Friedrich Karl Bruhn wurde am 15. September 1950 in Stralsund geboren. Er hatte einen älteren und einen jüngeren Bruder. Sein Vater war als Architekt bei der Industrieprojektierung Stralsund beschäftigt. Seine Mutter war Hausfrau.
Die Familie Bruhn entstammte gutbürgerlichen Verhältnissen. Das 1901 errichtete Wohnhaus am Knieperdamm 10 wurde einst von Friedrich Karl Bruhns Großvater, dem Elementarlehrer Paul Bruhn, erbaut und blieb auch während der Zeit der DDR Eigentum der Familie. Die „Villa Bruhn“, wie das Haus bis heute genannt wird, ist ein prachtvolles, durch seinen historisierenden Stil der niederländischen Renaissance auffallendes Gebäude der Stralsunder Knieper-Vorstadt. Es hatte seinerzeit einen großen Vorgarten und nach hinten hin einen eigenen Zugang zur Parkanlage Brunnenaue, die schon zu Biedermeier-Zeiten im vorhergehenden Jahrhundert angelegt worden war. Diese privilegierte Wohn- und Lebenssituation lässt erahnen, dass das Leben der Bruhns im „Arbeiter- und Bauernstaat“ für die Familie nicht immer reibungslos gewesen sein könnte. Zudem hatten sie Verwandtschaft in der Bundesrepublik: Der Onkel väterlicherseits, Mediziner, lebte in Baden-Württemberg. Ein weiterer Aspekt, der vermuten lässt, dass die Familie unter staatlichen Schikanen zu leiden gehabt haben könnte.
Friedrich Karl Bruhn und seine Brüder verstanden sich untereinander gut. Alle drei waren sehr sportlich, auch wenn sie nie in einem Verein aktiv waren. Die gesamte Familie schien Friedrich Ludwig Jahn und dem Turnen sehr verbunden gewesen zu sein: Über der Windfangtür des Hauseinganges war der Türsturz mit dem Wahlspruch „frisch, fromm, fröhlich, frei“ beschrieben und im Wohnzimmer hingen Turnringe. Zudem besaß der Vater einen Tauchanzug, die unmittelbare Nähe zum Wasser scheint entsprechend genutzt worden zu sein. Abgesehen von der häuslichen Möglichkeit zur körperlichen Betätigung hatte Friedrich wohl keine festen Hobbies. Dennoch war er in seiner Freizeit unternehmungslustig: Im Sommer ging er mit Freunden regelmäßig schwimmen; im Winter ging es, sobald der erste Schnee lag, gemeinsam im Park hinter dem Haus zum Rodeln. Ein wenig abenteuerlustig war er auch: Während eines Skiurlaubes bewies er seinen Mut, als er von einer kleinen Schanze sprang.
Friedrich Karl Bruhn, von vielen einfach Friedel genannt, war ein beliebter freundlicher Mensch vom eher stillen und ernsten Typ. Ihm war schon früh klar, dass er einmal Medizin studieren und die DDR verlassen möchte. Sein Herz war von einem bestimmten Fernweh erfüllt: Einer Schulfreundin erzählte er, dass er unbedingt mal in Schweden leben möchte. Mit einem derartigen Gedanken war er in seiner Familie nicht der einzige. Sein älterer Bruder hatte Ende der 1960er Jahre mit seiner Freundin versucht, über Ungarn die DDR Richtung Westen zu verlassen. Beide wurden jedoch gefasst und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Dieses Ereignis und das spätere Schicksal um Friedrich Karl Bruhn führten zu Repressionen gegen die Hinterbliebenen der Familie Bruhn. Der Vater wurde beruflich degradiert und arbeitete als Gärtner weiter.
Friedel war ein sehr guter und talentierter Schüler, gar einer der Besten aus seiner Klasse. Nach der Grundschule besuchte er erst die Polytechnische Oberschule (POS) Lambert Steinwich (heute Montessori-Grundschule “Lambert Steinwich”) und war dann auf der Erweiterten Oberschule (EOS) „Hansa“ (heute Hansa-Gymnasium Hansestadt Stralsund), um das Abitur zu machen. Auf der EOS mussten er und seine Schulkameraden zur verpflichtenden vormilitärischen Ausbildung antreten. Während die Mädchen in dieser Zeit Küchendienst hatten, waren die Jungen gezwungen, ins Wehrlager zu gehen und dort schießen zu lernen, was dem jungen Stralsunder nicht behagte.
