Anton Kreim erblickte am 25. Juni 1935 das Licht der Welt. Sein Geburtsort war die Gemeinde Mantov (dt. Mantau) im Bezirk Stříbro in der Tschechoslowakischen Republik. Er war das einzige Kind von Anna Kreim, geborene Hartl (Jahrgang 1906), und des Bergmanns Anton Kreim (Jahrgang 1905). Beide Eheleute und ihre Eltern stammten ebenfalls aus dem Bezirk Stříbro oder aus dem benachbarten Bezirk Domažlice.
Anton Kreim (Junior) zog mit seinen Eltern im Jahr 1938 nach Folmava, ein Dorf im Bezirk Domažlice, weil der Vater in der nahen Gemeinde Furth im Wald hinter der Staatsgrenze im bayerischen Landkreis Cham arbeiten konnte. Ab November 1938 gehörte Anton Kreim (Senior) als Hilfskraft zu der Grenzaufsicht des Dritten Reiches in okkupierten Bezirken Westböhmens und dann Südmährens. Seine Familie durfte eine bessere Wohnung in Vollmau (einst: Folmava) beziehen. Hier wuchs Anton Kreim (Junior) bei seiner Mutter während des Zweiten Weltkrieges auf. Sein Vater wurde als Hilfszollassistent in besetzten Gebieten eingesetzt, im Osten Polens, im Westen Weißrusslands und im Süden Frankreichs. Ab November 1944 nahm der deutsche Zollgrenzschutz an der Westfront mit eigenen Bataillonen an Kampfhandlungen teil. Dabei geriet Anton Kreim (Senior) in Kriegsgefangenschaft.
Kurz nach dem Kriegsende überfielen tschechoslowakische Partisanen und Soldaten das Dorf Vollmau und vertrieben die überlebenden Deutschen über die Grenze nach Bayern. Anna Kreim und ihr zehnjähriger Sohn Anton flohen zu Verwandten nach Dieberg im Landkreis Cham und kamen später in ein Übergangslager in Furth im Wald. In dieser Stadt wohnten sie dann nahe der früheren Heimat. Ihre einstige Wohnung in Folmava (Vollmau) war nun Teil eines Zollamtsgebäudes der Tschechoslowakischen Republik. Einige Verwandte der Familie Kreim durften in Chotěšov bleiben, da sie mit tschechoslowakischen Staatsbürgern verheiratet waren.
Anton Kreim (Junior) war 13 Jahre alt, als sein Vater 1948 aus der Kriegsgefangenschaft in Frankreich zurückkam. Der ehemalige Bergmann und Zöllner blieb mit seiner Familie in Furth im Wald, war zunächst arbeitslos und später in einer Glas- und Lederfabrik tätig. Seit 1950 beschäftigte ihn eine lokale Textilfirma als Handelsvertreter. Seine Frau Anna arbeitete in diesem Betrieb als Schneiderin. Ihr Sohn absolvierte fünf Klassen einer Volksschule und drei Klassen einer Bürgerschule. Nach dem Schulabschluss erlernte er den Schreinerberuf. Der Jugendliche trat einem Stenografen-Verein bei und machte dort die Bekanntschaft seiner späteren Ehefrau, der in Furth im Wald 1936 geborenen Karolina Merdan.
Nach absolvierter Tischlerlehre war Anton Kreim (Junior) in einer Kofferfabrik beschäftigt. Er meldete sich dann freiwillig zum Bundesgrenzschutz (BGS). Den Dienst nahm er zunächst als Oberjäger bei der Passkontrolle auf und spielte später in einem Musikkorps an der deutschen Grenze zur Schweiz. Waldhornspielen und Lesen zählten zu seinen Hobbys. Zuletzt war Kreim wohl in der BGS-Kaserne Neuhof in Deggendorf (Bayern) stationiert. Da ihm das Kasernenleben beim BGS wenig behagte, ließ er sich 1957 zum Zoll versetzen.
