Am 1. März 1964 erblickte Jens Wenda in Plauen das Licht der Welt. Von 1970 bis 1980 besuchte er dort die Polytechnische Oberschule. Am 1. September 1980 begann er seine Lehre als Baufacharbeiter, die er 1982 abschloss. Danach war er bei der Deutschen Reichsbahn beschäftigt, ab Oktober 1984 als Gleisbauer. Im Dezember 1985 wurde er jedoch entlassen. Daraufhin war er im Warenhaus Plauen tätig, zuerst als Transportarbeiter, später dann bis zum April 1989 als Fachverkäufer. Im Anschluss daran ging er einer Beschäftigung als Kioskleiter nach. Vier Jahre lang, von September 1980 bis Oktober 1984, war er Mitglied des FDGB.
Bereits seit 1983 spielte Jens Wenda mit dem Gedanken, in die Bundesrepublik auszureisen, doch erst 1986 nahm dieser Plan konkrete Formen an. Am 14. Januar 1986 stellten er und seine damalige Ehefrau beim Rat der Stadt Plauen einen Antrag auf Übersiedlung nach Westdeutschland. Beide hatten erst einen Monat zuvor, am 14. Dezember 1985, geheiratet. Ihren Antrag begründeten sie unter anderem mit den beschränkten Reisemöglichkeiten in der DDR. Sie träumten von Reisen in westliche Touristenländer oder den nahen und fernen Osten. Die eingeschränkte persönliche Freiheit und ständige politische Bevormundung waren weitere Gründe für die beabsichtigte Ausreise aus der DDR. Das junge Paar wollte sich nicht länger den geltenden Zwängen aussetzen. Es meinte, alles sei politisch durchorganisiert, und nur Mitglieder politischer Parteien oder Organisation hätten Aufstiegschancen. Auch mit der Bildungs- und Erziehungspolitik sowie dem einseitigen Kulturprogramm waren sie nicht einverstanden, da es die zeitgenössische moderne Kunst, Malerei und Graphik kaum einbezog. Nach einer Aussprache mit dem Ehepaar notierte ein Sachbearbeiter der Abteilung Innere Angelegenheiten des Rats der Stadt Plauen am 22. Januar 1986 etwas ungelenk: „Sie interessieren sich für Malerei und Graphik wie sie gegenwärtig demonstriert wird. Die Maler der 60er Jahre z.B. Sitte und Bergander, die nur den arbeitenden Mensch darstellten, lehnen sie ab.“ Wie diesem Protokoll weiter zu entnehmen ist, verwies Jens Wenda mit Bedauern auf das Ende der “Malzhauszeit”. Das Malzhaus war ein im Jahre 1973 in Plauen gegründeter unkonventioneller Jugendclub, der regelmäßig Lesungen, Kunstgespräche, Podiumsdiskussionen und Folkmusik-Konzerte organisierte. Die Veranstaltungen fanden ohne politische Einflussnahme statt. Der Club hatte sich als feste Größe in der Plauener Kulturszene etabliert, was allerdings zur umfangreichen Überwachung durch die Staatssicherheit führte. Im Sommer 1982 wurde das Malzhaus unter dem Vorwand geplanter Baumaßnahmen durch die Behörden geschlossen.
Jens Wenda war Pazifist. Den Wehrdienst wollte er verweigern, sollte ihm die Einberufung in die Nationalen Volksarmee zugehen. Eine Konfrontation mit der Volkspolizei bestärkte ihn im Oktober 1985 in seiner Entscheidung, die DDR zu verlassen. Die Volkspolizisten hatten ihn während einer Polizeikontrolle misshandelt, weil er einen bereits abgelaufenen und somit ungültig gewordenen Grenzschein vorwies. Beschwerde habe er, so Jens Wenda in der Aussprache mit den Vertretern des Rates der Stadt Plauen am 22. Januar 1986, wegen dieser Misshandlung nicht geführt, da er nicht an eine Entschuldigung oder Rehabilitation von Seiten der Polizei glaubte. In der DDR sah er jedenfalls für sich und seine Ehefrau keine Zukunft mehr. Wie diese Zukunft nach einer Ausreise aussehen sollte, wusste das Paar genau. Nach ihrer Registrierung im Aufnahmelager Gießen wollten sie in den Raum Stuttgart ziehen, da dort Freunde und Bekannte wohnten, die einige Jahre zuvor ebenfalls ausgereist waren und von denen sie sich Unterstützung erhofften. Die Eltern Jens Wendas wussten über die Ausreisepläne Bescheid, die Schwiegereltern hingegen sollten erst nach der erfolgten Ausreise informiert werden.
