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Biografisches Handbuch

Friedrich Klein

geboren am 23. September 1943 in Berlin | in der Ostsee verstorben in der Nacht vom 3. auf den 4. Februar 1962 | Ort des Vorfalls: Ostsee
Friedrich Klein versuchte Anfang Februar 1962 gemeinsam mit Ernst-August Utpadel die DDR mit einem Faltboot über die Ostsee zu verlassen. Bei dem Versuch kamen beide ums Leben.

Friedrich Klein, von seinen Freunden Fritz genannt, wurde am 23. September 1943 in Berlin geboren. Er lebte bei seiner Familie in Berlin-Niederschöneweide und legte dort im Sommer 1961 an der Klement-Gottwald-Oberschule das Abitur ab. Er besuchte dieselbe Klasse wie Ernst-August Utpadel, sein späterer Fluchtpartner.

Es ließ sich nicht mehr in Erfahrung bringen, warum Klein die DDR verlassen wollte. Er handelte so zielstrebig, dass seine Motivation zumindest als eine sehr starke eingeschätzt werden kann. Bereits ein halbes Jahr nachdem er das Abitur erlangt hatte, fragte er im Januar 1962 einen Klassenkameraden, ob dieser bereit sei, mit ihm die Flucht aus der DDR zu wagen, wenn er dafür einen Weg wüsste.

Dieser hatte abgelehnt und so fragte Friedrich Klein seinen Klassenkameraden Ernst-August Utpadel, der zusagte. Wie der Plan, den Friedrich Klein federführend entwickelt hatte, aussah, lässt sich nur noch aus den Ermittlungsprotokollen der DDR-Sicherheitsbehörden, vor allem des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) und der Volkspolizei, rekonstruieren. Anfang Februar 1962, wahrscheinlich am 2., einem Freitag, mietete Friedrich Klein einen Trabant, mit dem die beiden sich am folgenden Sonnabend nach Rügen begaben. Zuvor hatte Klein einen Einbruch begangen und dabei ein Faltboot mit Motor gestohlen.

Auf Rügen wurden die beiden noch an einer Tankstelle gesehen – wahrscheinlich von einem Funktionsträger der zahlreichen, in den Grenzschutz an der Küste eingebundenen Sicherheitsorgane der DDR, denn die beiden wurden nicht nur gesehen, es wurde auch eine Personenbeschreibung von ihnen angefertigt und übermittelt. Menschen mit Booten waren diesen Akteuren grundsätzlich suspekt, besonders an der Küste außerhalb der Urlaubssaison.

Wahrscheinlich in der Nacht vom 3. auf den 4. Februar legten die beiden dann von der Insel Rügen ab, um die DDR zu verlassen. Üblicherweise nahmen sich die Flüchtlinge, die Rügen als Ablandeort wählten, vor, die dänischen Inseln Møn oder Bornholm zu erreichen. Das gelang den beiden aber nicht. Im (vorliegenden) Obduktionsprotokoll zu Friedrich Klein wurde auch die Wetterlage in dieser Nacht verzeichnet: Westwind Stärke 5 bis 6 bei Temperaturen zwischen 0,5 und 2,5 Grad Celsius. Unter diesen Bedingungen ist eine Ostseeüberquerung mit einem, wenn auch motorisierten, Faltboot aussichtslos.

Dass die zwei Freunde dennoch den Versuch nicht abbrachen, spricht für ihre Entschlossenheit, aber auch für den Verfolgungsdruck, den die beiden wohl erahnten. Viele Flüchtlinge wurden nach abgebrochenen Fluchtversuchen noch ermittelt und festgenommen. Schon den Strand mit der Ausrüstung erreicht zu haben war ein Erfolg, dessen Wiederholung schwierig geworden wäre. Zusätzlich dazu war sein Fluchtpartner Ernst-August zwar ein guter Segler, aber die Bestimmungen zum Segelsport, die in der DDR galten, hatten auch in seinem Falle zuverlässig dafür gesorgt, dass er keinerlei Vorstellungen von den Anforderungen hatte, die die Ostsee an Menschen und Material stellt.

Wie genau die beiden zu Tode gekommen sind, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Im Obduktionsprotokoll von Friedrich Kleins Leiche verweisen die Obduzenten darauf, dass es Hinweise auf einen Ertrinkungstod gebe, dieser aber auch aufgrund der langen Liegezeit nicht mehr eindeutig nachgewiesen werden kann. Kleins Leiche war erst am 2. Juni 1962, ein halbes Jahr nach dem Ablegen, geborgen worden. In der abschließenden Einschätzung der Obduktionsergebnisse von Friedrich Klein heißt es zum Fluchtversuch und der wahrscheinlichen Todesursache der beiden: „Da das Faltboot bei den herrschenden Witterungsbedingungen nicht als seetüchtig angesehen werden kann, besteht der Verdacht, dass das Boot entweder kenterte oder die Insassen infolge Unterkühlung handlungsunfähig wurden und dadurch über Bord gingen.“ Anzeichen für äußere Gewalteinwirkung konnten die Obduzenten nicht feststellen, was darauf hindeutet, dass ihr Tod ohne Fremdverschulden eingetreten war. Dieser Einschätzung schloss sich auch die Zentrale Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität (ZERV) im Januar 1995 an.

Das Faltboot und der Trabant wurden wenige Tage später auf Rügen gefunden. Die Eltern der beiden hatten jeweils Vermisstenanzeigen aufgegeben und die Volkspolizei brachte diese aufgrund der vorliegenden Personenbeschreibungen schnell mit den Funden in Zusammenhang und vermutete eine aus Sicht der DDR illegale Ausreise über die Ostsee. Die Eltern wurden aber jeweils erst über den Verbleib ihrer Söhne informiert, als deren Leichen gefunden wurden. In Friedrich Kleins Fall geschah das am 2. Juni 1962, als Urlauber seine bekleidete Leiche am Strand von Hiddensee entdeckten. Zwei Tage später fand die Sektion der Leiche in Greifswald statt und im Juni 1962 wurde die Asche von Friedrich Klein im Familiengrab auf dem Friedhof Berlin-Karlshorst beigesetzt.


Biografie von Friedrich Klein, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/442-friedrich-klein/, Letzter Zugriff: 21.11.2024