Für ein Studium der Medizin war damals noch das Latinum erforderlich. Um dieses während der Schulzeit zu erwerben, musste man an der EOS „Hansa“ in eine sogenannte K-Klasse (Kombination Naturwissenschaften/Sprache) gehen. Mit dem Zeugnis der 11. Klasse folgte dann die Bewerbung für das Medizinstudium. Im Zuge des 12. Schuljahres erhielt Friedrich Karl Bruhn jedoch eine Ablehnung für seinen Wunschstudiengang. Dass sein Lebensentwurf von institutioneller Seite eine Absage erhielt, mag den endgültigen Ausschlag dafür gegeben haben, dass er die DDR verlassen wollte. Er brachte dem Taucheranzug seines Vaters sehr viel Interesse entgegen. Wahrscheinlich war in ihm schon der Plan erwachsen, dass sein Weg aus der DDR durch das Wasser gehen sollte. Doch der Vater schien etwas zu ahnen und zerschnitt ebendiesen Anzug, sodass er unbrauchbar wurde.
Innerhalb seines Freundeskreises soll Friedel zum Ausdruck gebracht haben, dass er nach erfolgter Abiturprüfung die DDR verlassen wolle. Dieser Äußerung wurde wohl nicht so viel Glauben geschenkt, da alles darauf hindeutete, dass er 1969 nach dem Abitur anstelle des gewünschten Faches das Studium der Physik in Rostock aufnehmen wollte – so wie sein zu dieser Zeit enger und etwas älterer Freund Manfred Schefuß, der schon seit September 1967 in Rostock für ebendiesen Studiengang immatrikuliert war.
Mit Manfred Schefuß verband ihn aber nicht nur das scheinbare Interesse für die gleiche Studienrichtung, sondern auch der Wille, die DDR zu verlassen. Sie sollen sich Neoprenanzüge selber gefertigt und eine motorisierte Schwimmhilfe ähnlich eines Aquascooters gebaut haben. Das Fluchtvorhaben sollte wohl bei Dranske, im nordwestlichen Teil der Insel Rügen, umgesetzt werden. Von hier ließ sich die bei guter Wetterlage sichtbare dänische Halbinsel Møn erreichen. Am 10. Mai 1969, einem Samstag, verschwanden die beiden jungen Männer.
Aus einer am 15. Mai 1969 erstellten Lochkartei der Staatssicherheit lässt sich entnehmen, dass die beiden am 10. Mai 1969 gegen 15:00 Uhr die Wohnung Bruhns verlassen haben und seither nicht zurückgekehrt waren. Es wurde seitens der Stasi zuerst vermutet, dass sich die beiden mittels des Hafenausweises von Schefuß, der dort neben dem Studium arbeitete, Zutritt zum Seehafen Rostock verschafft und sich auf einem ausländischen Schiff versteckt hätten. Aus diesem Grund wurde gegen beide in Abwesenheit? ein Ermittlungsverfahren gemäß § 213 StGB („Ungesetzlicher Grenzübertritt“) eingeleitet und Haftbefehl erlassen.
Laut eines Eintrags vom 3. April 1970 auf der Karteikarte blieb ein weiteres Lebenszeichen der beiden bis zu diesem Zeitpunkt aus. Die Eltern hatten Suchmaßnahmen über das Rote Kreuz eingeleitet, welche jedoch ergebnislos verliefen. Ein einige Jahre später vorgenommener Eintrag vom 30. März 1971 erwähnt die Aussage eines Inoffiziellen Mitarbeiters, welcher mit Bruhn zur Schule gegangen war. Dieser gab an, dass sich ein weiterer Bekannter ihm gegenüber äußerte, dass er den beiden geholfen hatte, zu fliehen, aber noch keine Nachricht darüber hatte, ob die gut angekommen waren. Um wen es sich dabei handelte, ist nicht belegt. Bis heute bleiben Friedrich Karl Bruhn und Manfred Schefuß verschollen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie in der Ostsee ertranken und das Meer sie bei sich behalten hat.