Er trat seinen Zolldienst in Trogen an. Die Gemeinde lag im Landkreis Hof an der innerdeutschen Grenze zu Sachsen. Bald darauf arbeitete er an der Zollstelle in Prex, einer Gemeinde im Landkreis Hof unweit der Grenze zur Tschechoslowakei. Dabei geriet er in das Blickfeld der tschechoslowakischen Staatssicherheitsorgane, deren Leute versuchten, mit ihm an der Grenze Kontakt aufzunehmen. Anton Kreim lehnte diese Verbindungsaufnahme ab. Sein Vater riet ihm vermutlich, sich aus dem Einsatzgebiet versetzen zu lassen. Dem Gesuch wurde im August 1958 entsprochen. Nachdem er die Zollfachschule in Bad Gandersheim (Niedersachsen) besucht hatte, wurde er als Zollassistent nach Kritzenthal bei Waldmünchen – wieder an die bayerische Grenze zur Tschechoslowakei versetzt. Erneute Kontaktversuche des tschechoslowakischen Geheimdienstes blieben ohne Erfolg und wurden 1966 eingestellt .
Anton Kreim und seine Verlobte Karolina Merdan heirateten am 5. August 1960. Die Eheleute Kreim bekamen am 14. November 1962 in Furth im Wald ihren Sohn Christian. Hier war Anton Kreim in den 1960er Jahren im Zollkommissariat und überwiegend im Zollgrenzdienst eingesetzt. Bisweilen half er im Grenzzollamt Furth im Wald / Schafberg aus. Dort erwarben Anton Kreim und seiner Ehefrau gemeinsam mit Kreims Eltern im Habichtweg 9 ein Grundstück für den Bau eines Familienhauses. Daher bewarb er sich um auch um seine Dienstversetzung nach Furth im Wald / Schafberg.
Nachdem eine Stelle im Zollamt Furth im Wald/ Schafberg frei geworden war, arbeitete Anton Kreim seit dem 1. Oktober 1969 in diesem Grenzposten. Die Dienstgebäude des Zolls und der Grenzpolizei standen links und rechts der grenzüberschreitenden Bundesstraße 20 etwa 200 Meter südwestlich der vom Flüsschen Pastritz markierten Grenze. Das Zollamt Furth im Wald/ Schafberg lag gegenüber der tschechoslowakischen Zoll- und Passkontrollstelle Folmava (früher Vollmau). Anton Kreim arbeitete im Schichtdienst. Der Vorsteher des Grenzzollamtes Furth im Wald, Zollamtmann Franz Platzer, beurteilte den Zollobersekretär folgendermaßen: „Im Wesen ruhig, überlegt und ausgeglichen, vielseitig verwendbar und zuverlässig mit gutem Diensteifer und Dienstauffassung. Er brachte durchaus gute Leistungen. Das Verhalten zu seinen Kollegen war ehrlich und kameradschaftlich. […] Kreim benahm sich auch den Tschechen gegenüber korrekt. […] Mir ist bekannt, daß Kreim im jetzigen Zollamt Vollmau seine Kindheit verbracht hat. Mir ist nie aufgefallen, daß Kreim zu irgendeiner Person in der Tschechei Verbindungen unterhalten hätte.“
Kreims Vater fiel auf, dass sein Sohn außerhalb des Dienstes kaum etwas unternahm, „die letzten Jahre kam er, wie man so sagt, aus der Arbeitskleidung nicht mehr raus“. Karolina Kreim arbeitete halbtags als Büroangestellte. Sie und ihr Mann bauten auf dem erworbenen Grundstück mit erheblicher Eigenleistung ein Haus, in das sie im September 1971 mit Kreims Eltern einziehen konnten.
