Werner Arnold Dierßen wurde am 18. Januar 1950 in Remscheid geboren. In seinem siebten Lebensjahr siedelte seine Familie mit ihm aus der Bundesrepublik in die DDR über. Sein letzter bekannter Wohnort befand sich in Magdeburg, wo er als Transportarbeiter in einer Kartonagenfabrik tätig war. Werner war verheiratet.
Über seine Fluchtmotive lässt sich nur mutmaßen: Dierßen besaß ein auffälliges Vorstrafenregister, welches im Zeitraum von 1969 bis 1974 zu wiederholten Verurteilungen aufgrund von mehrfachen Diebstählen persönlichen und staatlichen Eigentums und dem Missbrauch von Scheck- und Kreditkarten führte. Im Jahr 1971 wurde er für vier Monate inhaftiert, 1974 erneut mit acht Monaten Freiheitsentzug bestraft. Die wiederkehrenden Zusammenstöße mit dem Justizsystem der DDR und die Aufenthalte in den Gefängnissen mögen Gründe gewesen sein, dass in Dierßen der Wunsch wuchs, die DDR zu verlassen.
Am Abend des 24. Mai 1977 lernte Werner Dierßen in der Tanzbar des Cafe Moskau in der Karl-Marx-Allee in Berlin Annerose Lippmann kennen. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Ausreiseanträge gestellt, die alle abgelehnt wurden. Die beiden führten ein intensives Gespräch, in dem Dierßen Lippmann seine Absichten bezügliches eines Fluchtversuchs in der westlichen Ostsee offenbarte. Er erzählte ihr auch, dass er bereits Vorbereitungen getroffen habe. Dazu zählte, dass Dierßen seiner Familie ein Scheckbuch entwendet hatte und so durch das Ausstellen und Einlösen gefälschter Schecks ungefähr 5000 bis 6000 Mark besaß. Von diesem Geld hatte er am 19. Mai 1977 ein Ein-Mann-Faltboot erworben, welches er am 25. Mai 1977, dem Tag nach dem Kennenlernen der Annerose Lippmann, in einem Gewässer am Berliner Stadtrand auf Funktions- und Tragefähigkeit prüfte.
Noch am selben Abend besuchte Werner Annerose in ihrer Wohnung in Berlin-Friedrichshain. Er übernachtete bei ihr und die beiden trafen weitere Absprachen bezüglich ihres Fluchtvorhabens, welches sie unverzüglich am nächsten Tag durchsetzen wollten. Die kurzen zeitlichen Abstände zwischen dem Kennenlernen, den Fluchtvorbereitungen und dem Fluchtversuch lassen erahnen, wie wichtig es den beiden gewesen sein muss, schnell aus der DDR heraus zu kommen.
Am 26. Mai 1977 gingen die beiden Fluchtwilligen gegen 13 Uhr aus Lippmanns Wohnung. Bevor sie Berlin verließen, verstaute Werner Dierßen sein Gepäck, bestehend aus einem Koffer und einem Beutel, im Schließfach Nummer 80 des Bahnhofs Berlin-Friedrichsstraße. Wie Annerose Lippmann und Werner Dierßen an die Ostseeküste gelangten, kann nicht rekonstruiert werden. Bekannt ist jedoch, dass die beiden trotz widrigen Wetters am 26. Mai 1977 nach Einbruch der Dunkelheit von der Westküste Poels Richtung Lübecker Bucht ablandeten. Die unruhige See führte dazu, dass sie, vermutlich noch in Strandnähe, ein erstes Mal kenterten und ihre Ausweisdokumente verloren. Dieser Umstand zwang Lippmann und Dierßen ihr Vorhaben trotz gefährlicher Umstände fortzusetzen, vermutlich aus Furcht vor weiterer Strafverfolgung und Repressionen, die ihnen bei einer Festnahme gedroht hätten.
Die Behörden der DDR vermuteten zunächst, dass zumindest Annerose Lippmann die Fluchtgelungen sei. So verkündete die Kreisdienststelle Wismar der Bezirksverwaltung Rostock des MfS nach einer Meldung der Deutschen Presse-Agentur (dpa), dass ein unbekanntes Schiff eine lebende Frau aufgenommen habe. In einer weiteren Nachricht wurde der Fund einer männlichen Wasserleiche durch ein weiteres Schiff der Bundesrepublik gemeldet. Doch am 5. Juni 1977 wurden Personaldokumente und persönliche Gegenstände von Annerose Lippmann in Timmendorf/Poel gefunden. Zwölf Tage später, am 17. Juni 1977, strandete in Brook (Kreis Grevesmühlen) das Faltboot. Auch der Gepäckaufbewahrungsschlüssel von Werner Dierßens Schließfach wurde angespült und ihm zugeordnet.
Aufgrund dieser Funde stellten die Mitarbeiter des Grenzschutzes Berechnungen an, die ergaben, dass Lippmann und Dierßen in der Nacht vom 26. auf den 27. Mai 1977 wahrscheinlich noch in den Hoheitsgewässern der DDR, ausgangs der Wismarer Bucht, gekentert und dabei ertrunken waren.
Werner Dierßens Leiche wurde am 16. Juli 1977 gegen 19:55 Uhr an einem Abschnitt des unbewachten Badestrandes zwischen Neuhaus und Graal-Müritz aufgefunden. Er wurde auf dem Dorffriedhof von Dierhagen beigesetzt.