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Biografisches Handbuch

Hans Schmidt

geboren am 31. Juli 1943 in der Gemeinde Ganzlin, OT Tönchow | Suizid am 20. Mai 1988 | Ort des Zwischenfalls: Grenzausbildungsregiment 5 „Gustav Sobottka“, Glöwen
BildunterschriftHans Schmidt
BildquelleBStU
Quelle: BStU
Nach einer disziplinarischen Zurechtweisung durch den amtierenden Kommandeur und den Politoffizier des Regiments erschoss sich Major Hans Schmidt in seinem Büro.

Nach einer Lehre als Schmied verpflichtete sich Hans Schmidt zum Dienst bei den DDR-Grenztruppen, den er am 3. Mai 1961 antrat. Seit 1963 gehörte er der SED an. Er qualifizierte sich als Zugführer in der 1. Grenzkompanie Pötenitz rasch für eine Offizierslaufbahn. Allerdings fiel die Beurteilung seines Abschlusses an der Offiziersschule Plauen im Jahr 1965 nicht sehr positiv aus. Schmidts fachlichen Leistungen seien „nur befriedigend. Als Vorgesetzter ist er sehr scharf und als Schüler führt er einen laschen Dienst durch. Im GW [Gesellschaftswissenschaften]-Unterricht erreichte er ebenfalls nur befriedigende Leistungen. Sein Denken und Handeln steht nicht immer in Übereinstimmung. Er war Parteiorganisator und wurde abgelöst. Im Zug drückt er sich vor gesellschaftspolitischer Arbeit. Er weigerte sich als FDJ-Gruppenorganisator tätig zu werden. Er ist mit vielen Maßnahmen nicht einverstanden und hat darüber des Öfteren abfällige Bemerkungen zu machen. Er steht gerne in Opposition ohne sich darüber Gedanken zu machen. In moralischer Hinsicht ist er nicht gefestigt. Er geht viel aus und neigt zum übermäßigen Alkoholgenuß. Er sucht gerne den häufigen Frauenwechsel. In seinem Wesen ist er liederlich.“ Dennoch wurde empfohlen, „obwohl er Schwächen im Charakter und der Moral hat, kann er bedingt als Zugführer im Grenzdienst eingesetzt werden. Die Aufgabe eines Zugführers dürfe vorerst nicht überstiegen werden. Er muß unter operativer Kontrolle genommen werden. Bei negativen Erscheinungen in Richtung der Moral ist es ratsam ihn im Hinterland einzusetzen.“

Seit 1966 war Hans Schmidt verheiratet, die Eheleute hatten ein Sohn und eine Tochter. Schmidts Schwester und seine Tante waren in die Bundesrepublik geflüchtet. Die nach MfS-Ermittlungen „streng katholische“ Schwester hielt mit beider Eltern Verbindung und besuchte sie. Das machte Schmidt für das MfS zum Beobachtungsfall und erpressbar. Er verpflichtete sich 1967 unter dem Decknamen „Richart“ zur Zusammenarbeit mit der Abwehrabteilung des Staatssicherheitsdienstes in den Grenztruppen. Er sollte aus seiner Einheit über “Einflüsse des Gegners” und andere „politisch negative Erscheinungen“ berichten. Die Beurteilungen seines MfS-Führungsoffiziere fielen zunächst positiv aus. „Übermäßiger Alkoholgenuss“ sei „in der Zeit seiner Zugehörigkeit zur Einheit nicht aufgetreten“. Ein weiterer MfS-Aufpasser schrieb 1971 über Schmidt: „Die in den Unterlagen vorhandenen Hinweise über charakterliche und moralische Schwächen, die insbesondere im Zusammenhang mit dem Genuß von Alkohol und Verbindungen zu Frauen stehen, liegen längere Zeit zurück und hatten keine sichtbaren negativen Auswirkungen.“

