Der 20-jährige Werner Gerecke, ein gelernter Dreher, arbeitete als Fahrer beim FDJ-Kreisvorstand in Aue. Am Dienstagmittag, dem 5. Oktober 1948, brachte er den Gewerkschaftssekretär der IG Bergbau Gerhard Wolter (Jg. 1929) mit dem PKW „Hanomag“ des FDJ-Kreisvorstandes zu einer Versammlung nach Oberwiesenthal. Wolter trat dort im Auftrag des SED-Kreisvorstandes als Referent auf. Nach der Versammlung suchte Wolter gegen 17:00 Uhr im „Sporthotel“ den ebenfalls bei der IG Bergbau in Aue beschäftigten Gewerkschaftsfunktionär Kurt Steinke (Jg. 1919) auf, der sich seit dem 15. September 1948 zu einem Erholungsurlaub in Oberwiesenthal befand. Wolter bot seinem Kollegen an, ihn im Dienstwagen zurück nach Aue mitzunehmen. Gegen 20:30 Uhr brachen die beiden mit Gerecke als Fahrer in Oberwiesenthal auf. Wolter saß auf dem Beifahrersitz und Steinke auf dem Rücksitz des Fahrzeugs. Unterwegs beschwerte sich Steinke darüber, dass Gerecke sehr langsam fuhr und fragte ihn, wann er denn bei diesem Tempo in Aue ankommen wolle. Gerecke antwortete, er könne nicht schneller fahren, da sie gerade das Sperrgebiet durchquerten. Derweil diskutierten die beiden Gewerkschaftsfunktionäre angeregt über die Weltlage, den Generalstreik der französischen Bergarbeiter, über die Machtübernahme der Kommunisten in der Tschechoslowakei und über die Berliner Luftbrücke. Der ältere von beiden, Kurt Steinke, äußerte Zweifel an den Erfolgsaussichten der sowjetischen Blockade, während der 19-jährige Gerhard Wolter davon überzeugt war, dass West-Berlin bald aufgeben müsse. Werner Gerecke beteiligte sich nicht an der Diskussion, hörte aber aufmerksam zu.
Währenddessen näherte sich das Fahrzeug der Grenze zur Tschechoslowakei bei Rittersgrün. Als eine dort am Schlagbaum postierte Streife das Fahrzeug aus Richtung des Ortes Tellerhäuser auf der Staatsstraße näherkommen sah, stellte sich Wachtmeister Werner Appelt auf die Straßenmitte und gab mit seiner am Koppel befestigten Taschenlampe rote Haltesignale ab. Die Grenzpolizisten hatten wegen einer laufenden Großfahndung Anweisung, alle Fahrzeuge im Grenzgebiet zu kontrollieren. Wenige Tage vorher waren zwei Grenzpolizisten durch einen Wagen, dessen Fahrer ihre Stoppzeichen missachtet hatte, angefahren und tödlich verletzt worden.
Als der von Gerecke gesteuerte „Hanomag“ noch etwa 30 Meter entfernt war, trat Appelt an den Straßenrand, um gemeinsam mit seinem Kollegen Max Schuster die angeordnete Insassenkontrolle vorzunehmen. Schuster hatte unterdessen seinen Karabiner von der Schulter genommen und hielt ihn im Hüftanschlag. Ob Gerecke, durch die Diskussion der beiden Gewerkschaftler abgelenkt, das Haltesignal nicht wahrgenommen hatte oder ob er das Beiseitetreten des Wachtmeisters als Aufforderung zur Weiterfahrt fehlinterpretierte, ist unklar. Jedenfalls stoppte er das Fahrzeug nicht, sondern fuhr mit etwa 40 km/h an den beiden Grenzpolizisten vorbei. Steinke sagte später aus, er habe Gerecke in diesem Moment angesprochen, „du, das waren doch Grenzpolizisten. Gerecke gab mir daraufhin keine Antwort. Kurz danach hörte ich einen Schuß und einen Einschlag im Wagen.
Gerecke zuckte zusammen und legte sich langsam auf die rechte Seite.“ Den Schuss hatte Wachtmeister Max Schuster aus etwa 30 Metern Entfernung abgegeben. Das Projektil schlug hinter dem Wagen auf der Straße auf, drang dann als Querschläger durch die Rückseite des Fahrzeugs und traf Gerecke in den Rücken. Wie Gerhard Wolter später aussagte, sackte Werner Gerecke röchelnd zu ihm auf den Beifahrersitz. Er selbst habe dann das Steuer ergriffen und mit dem linken Fuß die Bremse erreicht. Noch bevor der Wagen vollständig zum Stehen kam, sprang Steinke heraus. Er öffnete dann von außen die Fahrertür und hob Werner Gerecke gemeinsam mit Wolter und dem herbeigeeilten Wachtmeister Appelt aus dem Wagen. Als sie ihn auf die Straße legten, stellten sie fest, dass Gerecke nicht mehr am Leben war. Die Obduzentin, Dr. Kubatsch aus Breitenbrunn, stellte als Todesursache eine Verletzung der Hauptschlagader fest.