Aufgrund ihrer “sturen, hartnäckigen Haltung” sagte der Rat der Stadt Plauen den Eheleuten Wenda Ende Januar 1986 die Prüfung ihres Ausreiseantrages zu. In der Zwischenzeit erteilte der Rat ihnen die Auflagen, die Normen des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu achten, die Gesetze der DDR einzuhalten und ihre Arbeitsaufgaben gewissenhaft zu erfüllen. Zudem sollten sie nicht mit ausländischen Institutionen, Organisationen oder Bürgern in Verbindung treten.
Die Prüfung des Antrages durch den Rat der Stadt Plauen ging mit der Befragung von Personen aus dem Umfeld der Ausreiseantragsteller einher. Die entsprechenden Informationen holte das Volkspolizei-Revier Plauen, ABV Abschnitt 11 ein. Für den Arbeitsbereich wurde der Kaderleiter des Warenhauses Plauen, Genosse Klaus K. befragt. Er charakterisierte Jens Wenda als ruhigen, anständigen, höflichen und hilfsbereiten Kollegen, der seine Arbeiten zufriedenstellend erledigte. Der im Wohnumfeld befragte Ulrich N. lebte in unmittelbarer Nachbarschaft und war als Freiwilliger Helfer der Volkspolizei tätig, d.h. er unterstützte ehrenamtlich die Volkspolizei bei der Kontrolle des öffentlichen Lebens. In den meisten Fällen beschränkten sich ihre Aufgaben allerdings auf Streifengänge im Wohngebiet und Auskünfte über Nachbarn. Ulrich N. konnte jedoch nicht viel zu den Lebens- und Verhaltensweisen von Jens Wenda in Erfahrung bringen, da dieser noch nicht lange in der Plauener Rähnisstraße lebte. Gesellschaftspolitisch war er dort bisher kaum in Erscheinung getreten. Die wenigen Informationen, die Ulrich N. zu Ohren gekommen waren, ließen ihn jedoch zu der Beurteilung kommen, dass die Lebens- und Verhaltensweisen Jens Wendas zwar geordnet, seine Einstellung zur Politik der DDR jedoch als sehr negativ einzuschätzen sei.
Die Bearbeitung des Ausreiseantrages lief noch, als sich ein knappes Jahr später die Pläne der Eheleute änderten. Mit Schreiben vom 28. Dezember 1986 baten sie nun darum, die Prüfung ihres Ausreiseantrages einzustellen. Was war geschehen? Einige Tage zuvor, am 17. Dezember 1986, hatte Jens Wenda den Kaderleiter des Warenhauses Plauen gefragt, ob er sich zum Facharbeiter für Lagerwirtschaft weiterqualifizieren könnte. Dieser sicherte ihm eine Qualifizierung ab März 1987 zu. Darüber hinaus ließen sich die Eheleute Wenda, die zwischenzeitlich Eltern geworden waren, scheiden. Eine gemeinsame Ausreise stand nicht mehr zur Debatte.