Als IM „Richart“ berichtete Schmidt „über organisiertes Alkoholtrinken in der Grenzkompanie“ über Pornohefte, die von Hand zu Hand gingen, über Bummeleien im Dienst, über außereheliche Beziehungen von Offizieren, über „aktives Westfernsehen“ von Offizieren und ihre Westkontakte, über Stabsoffiziere, die NVA-Dienstbooten zum Fischfang auf die Gewässer im Sperrgebiet hinausfuhren. In einzelnen Fällen schlug er Abversetzungen von Soldaten vor, die keinen „klaren Klassenstandpunkt“ hatten. Auch wies er auf die schlechte Bewachung von Landarbeitern hin, die zum Holzschlagen im Grenzstreifen eingesetzt waren. Deren Brigadeleiter habe von Westzöllnern Zigaretten angenommen und später gegenüber einem Grenzsoldaten geäußert: „Der westdeutsche ZGD [Zollgrenzdienst] ist gar nicht gefährlich, alles vernünftige Leute.“ Schmidt monierte, es habe zu „viel Freiheit da vorn“ gegeben. Zu seinen Schwerpunktaufgaben gehörte auch die Früherkennung von Fahnenfluchtabsichten. Als einem Postenpaar seiner Kompanie im Februar 1973 die Fahnenflucht gelang, verteidigte sich Schmidt mit der Aussage, bei den beiden Grenzsoldaten habe es vorher „keine Anzeichen für Aufweichungen“ gegeben. Obgleich er als SED-Mitglied angeblich „konsequent die Politik der Partei“ vertrat, kam es in der SED-Parteiorganisation seiner Einheit zu Diskussionen darüber, dass bei ihm zuhause Westfernsehen geschaut würde. Schmidt war inzwischen zum Kompaniechef der 8. Grenzkompanie Kneese aufgestiegen.

Die MfS-Kontrolleure der Hauptabteilung I registrierten, dass er in seiner Freizeit wieder häufig Alkohol trank, beurteilten aber seine dienstliche Tätigkeit positiv: „Auswirkungen des Alkoholgenusses sind bei dem Gen. Sch. nicht vorhanden, weder dienstlich noch in der Freizeit.“ Die Zusammenarbeit Schmidts mit dem Staatssicherheitsdienst versandete jedoch und es mischten sich in die MfS-Einschätzungen zunehmend kritische Töne. Schmidts „Launenhaftigkeit“ wirke sich auf die Zusammenarbeit negativ aus, er habe häufig Aufträge nur schleppend ausgeführt, darüber Diskussionen begonnen und „nicht bis in letzte Konsequenz ehrlich” berichtet. schrieb der zuständige MfS-Führungsoffizier. „Eine zielgerichtete Arbeit mit dem IM bei der Lösung von personengebundenen Aufträgen kam nicht zustande“. Im Jahr 1979 meinte ein anderer MfS-Mann: „Schmidt hat einen gefestigten Charakter. Er ist zwar launisch und teilweise von Stimmungen abhängig. Einmal ist er sehr kumpelhaft, zum anderen Mal versucht er mit übertriebener Strenge sich durchzusetzen. Diese Charaktereigenschaft wirkt sich negativ auf seine Autorität aus. Schlechte Laune versucht er durch Trinken von Alkohol zu beseitigen. Er trinkt zwar sehr selten, aber dann sehr stark.“ Für den Dienst an der Staatsgrenze galt Hans Schmidt deswegen als unsicherer Kantonist. Er wurde 1977 in das Grenzausbildungsregiment 5 „Gustav Sobottka“ nach Glöwen versetzt, wo er zuletzt im Rang eines Majors als stellvertretender Stabschef eingesetzt war. Der DDR-Staatssicherheitsdienst legte 1984 den seit Jahren wenig kooperativen Inoffiziellen Mitarbeiter „Richart“ wegen Perspektivlosigkeit zu den Akten. In der MfS-Abschlußeinschätzung wird bemängelt, „seit ca. 1978 ist zu verzeichnen, daß der IM ihm übertragene Aufgaben zeitlich verscheppte“. Die „familiären Verhältnisse“ Schmidts seien „geordnet, ebenfalls die finanziellen Verhältnisse“.