In ihren ersten Stellungnahmen sagten beide Wachtmeister aus, Max Schuster habe, bevor er in Richtung des Wagens schoss, einen Warnschuss abgegeben. Diese Behauptung wurde durch die Befragung von Anwohnern sowie der Fahrzeuginsassen Steinke und Wolter widerlegt. Keiner der Befragten hatte zwei Schüsse gehört. In einer weiteren Vernehmung am 17. Dezember 1948 gab Schuster die “Abgabe eines gezielten Schusses” zu. Weiter sagte er: “Es ist mir bekannt, daß ich dadurch gegen die Instruktion verstoßen habe. Ich bitte jedoch zu berücksichtigen, daß der Dienst an der Grenze wirklich gefährlich ist und an diesem Tag eine Großfahndung ‘Spiwatschuk’ ausgeschrieben war.”
In den Ermittlungsunterlagen aus dem Jahr 1948 befindet sich auch eine Stellungnahme der Grenzpolizei Sachsen, Grenzbereitschaft III, Chemnitz, in der Max Schuster bescheinigt wurde, „pflichtbewußt gehandelt“ zu haben. In diesem vom Leiter der Grenzpolizei Sachsen, Wähnert, unterzeichneten Schreiben heißt es weiter: „Im Zusammenhang mit der letzthin ergangenen Großfahndung Spiwatschuk kann dem Wachtmeister Schuster für sein unerschrockenes Handeln nur Anerkennung zuteil werden. Heute waren es bedauerlicherweise Angehörige der demokratischen Organe, morgen können schon Saboteure, Spitzel oder Spione in dieser Art mit Angehörigen der Grenzpolizei zusammentreffen. Wenn Schuster auf Grund irgendeines Paragraphen heute zur Verantwortung gezogen würde, weil er vielleicht erst einen Warnschuß hätte abgeben müssen, wird morgen die Sicherheit der Grenzen nicht mehr gewährleistet sein – weil die Grenzpolizisten ihre schwere Aufgabe vom politischen Standpunkt aus betrachten müssen. In solchen Fällen, in denen sofort entschlossenes Handeln notwendig erscheint, um eine Gefahr abzuwenden, kann nicht irgendein Paragraph, der die Möglichkeit des Eingreifens im positiven Sinne nimmt, Leitmotiv unserer politischen Volkspolizei sein. Um entsprechende weitere Bearbeitung wird im Interesse der fortschrittlichen Arbeit gebeten.“
Dennoch wurden Walter Appelt und Max Schuster wegen ihrer zunächst falschen Angaben aus dem Polizeidienst entlassen. Schuster kam für zwei Monate in U-Haft, aus der er ohne Gerichtsverfahren entlassen wurde. Von 1953 bis 1958 wurde er wieder in den Volkspolizeidienst eingestellt, später arbeitete er bis zur Rente im Eisenwerk Pfeilhammer als Schweißer. Von 1950 bis 1962 gehörte er der SED an, aus der er auf eigene Veranlassung austrat.
Nach der Wiedervereinigung nahm die Zentrale Ermittlungsstelle Regierungs- und Vereinigungskriminalität (ZERV), Staatsanwaltschaft II Berlin, die Ermittlungen zum Tod von Werner Gerecke wieder auf und vernahm am 12. März 1996 Max Schuster in Pöhla. Schuster verneinte die Frage, ob er nach seiner Einstellung bei der Grenzpolizei am 1. Januar 1948 eine Unterweisung über die damals geltenden Schusswaffengebrauchsbestimmungen erhalten habe. Auch habe er bei der Grenzpolizei keine Ausbildung an der Waffe erhalten, „weil man davon ausging, daß ich das bei der Wehrmacht gelernt hatte“. Die ZERV stellte das Ermittlungsverfahren gegen Max Schuster am 3. Juni 1996 ein, da es keinen hinreichenden Tatverdacht für einen Totschlag gebe und die von Schuster bekräftigte Aussage aus dem Ermittlungsverfahren von 1948, er habe auf den Hinterreifen des Fahrzeugs gezielt, nicht zu widerlegen sei.