und bewegte sich über Hügel und Täler der stark zerklüfteten und gebirgigen Rhodopen-Gegend in Richtung der Grenze zu Griechenland. Ein junger Mann aus dem Dorf Stojkite, der den fremden Wanderer nördlich von Smoljan entdeckte, verfolgte ihn etwa zweieinhalb Kilometer und verlor dann seine Spur. Er kehrte um, und meldete den verdächtigen Fremden den Sicherheitsbehörden.
Als die Meldung über einen aus der Ferienunterkunft verschwundenen DDR-Bürger gegen 11:00 Uhr im Hauptquartier der vierten Grenzabteilung einging, rückte eine Alarmgruppe mit einem Spürhund aus, um den Verdächtigen zu suchen. Zusätzlich wurden 36 Militärangehörige aus Stabseinheiten und andere Truppen zu den Grenzvorposten abkommandiert. Außerdem riegelten 80 Soldaten einer Kampfeinheit aus Smoljan und rund 250 Männer einer Freiwilligentruppe mehrere Ortschaften durch Blockaderinge ab. Auch etliche Waldarbeiter und Einwohner der Gegend erhielten Such- und Wachaufgaben. Die Grenztruppen rechneten mit der „wahrscheinlichsten […] Bewegung von Grenzgängern“ aus Vasil Kolarov über die Hütte „Perelik“ und den Hügel Vilaora in südwestlicher Richtung nach Griechenland. „Allein 1964 versuchten hier 14 Täter in 7 Fällen die Grenze zu überqueren.“
Werner Gambke erreichte trotz des Überwachungsaufwands nach eineinhalb Tagen unbemerkt südwestlich der Gebietshauptstadt Smoljan das Grenzgebiet Bulgariens zu Griechenland. Am 12. Juni 1965 um 18:50 Uhr fiel er östlich des Hügels Varcha einem Schäfer auf, der aus dem grenznahen Dorf Kiselčovo stammte und zur lokalen Freiwilligentruppe gehörte. Der Schäfer schickte dem Unbekannten einen Mitarbeiter hinterher, der sich ihm näherte und ihn mehrmals durch Pfiffe zu stoppen versuchte. Doch der Fremde lief davon und verschwand in einem Waldstück. Das Mitglied der dörflichen Freiwilligentruppe meldete daraufhin dem Kommandanten der vierten Grenzabteilung den letzten Aufenthaltsort des Unbekannten. Wiederum kam ein Suchtrupp samt Spürhund zum Einsatz und erneut formierten Soldaten und Freiwillige mehrere Sperrlinien in der Gegend. Doch auch diese Suchoperationen blieben erfolglos.
Am 13. Juni 1965 um 4:30 Uhr frühmorgens überquerte Werner Gambke etwa zwei Kilometer westlich des Dorfes Kiselčovo den Abschnitt des sechsten Grenzpostens im Tal „Košute“. Dabei löste Gambke im Vorfeld des Grenzsteins 121 ein Signalgerät „S-2“ aus. Nun kommandierte der Oberbefehlshaber der vierten Grenzabteilung seine verstärkten Grenztruppen dorthin. Etwa fünf Minuten später, um 4:35 Uhr, hörte der Gefreite Cvetkov ein Geräusch und erblickte einen Mann. In den bulgarischen Unterlagen heißt es, Cvetkov habe vorschriftsmäßig in bulgarischer Sprache „Halt!“ und „Hände hoch!“ gerufen und einen Warnschuss abgefeuert. Inzwischen waren weitere Grenzer herbeigeeilt und eröffneten gezielt das Feuer auf den Flüchtenden. Ihre Schüsse töteten Werner Gambke etwa 150 Meter östlich der Grenzpyramide 121 kurz vor der Staatsgrenze nach Griechenland.
Das Innenministerium der DDR erhielt umgehend eine Mitteilung über den Todesfall. Seine Hauptabteilung Pass- und Meldewesen informierte bereits am 14. Juni 1965 die Abteilung Innere Angelegenheiten beim Rat des Kreises Potsdam über den „Sterbefall im Ausland“. Die Meldekarte der Innenabteilung beim Potsdamer Kreisrat enthält zu Werner Gambke den folgenden handschriftlichen Eintrag vom 10. August 1965: „Beim Grenzdurchbruch von den Grenzorganen erschossen.“ Gambkes Mutter erhielt am 13. August 1965 im westfälischen Lübbecke hingegen die Mitteilung, „daß Ihr Sohn anläßlich seiner Reise in die Volksrepublik Bulgarien im Juni 1965 durch Selbstverschuldung tödlich verunglückt ist“ und dort beigesetzt worden sei. Margarete Gambke möge sich zur Nachlassregelung an das Staatliche Notariat Potsdam (Land) wenden. Sie erhielt jedoch keine Informationen über seine Todesumstände, den Todestag, den Sterbe- und Begräbnisort.
Diesbezügliche Anfragen Margarete Gambkes leitete das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland an die Volksrepublik Bulgarien weiter. Darauf antwortete der Verteidigungsrat der Gemeinde Mogilica im Gebiet Smoljan am 1. März 1966: „Ihr Sohn hatte das Ziel, die Grenze unseres Landes auf illegalem Weg zu überschreiten. Aus diesem Grunde hat er sich von seiner Gruppe abgesondert.“ Da er nahe der griechischen Grenze auf zweimalige Anrufe nicht reagierte, wurde er „im Tal `Košute´ im Rayon der Gemeinde Mogilica in der Nähe der Grenzpyramide 121 erschossen und an derselben Stelle vergraben, wo er getötet wurde.“ Ein Versuch der Mutter Gambkes, mit Hilfe eines Journalisten weitere Angaben über den Tod ihres Sohnes von griechischen Behörden zu erhalten, blieb vergeblich.
Auch die Nachlassregelung zog sich für Margarete Gambke lange hin. Das Staatliche Notariat Potsdam (Land) erfragte von ihr am 30. Dezember 1966 lediglich längst bekannte Personendaten. Erst am 31. Mai 1968 erhielt sie vom Amtsgericht Lübbecke (Westfalen) die Nachricht, dass ihr die DDR endlich einen Erbschein ausgestellt hatte. Zu diesem Zeitpunkt lag der Tod ihres Sohnes fast drei Jahre zurück.