Im Grenzausbildungsregiment Glöwen wurde Schmidt wegen seines Alkoholproblems mehrfach dienstlich ermahnt und „Erziehungsmaßnahmen“ unterworfen. Nach Angaben seiner Vorgesetzten gab es „neben positiven militärischen Leistungen als Stellv. Stabschef und Oberoffizier Innerer Dienst“ wiederholt Auseinandersetzungen in der SED-Parteiorganisation über seinen Alkoholkonsum. Schmidt erhielt deswegen im Mai 1984 eine Parteirüge und im November 1984 eine strenge Parteirüge ausgesprochen. Er wurde aber trotz seiner Alkoholabhängigkeit auf seinem Posten belassen.

Nach Angaben von Verwandten äußerte Hans Schmidt 1987 im privaten Umfeld mehrfach die Absicht, einen Antrag auf Entlassung aus dem Militärdienst und Versetzung in die Reserve zu stellen. Auch habe er gesagt, „wenn ich nur wüßte, wo ich arbeiten könnte, dann würde ich weggehen“. Namentlich beklagte er sich über die Behandlung durch den Leiter der Politabteilung Oberstleutnant Horst Jüttner. Am frühen Morgen des 20. Mai 1988 äußerte Hans Schmidt beim Verlassen seiner Wohnung: „Wie soll ich bloß den heutigen Tag überstehen“.  Auf der für 07:00 Uhr unter Leitung des stellvertretenden Regimentskommandeurs Major Reinhard Koeck angesetzten Wochendienstbesprechung fiel der protokollführenden Sekretärin auf, dass Major Schmidt wieder unter Alkoholeinfluss stand. Sie beschwerte sich über Schmidts Alkoholgeruch bei Oberstleutnant Jüttner.

Major Hans-Gert Richter, Artillerieoffizier des Regiments, sagte bei seiner Vernehmung durch die Schweriner Untersuchungsabteilung des DDR-Staatssicherheitsdienstes über den Verlauf der Dienstbesprechung folgendermaßen aus: „Meines Erachtens wirkte Major SCHMIDT in dieser Besprechung anders als sonst […]. Auch in seinen Antworten gegenüber Major KOECK oder OSL JÜTTNER wirkte er anders als sonst, ich möchte sagen, patzig. In solchem Ton hätte er mit dem Kommandeur nie gesprochen bzw. habe ich [es so] noch nie erlebt. Das war immer ganz korrekt. Zum Ende der Besprechung durften der Sportoffizier Major Pörschke und ich wegtreten. Das war das letzte Mal, daß ich Major SCHMIDT lebend gesehen habe. Ich nehme an, daß er nach unserem Wegtreten `dran war´, also durch den amtierenden Kommandeur zur Einhaltung der militärischen Ordnung und Disziplin ermahnt wurde.“

Das fünfminütige Dienstgespräch, zu dem vier Offiziere mit Hans Schmidt im Besprechungsraum zurückblieben, verlief nach Aussagen des amtierenden Regimentskommandeurs Reinhard Koeck in ruhiger und sachlicher Atmosphäre. Er habe zu Schmidt gesagt, „daß mir seine mangelhafte Vorbereitung zur Dienstberatung nicht gefällt. Weiterhin sagte ich ihm, daß er nicht mit einer ‚Fahne‘ zum Dienst zu erscheinen hat. Major Schmidt antwortete mir, daß so etwas nicht wieder vorkommen wird.“ Oberstleutnant Horst Jüttner, Leiter der Politabteilung des Regiments, erklärte gegenüber der Stendaler Militärstaatsanwaltschaft, er habe in der Besprechung zu Hans Schmidt gesagt: „Seit einigen Tagen hast Du eine Fahne, auch am heutigen Tage und auch am 18.05.88, als wir gemeinsam nach Potsdam fuhren. Ich fordere Dich auf, Dein Verhalten zu ändern.“ Daraufhin habe Major Schmidt geantwortet, daß er begriffen habe und entsprechende Schlußfolgerungen ziehen werde. Auf die Frage, ob es zwischen ihm und Hans Schmidt ein gespanntes Verhältnis gab, antwortete Jüttner, „wenn sich Major Schmidt im angetrunkenen Zustand abfällig“ über ihn geäußert haben sollte, dann könne „das nur mit den Auseinandersetzungen, den Parteiverfahren und den Aussprachen vor der PKK [Parteikontrollkommission] im Zusammenhang stehen“.