Trotz seiner erfolgten Qualifizierung zum Facharbeiter für Lagerwirtschaft stellte Jens Wenda am 11. April 1989 einen erneuten Antrag auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR mit gleichzeitiger Übersiedlung in die BRD. Er begründete diesen Antrag damit, dass sich seit seinem Antrag im Jahr 1986 sowohl in der Innen- als auch in der Außenpolitik nichts Grundlegendes geändert habe. Darüber hinaus kritisierte er wiederum die eingeschränkten Reisemöglichkeiten, die Einschränkung der politischen Freiheit, die politische Manipulierung der Bürger, die mangelnde Versorgung sowie das Fehlen eines Wehrersatzdienstes an. Jens Wenda beklagte häufige Gewissenskonflikte, wie er in seiner Antragsbegründung mitteilte, die sich negativ auf sein Arbeits- und Privatleben auswirkten. Auch neigte er zu übermäßigem Alkoholkonsum, was in seinem Arbeitsumfeld zu Auseinandersetzungen führte.
Drei Monate nach der Antragstellung, am 11. Juli 1989, heiratete Jens Wenda erneut und zog zu seiner neuen Ehefrau Birgit, geborene Holler, in die Plauener Schlachthofstraße. Kurz nach der Hochzeit, am 25. Juli 1989, stellte auch Birgit Wenda einen Ausreiseantrag. Bei der Vorsprache im Rat der Stadt Plauen erklärte die gelernte Stepperin und Verkäuferin, dass sie gemeinsam mit ihrem Ehemann in die Bundesrepublik übersiedeln möchte. Eigene Motive für diesen Schritt führte sie nicht an, sondern teilte lediglich mit, sie teile die Beweggründe ihres Mannes. Zu diesem Zeitpunkt war der Ausreiseantrag von Jens Wenda bereits positiv entschieden und lag “in der Auflassung”. Für die nun folgende Abwicklung der genehmigten Ausreise war die Abteilung Innere Angelegenheiten beim Rat der Stadt zuständig. Jens Wenda musste sich von verschiedenen staatlichen Stellen und Behörden auf einer Art Laufzettel bescheinigen lassen, dass er dort keine Verbindlichkeiten hatte und zum Beispiel bei Geld- und Kreditinstituten schuldenfrei war und keine Forderungen gegen ihn vorlagen. Darüber hinaus musste er sämtliche Besitzverhältnisse offenlegen und mitteilen, ob er auf dem Gebiet der DDR Grundbesitz oder Schulden bei Betrieben, anderen Stellen oder Bürgern der DDR hatte. Diese Prozedur nahm viel Zeit und Mühe in Anspruch. Als Grenzübergangsstelle für seine Ausreise war bereits die GÜSt “Gutenfürst” – der innerdeutsche Bahnübergang in Richtung Hof – vorgesehen.
Anfang August 1989 schlug die Leitung der Abteilung Genehmigungsangelegenheiten des Rates der Stadt Plauen vor, auch die ständige Ausreise von Birgit Wenda zu genehmigen. Da ihr Ehemann in der Phase der „Auflassung“ liege und es ihr unumstößlicher Wunsch sei, die ständige Ausreise nach der BRD gemeinsam zu realisieren, zudem auch keine Versagungsgründe vorlagen, wurde der Vorschlag mit der AG 0175, eine Arbeitsgruppe mit Vertretern mehrerer Abteilungen des Rates der Stadt Plauen, sowie mit der Kreisdienststelle des MfS abgestimmt.
Wie lange es nun noch bis zur endgültigen Ausreise dauern würde, wusste niemand. Dass von staatlicher Seite häufig lange Wartezeiten gezielt als Druckmittel eingesetzt wurden, war sicherlich auch den Eheleuten Wenda bekannt. Deshalb suchten sie nach einer anderen Möglichkeit, die DDR verlassen zu können. In der Nacht vom 10. zum 11. September 1989 hatte Ungarn seine Grenze zu Österreich geöffnet und mehrere Tausend in Ungarn ausharrende DDR-Bürger flüchteten in den darauf folgenden Tagen in den Westen. Auch Birgit und Jens Wenda wollten nicht länger warten und den Weg über Ungarn wagen. Vermutlich hatten sie von ihrer bereits genehmigten Ausreise noch nichts erfahren, denn die überlieferten Ausreisedokumente enthalten keine Kopie einer Bewilligungsmitteilung.