Vor ihrem einstigen Haus an der tschechoslowakischen Grenzstelle Folmava traten am 14. Oktober 1972 der Streifenführer Zdeno J. mit zwei Kameraden um 18 Uhr den Wachdienst an. Der 20-jährige war bereits stark alkoholisiert und schlief deshalb nach Dienstbeginn fast eine Stunde lang in einer Baubude, den die Grenzer als Unterstand am Schlagbaum nutzten. Er hatte zuvor größere Mengen Bier und Sliwowitz getrunken, was seine Vorgesetzten mit der Begründung ignorierten, Zdeno J. sei ein erfahrener Grenzer, der das verkraften könne. Etwa um 19 Uhr erklärte er, sich zur Kontrolle einer östlich gelegenen Mannschaftsunterkunft begeben zu wollen. Stattdessen überquerte er aber die deutsche Staatsgrenze und lief bis zur Grenzstation Furth im Wald/ Schafberg. Seine Maschinenpistole und 40 Schuss Munition trug er bei sich.
In der Grenzstation Furth im Wald / Schafberg war Zollobersekretär Anton Kreim mit seinem Pkw gegen 18:40 Uhr eingetroffen, um ab 19:00 Uhr die Nachtschicht anzutreten. Mit seinem Kollegen, dem Zollhauptsekretär Alois Breu, begann er den Nachtdienst im Abfertigungsraum. Kreim verließ gegen 19:15 Uhr den Abfertigungsraum und ließ dabei die Türe zum Treppenabgang etwas geöffnet. Nach einer oder zwei Minuten hörte Breu die Hinterhoftüre des Zollgebäudes quietschen und nahm an, dass sein Kollege zurückkehrte. In diesem Moment muss Anton Kreim am Hintereingang den stark alkoholisierten Zdeno J. entdeckt haben, worauf er versuchte, sich in das Zollhaus zurückzuziehen. Daraufhin schoss der ČSSR-Grenzsoldat auf Kreim und flüchtete zurück über die Grenze. Anton Kreim stürzte in den Rücken getroffen zu Boden. Sein Kollege, der den Schuss gehört hatte, eilte herbei und fand Anton Kreim stöhnend vor der Hinterhoftür. Breu lief daraufhin zum Hauptausgang des Zollgebäudes und rief dem dort Diensthabenden zu, einen Notarzt und die Polizei anzufordern.
Der Sanitäter Georg Roßberger und dessen Ehefrau, die ebenfalls als Rettungshelferin ausgebildet war, trafen mit einem Ambulanzfahrzeug gegen 19:30 Uhr im Zollamt ein. Dort lag Anton Kreim bäuchlings auf der linken Körperseite gekrümmt über der Steintreppe zum Keller. Die Zolldienstuniform war vom Blut durchtränkt. Der Tod war bereits eingetreten. Bei der Obduktion am 16. Oktober 1972 wurde festgestellt, dass ein Projektil in Höhe von Kreims Gürtellinie etwa drei Zentimeter rechts der Wirbelsäule in der Nierengegend eingeschlagen war. Es hatte den Bauchraum, die Dickdarmschlinge, die Dünndarmschlingen, die Leber, die Lendenwirbelsäule, den fünften Wirbelkörper durchschlagen und war „an der rechten vorderen Bauchseite“, etwa fünf Zentimeter über dem Nabel ausgetreten. „Massive Blutaustritte in den Bauchfellraum“ waren die Folge der schweren Verwundungen.
Noch am Abend des 14. Oktober 1972 verfolgten bayerische Grenzpolizisten und Zollbeamte mit Suchhunden die Spuren in der Umgebung des Zollgebäudes. Sie entdeckten zwei Fährten, von denen eine bis zur Brücke über das Grenzflüsschen Pastritz verlief. Auch die zweite Fährte konnte bis zur Pastritz an die Grenze nachverfolgt werden. Es handelte sich offenbar um den Hin- und Rückweg einer Person.
Nachdem ihm das Ergebnis der Spurensuche mitgeteilt wurde, fuhr Polizeiamtmann Reif von der Grenzpolizeiinspektion Furth im Wald zu dem Leiter der ČSSR-Passkontrollstelle Folmava, Major Flok. Reif teilte ihm die Tötung des deutschen Zollbeamten mit und bat um Ermittlungen durch die ČSSR, wohin der Täter offenbar geflüchtet war. Reif fiel auf, „daß Major Flok, den er schon 8 Jahre lang [kannte], sehr niedergeschlagen war. Zudem fragte Flok sehr gereizt, mit welcher Waffe der Zollbeamte denn erschossen worden sei.“ Major Flok versprach jedoch, seine Vorgesetzten in der Regionalhauptstadt Pilsen um die Aufnahme von Ermittlungen zu ersuchen. Die deutsche Seite würde dann über die Fahndungsergebnisse informiert.