Major Norbert Dohse, stellvertretender Kommandeur für Rückwärtige Dienste des Ausbildungsregiments, der gemeinsam mit Hans Schmidt nach dessen Zurechtweisung den Raum verließ, sagte über Schmidts Reaktion: „Gedankenversunken sagte er plötzlich zu mir ‚die wollen mich fertigmachen.‘ Wen er damit meinte, sagte er nicht. Auf meine Antwort reagierte Major Schmidt gar nicht, sondern sagte ‚jetzt schreibe ich mein Versetzungsgesuch‘.“ Danach habe sich Hans Schmidt in sein Dienstzimmer begeben. Als Major Richter ihn dort gegen 11.00 Uhr aufsuchen wollte, um mit ihm eine Zigarre zu rauchen, hörte er beim Öffnen der Vorzimmertür einen Schuss. Er stürzte gemeinsam mit der Sekretärin in das Dienstzimmer. Dort lag Hans Schmidt neben dem Schreibtisch auf dem Boden. Er hatte sich mit seiner Pistole „Makarow“ in die rechte Schläfe geschossen. Auf Schmidts Schreibtisch lag sein aufgeschlagenes Notizbuch mit den hastig niedergeschriebenen Zeilen:

„STKLPA [Stellvertreter des Kommandeurs und Leiter der Politabteilung] und das für Deine Fahne. Ich habe gerne gelebt. Dein Papi. Bringt mich gut unter die Erde. Hansi. Ich war gerne Offizier.“

Der herbeigerufene Regimentsarzt Leutnant Zellweger konnte nur noch den Tod des Majors feststellen. Die noch am selben Tag im Gerichtsmedizinischen Institut des Bezirks Schwerin durchgeführte Obduktion des Leichnams ergab einen Blutalkoholgehalt von 3,1 Promille. Ein Offizier des Grenzausbildungsregiments überbrachte am Nachmittag den Angehörigen von Hans Schmidt die Todesnachricht. Er protokollierte hernach lakonisch: „Der Vater des Major Schmidt nahm die Information sehr gefaßt auf, die Mutter brach zusammen.“

Die Militärstaatsanwaltschaft Stendal und die Bezirksverwaltung Schwerin des MfS schlossen nach ihrer Untersuchung der Todesumstände Schmidts eine Fremdeinwirkung aus. Die Ermittler befragten Offiziere, die an der Wochendienstbesprechung teilgenommen hatten, sowie die Sekretärin Schmidts und eine Verwandte. Als Ergebnis der Zeugenaussagen wurde festgehalten, dass Schmidt nicht nur dienstliche, sondern wegen seiner Alkoholabhängigkeit auch private Probleme hatte. Major Richter deutete den Suizid als „Affekthandlung, die vielleicht auf den gegenwärtigen Stau einer Vielzahl dienstlicher Aufgaben und vielleicht auch auf familiäre Probleme zurückzuführen“ sei. Der Kommandeur des Grenzkommandos Nord reduzierte in dem am Tag des Suizids verfassten Abschlussbericht an das Oberkommando der NVA-Grenze in Pätz Schmidts Handlung auf Alkoholabhängigkeit und familiäre Konfliktlagen. Die Angaben der befragten Zeugen über dienstliche Aspekte und die daraus resultierende Mitverantwortung der militärischen Führung des Grenzausbildungsregiments Glöwen wurden ignoriert.

Militärstaatsanwalt Oberstleutnant Hoßbach konstatierte am 13. Juni 1988: „Ohne daß es eine ärztliche Feststellung dazu gibt, lag bei Major Schmidt eine Alkoholabhängigkeit vor.“ In dem „Erfassungsbogen für Suizide“ hielt der Militärstaatsanwalt fest, „im Vorfeld des Suizids erfolgte weder eine ambulante noch stationäre Behandlung von Major Schmidt.“ Es seien auch keine früheren Suizidversuche festgestellt worden. Da es Schmidt „nicht gelungen war, „den Alkoholgenuß zurückzudrängen oder zu unterlassen“, sei es „zu ständigen Auseinandersetzungen mit seinen Vorgesetzten“ und in Schmidts Familie gekommen. „Der Anlaß zum Suizid war die Aussprache vom 20.05.88.“ Schmidt habe befürchtet, „daß es offensichtlich im Zusammenhang mit dem erneuten Alkoholmißbrauch zu dienstlichen und parteilichen Konsequenzen“ kommen könnte. Die Ermittlungen der Militärstaatsanwaltschaft brachten weiterhin zutage, dass Hans Schmidt in der Woche zwischen dem 16. Und 20. Mai 1988 „7 Flaschen a 0,7 l Goldbrand bzw. Wodka und 1 Flasche a 0,35 l Goldbrand bzw. Wodka während bzw. nach dem Dienst getrunken hat. Es handelte sich um Alkohol, der am 15.05.88 im Zusammenhang mit der Vereidigung im Truppenteil sichergestellt und Major Schmidt als amtierenden Stabschef übergeben wurde.“