Die SED-Führung reagiert auf die ungarische Grenzöffnung, indem sie die Volkspolizeikreisämter anwies, für „gefährdete Bürger“ keine Reisepapiere mehr auszustellen. Eine Einreise nach Ungarn über die ČSSR war damit unmöglich, da die tschechoslowakischen Grenzübergänge ohne DDR-Reisedokumente nicht mehr Richtung Ungarn passierbar waren. Deswegen versuchten Birgit und Jens Wenda am 22. September 1989, gegen 21.20 Uhr, gemeinsam mit Ricarda F. und Ingo H. am Flusskilometer 1764 südöstlich von Komárno, von der ČSSR schwimmend durch die Donau nach Ungarn zu gelangen. Die Strömung des Flusses war jedoch hier so stark, dass Jens und Birgit Wenda zwischen Armeelastkähne getrieben wurden. Sie riefen noch um Hilfe, konnten sich jedoch nicht mehr an der Wasseroberfläche halten. Die beiden anderen Flüchtlinge wurden von Besatzungsmitgliedern der Militärboote aus der Donau gezogen und nach einigen Tagen an die DDR übergeben.
Etwa drei bis vier Tage nach dem Fluchtversuch entdeckte eine Motorbootpatrouille der Grenztruppeneinheit Komárno einige hundert Meter flussabwärts eine Wasserleiche. Da es sich um ungarisches Gebiet handelte, wurde die Dienststelle der Grenztruppen in Ostrihom und Győr verständigt, die einen männliche Toten im Alter von etwa 30 Jahren bargen. Bis heute ist jedoch nicht sicher, ob es sich um die Leiche von Jens Wenda handelte. Eine weibliche Leiche wurde in dieser Zeit auf der tschechoslowakischen Donauseite nicht aufgefunden.
Die Überlebende Ricarda F., hatte sich Anfang des Jahres 1990 mit der Bitte um Hilfe bei der Suche nach den Verschollenen Jens und Birgit Wenda an die Staatsanwaltschaft Plauen gewandt. Zur Aufklärung dieser Vermisstenangelegenheit wurde Ricarda F. an das DDR-Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) verwiesen. Nach ihrer Schilderung der versuchten Flucht ging das MfAA, HA Konsularische Angelegenheiten davon aus, dass das Ehepaar Wenda beim Durchschwimmen der Donau ertrunken sei. Das Generalkonsulat in Bratislava wurde deshalb damit beauftragt, sich an die zuständigen Organe der ČSSR zu wenden und diese um Ermittlungen zu ersuchen. Um eine Identifizierung zu ermöglichen, wurde daraufhin von tschechoslowakischer Seite um detaillierte Informationen zu Jens und Birgit Wenda ersucht. Alter, Größe, Gewicht, besondere Kennzeichen, Hinweise zu eventuell vorgenommenen Operationen oder erlittenen Unfällen der beiden Vermissten sollten eine Identifikation erleichtern. Durch Befragung von Ricarda F. und des Vaters von Birgit Wenda wurden alle wichtigen Angaben zu den Vermissten ermittelt und im Juli 1990 an den Generalstaatsanwalt der DDR, Abteilung Rechtsverkehr übermittelt.
In einem Schreiben der Bezirksstaatsanwaltschaft Bratislava vom 5. April 1990 an den Staatsanwalt des Bezirkes Karl-Marx-Stadt wurde bereits unter Berufung auf die Sachkenntnis des Majors der Grenztruppeneinheit in Komárno, Major Petr Soroka, darauf hingewiesen, dass erfahrungsgemäß leichtere Gegenstände, aber auch Wasserleichen durch die Strömung der Donau an das Ufer der Ungarischen Republik gespült würden und dort nach der vermissten weiblichen Person gesucht werden solle. Doch auch auf der ungarischen Seite wurde die Leiche von Birgit Wenda nicht aufgefunden.
Eine offizielle Todesfeststellung für das Ehepaar war nicht zu ermitteln.