Die bayerischen Ermittler am Tatort fanden am Tatort auf der ersten Stufe vor der Kellerabgangstür eine Patronenhülse. Das zugehörige Projektil des Kalibers 7,62 Millimeter, das Anton Kreim getroffen hatte, lag am Fußboden des Zollabfertigungsraums. Die Kriminalpolizei Regensburg rekonstruierte den wahrscheinlichen Tatverlauf, wonach „der Schuß aus Hüfthöhe des Schützen […] außerhalb oder zumindest unter der geöffneten Hinterhoftüre abgefeuert“ wurde.
Das Bayerische Landeskriminalamt München teilte am 16. Oktober 1972 der Kriminalpolizei Regensburg die Resultate der ballistischen Untersuchung mit. Folglich wurde die 1960 hergestellte tschechische Patrone „mit großer Sicherheit aus dem tschechischen Sturmgewehr Kalaschnikow, Modell 1958, verfeuert“. Die waffentechnische Untersuchung der sichergestellten Patronenhülse und des Projektils hatten somit den „Verdacht bestärkt, daß der Täter nur aus der ČSSR gekommen und nach der Tat dorthin zurückgeflüchtet sein konnte.“
Kreims Vorgesetzter, der Zollamtmann Franz Platzer, vermutete bei seiner Zeugenvernehmung durch die Bayerische Landespolizei am 27. Oktober 1972: „Meiner Meinung nach wurde Kreim nur zufällig das Opfer […, wobei] der Täter von tschechischer Seite gekommen sein mußte. Dafür gäbe es in erster Linie nur die Erklärung, daß ein [Grenzwach-] Mann einen Flüchtling verfolgt hat.“
Unmittelbar nach der Tat war der betrunkene Streifenführer Zdeno J. im Abenddunkel über die Staatsgrenze in die ČSSR geflüchtet. Er erreichte mit der Maschinenpistole in der Hand gegen 20 Uhr die Wachstation am Schlagbaum und wies den dortigen Grenzsoldat Zdenek S. an, den Grenzabschnitt zu sichern sowie auf Deutsche, die sich dem Schlagbaum näherten, ohne Vorwarnung zu schießen. Dann ging er in den Unterstand und schlief dort auf einer Liege ein.
Die Nachricht, dass ein deutscher Zollbeamter erschossen worden war, hatte sich rasch verbreitet. Während auf der bayerische Seite Polizei- und Zollermittler eintrafen, befragten hinter der Grenze bereits ČSSR-Untersuchungsführer den Soldaten Zdeněk S. zum Hergang der Ereignisse. Nach dem Verhör befahlen sie ihm, seinen schlafenden Kameraden in der Baubude zu entwaffnen. Zdeno J. wurde dann gefesselt und zum Verhör in die Wachstation geführt. Dort gestand er die Tat in Deutschland und gab an er habe aus Angst auf den deutschen Zöllner geschossen, als dieser ihm plötzlich im bayerischen Zollamtsgebäude gegenüberstand. Noch in der Nacht wurde Zdeno J. in ein Gefängnis nach Prag überführt und dort ärztlich untersucht.
Am nächsten Morgen wurden Zdeněk S. und ein anderer Zeuge zur Grenzbrigade nach Domažlice gebracht und nach einer weiteren Vernehmung in das Gefängnis im Prager Stadteil Ruzyně überführt. Bei seiner nach drei Tagen erfolgten Haftentlassung musste Zdeněk S. wie auch alle anderen Grenzsoldaten, die von dem Vorfall wussten, eine Schweigeverpflichtung unterschreiben. Nach Folmava kehrten diese Grenzer nicht mehr zurück. Sie beendeten ihren Grundwehrdienst bei der Grenzwachenleitung in Prag-Smíchov.