BildunterschriftAusschnitt aus der Einstellungsverfügung des Ermittlungsverfahren der MStA Stendal vom 3. Juni 1988
BildquelleBArch Freiburg DVW 13/82294
Abb. 1:

Am 26. Mai 1988 um 14.00 Uhr erfolgte die vom Regiment vorbereitete Beisetzung Hans Schmidts ohne militärisches Zeremoniell und, wie der Stab des Ausbildungsregiments Glöwen mitteilte, ohne Zwischenfälle.

Im Jahr 2007 gab der ehemalige Politoffizier Horst Jüttner, der von 1957 bis 1990 in den DDR-Grenztruppen gedient hatte, ein Buch unter dem Titel „Grenzalarm. Erinnerungen ehemaliger Grenzsoldaten“, heraus. Darin rechtfertigte er das DDR-Grenzregime folgendermaßen: „An der Staatsgrenze West, an der Frontlinie des Kalten Krieges von NATO und Warschauer Pakt, sorgten junge Ostdeutsche für Ruhe und Ordnung. So sicherten sie den Frieden.“ Den Schießbefehl bezeichnet Jüttner als „eine journalistische Erfindung. Es gab ihn nicht. Wir hatten eine Schußwaffengebrauchsbestimmung, die in verschiedenen Dienstvorschriften fixiert war. […] Wer nach 1961 über die grüne Grenze wollte, der wußte, was ihn erwartete. Dennoch rannten sie in ihr Unglück, indem sie ihr eigenes und das Leben von Grenzern zur Disposition stellten.“ In dem Buch erwähnt Jüttner auch den Suizid eines anderen Offiziers seiner Einheit. Er bezeichnet die Selbsttötung wegen privater Probleme als „Abgang“ und „durchschnittlichen Schwund“. In einem am 6. November 2018 ausgestrahlten Fernsehinterview des Senders Berlin Brandenburg (rbb) begründete Horst Jüttner die Zurechtweisung Schmidts nach der Dienstbesprechung am 20. Mai 1988 damit, dass „er so gelallt hat. […] Und dann haben wir ihn zur Rede gestellt und haben ihn des Zimmers verwiesen, weil er da was vortragen sollte und das nicht mehr konnte und dann ist er in sein Dienstzimmer gegangen. […] Die Fahne haben wir auch gerochen. Dann hat es geknallt und dann war er tot.“

Der Stab des Grenzausbildungsregiments Glöwen hätte den alkoholkranken Major vom Dienst entbinden müssen. In den Überlieferungen der DDR-Grenztruppen und des MfS sind zahlreiche Fälle von Versetzungen und Entlassungen aus den Grenztruppen wegen Alkoholmissbrauchs belegt. Der untersuchungsführende Militärstaatsanwalt aus Stendal, Oberstleutnant Hoßbach, stellte in seinen Vernehmungen keinem der vier Stabsoffiziere, die das verhängnisvolle Dienstgespräch mit Hans Schmidt geführt hatten, die Frage nach ihrer Fürsorgepflicht für den offenkundig nicht mehr diensttauglichen Kameraden. Oberstleutnant Jüttner und die drei Majore, die Schmidt nach der Zurechtweisung zur Fortsetzung seines Dienstes abkommandiert hatten, wuschen ihre Hände in Unschuld.


Biografie von Hans Schmidt, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/394-hans-schmidt/, Letzter Zugriff: 21.11.2024