Bereits am 15. Oktober 1972 eröffneten die Ermittler des Militärischen Abwehrdienstes der ČSSR ein Strafverfahren gegen Zdeno J. Der Grenzsoldat wurde einer schweren Pflichtverletzung an einer wichtigen Staats- und Militärgrenze beschuldigt. Der gegen ihn eingeleitete Strafprozess behandelte allerdings lediglich ein militärisches Wachvergehen. Der Tatbestand der Tötung oder der Verdacht eines Mordes blieben in dem Verfahren unberücksichtigt. Zdeno J. musste in Untersuchungshaft. Der Beschuldigte gab seine Aussage am 16. Oktober 1972 in Prag zu Protokoll. Zwei Tage später ergänzte er seine Aussagen bei der Vernehmung durch die Oberste Militär-Staatsanwaltschaft in Příbram: „Mir wurde ein Beschluß über die auferlegte Haftstrafe übergeben.“ Seine Beschwerde gegen diese Untersuchungshaft blieb vergeblich.
Das Strafverfahren gegen Zdeno J. in der ČSSR erfolgte unter strenger Geheimhaltung. Zollamtmann Franz Platzer sagte gegenüber der Bayerischen Landespolizei am 27. Oktober 1972 aus: „Seit der Tat habe ich schon ein paar Mal mit dem Kommandanten der Paßkontrolle in Vollmau, Major Flok, gesprochen. Er […] versprach mir, Untersuchungsergebnisse auf tschechischer Seite mitzuteilen. Bisher habe ich nichts erfahren.“ Dementsprechend belog Major Flok am 20. November 1972 auch den Leiter der Grenzpolizeiinspektion Furth im Wald, „daß auf tschechischem Gebiet keinerlei Erkenntnisse vorliegen würden, die zur Aufklärung der Tat beitragen könnten.“ Auf den Einwand, „daß Kreim mit einer tschechischen Waffe und Munition erschossen worden sei,“ entgegnete Flok lediglich, „daß diese Waffen in Deutschland auch vorhanden wären.“
Die ČSSR-Militärjustiz bezog die Tötung von Anton Kreim erst am 26. Februar 1973 in ihr geheimes Strafverfahren gegen Zdeno J. ein. Ohne davon zu wissen, stellte die Kriminalpolizei Regensburg am 8. März 1973 bei der Staatsanwaltschaft Amberg eine „Anzeige gegen Unbekannt wegen Mordes.“ Die Anzeige enthielt die bisherigen Ermittlungsergebnisse der Bayerischen Landespolizei und den Hinweis: „Das Motiv ist nur in der Verdeckung einer Grenzverletzung zu sehen. […] Wahrscheinlich war der Täter bei der […] Suchaktion nach einem Flüchtling beteiligt“.
Da auch die staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen zur Tötung Anton Kreims nach einem Jahr ohne weiterführende Resultate blieben, beendete die Staatsanwaltschaft Regensburg die Ermittlungen am 12. Oktober 1973: „Das Verfahren wird eingestellt, da der Täter unbekannt ist. Gründe: Zollobersekretär Anton Kreim dürfte von einem Angehörigen der tschechischen Grenztruppen erschossen worden sein.“
Nur wenige Tage zuvor, am 9. Oktober 1973, hatte auf der anderen Seite der Grenze die Oberste Militär-Staatsanwaltschaft Pilsen ihre geheime „Haftanklage“ gegen Zdeno J. erhoben. Die Beschuldigung betraf aber wieder nur seine schwere Wachdienstverletzung, die „eine besondere staatliche und militärische Bedeutung hatte“. Eine „weitere unabhängige Strafverfolgung der Sache“ verwies die Oberste Staatsanwaltschaft der ČSSR noch im Oktober 1973 an die Oberste Militärstaatsanwaltschaft in Příbram. Das Militärgericht Pilsen verurteilte Zdeno J. am 8. November 1973 dann nicht wegen der Tötung des deutschen Zollbeamten, sondern lediglich wegen „besonders grob fahrlässiger“ Wachdienstverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren ohne Bewährung in einer „Erziehungs-Besserungsanstalt (I. Grades)“ in Prag.
Am 8. Mai 1974 klagte die Militärstaatsanwaltschaft den Sträfling Zdeno J. dann doch noch wegen fahrlässiger Körperverletzung mit Todesfolge an. Der genauen Tatablauf wurde in dem Verfahren nicht geklärt. Eine vorsätzlichen Straftat schloss die Anklage aus. Die Anklageschrift verschwieg, dass die Straftat auf fremdem Staatsgebiet gegen einen deutschen Staatsbürger erfolgt war. Das Militärgericht Pilsen hob am 30. Mai 1974 seine frühere Haftzumessung auf und setzte eine Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren in einer Korrektionshaftanstalt fest. Das neue Strafurteil rechnete den bereits verbüßten Freiheitsentzug an und wurde am 31. Mai 1974 rechtskräftig. In dem Urteil hieß es, Zdeno J. habe den Tod eines Menschen durch unvorsichtigen Umgang mit seiner Waffe verursachte. Bei der Strafzumessung ging das Militärgericht Pilsen strafmildernd davon aus, dass Zdeno J. die fahrlässige Tötung eines Menschen in stark alkoholisierten Zustand verschuldet habe.
Der vor das Militärgericht Pilsen geladene Zeuge Zdeněk S. erinnerte sich später an einen pseudojuristischen Strafprozess: „Vor der Verhandlung teilte mir ein Oberst mit, daß er mir im Gerichtssaal eine Frage stellen werde und ich mit einer genauen Satzformulierung darauf zu antworten habe […] und auf die vorher eingeübte Frage antwortete ich, wie mir vorher aufgetragen wurde. Damit war die Sache für mich beendet. Den Urteilsspruch habe ich niemals erfahren.“ Nachdem der Verurteilte Zdeno J. eine Haftstrafe von zwei Jahren verbüßt hatte, kam er am 30. Oktober 1974 vorzeitig auf Bewährung frei.
Erst sieben Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs leisteten Ermittlungsbehörden der Tschechischen Republik Amtshilfe zur öffentlichen Aufklärung des Todesfalls von Anton Kreim. Das Prager Amt zur Dokumentation und Ermittlung der Verbrechen des Kommunismus informierte deutsche Behörden am 2. Juli 1997 über die Identität des Mannes, der 25 Jahre zuvor den deutschen Zollbeamten erschossen hatte. Zur erneuten Überprüfung des damaligen Geschehens trafen sich Ermittler beider Staaten am 23. September 1996. Nachfolgend übergab die tschechische Seite im April 1997 fallrelevante Schriftdokumente an die Staatsanwaltschaft Amberg.
Die tschechischen Justizbehörden entschieden sich im September 1997 gegen eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegen den Todesschützen, weil „die slowakischen Behörden […] eine Auslieferung sowie eine Verfolgungsübernahme abgelehnt hätten“. Zedeno J. lebte zu dieser Zeit in der slowakischen Stadt Sereď. Die Staatsanwaltschaft Regensburg eröffnete dennoch im Oktober 1997 „ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Mordes zum Nachteil des Zollobersekretärs Anton Kreim“. Denn einzig „der Tatbestand des Mordes nach § 211“ des Strafgesetzbuches war nicht verjährt und immer noch straffällig. Da jedoch dem Täter eine Mordabsicht nicht nachweisbar und ein Totschlagsverbrechen bereits verjährt war, stellte die Staatsanwaltschaft Regensburg im Dezember 1998 ihr Ermittlungsverfahren ein und teilte der Familie Kreim mit, dass der Fall nicht neu aufgerollt wird.
Christian Kreim entschied sich sieben Jahre nach dem Tod seines Vaters selbst für den Dienst beim Zoll. Im Zollgebäude Furth im Wald/ Schaftberg, dem Todesort seines Vaters, war er später jahrelang eingesetzt. Hier fühlte er sich nach eigener Aussage vom verstorbenen Vater beschützt und immer sicher.