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Biografisches Handbuch

Frank Labuschin

geboren am 21. August 1963 in Zwenkau | erfroren nach dem 14. März 1988 | Ort des Zwischenfalls: bei dem Berg Poledník, Gemarkung der Gemeinde Prášily, Kreis Klatovy
BildunterschriftFrank Labuschin
BildquelleBStU
Quelle: BStU
Am 30. Mai 1988 entdeckte ein Forstarbeiter etwa 4 km vor der bayerischen Grenze bei dem Berg Poledník in einem schwer zugänglichen Waldgebiet eine männliche Leiche. Ein Suchtrupp fand wenig später in etwa 200 m Entfernung eine weibliche Leiche. Aus den mitgeführten Personalpapieren ging hervor, dass es sich um die seit dem 13. März 1988 vermissten DDR-Bürger Frank Labuschin und Heike Bischof handelte.

Am 14. April 1988 sprach Lydia Labuschin auf dem Volkspolizeirevier in Markkleeberg vor und meldete ihren Sohn Frank Labuschin als vermisst. Er sei am 11. März 1988 abends mit dem Auto vorbeigekommen und habe seinen Schlitten vom Boden geholt, um mit seiner Freundin Heike Bischof über das Wochenende in die ČSSR zu fahren. Seither habe sie nichts mehr von ihm gehört. Auch die Mutter Heike Bischofs erstattete in Leipzig eine Vermisstenanzeige, da ihre Tochter nicht wie erwartet am 13. März 1988 nach Hause zurückgekehrt war.

Frank Labuschin erblickte am 21. August 1963 im sächsischen Zwenkau als Sohn von Waldemar und Lydia Labuschin das Licht der Welt. Er erlernte in der Bauabteilung des VEB „Otto Grotewohl“ Böhlen den Zimmermannsberuf, arbeitete aber danach wegen des besseren Verdienstes als Antennenmonteur in Markkleeberg bei einer privaten Antennenfirma. Die Arbeit brachte ihm auch private Aufträge ein. Nach Informationen der Volkspolizei montierte er in Schwarzarbeit nach Feierabend in Privathäusern Fernsehantennen und Anschlüsse. So verfügte er über erhebliche Geldmittel, die er für den Ausbau eines 1986 mit seiner damaligen Lebenspartnerin erworbenen Einfamilienhauses, aber auch für sein Hobby, den Motorsport, aufwandte. Auf Frank Labuschin waren ein PKW „Trabant“ und drei Motorräder zugelassen, darunter zeitweise eine tschechische Motocross ČZ mit nachgebauten Honda-Rahmen, die er für 13.000,- Mark erworben hatte. Mit einem Freund, der seine Leidenschaft für den Motorsport teilte, werkelte er regelmäßig in dessen Garage an den Motorrädern, um sie zu tunen. Im Sommer 1987 äußerte Frank Labuschin gegenüber diesem Freund, er wolle einen Antrag auf Übersiedlung nach Westdeutschland stellen, weil er in der DDR keine Zukunftsperspektive mehr für sich sehe. Während sich seine Lebensgefährtin wegen der „illegalen Vermittlung von Wohnungen“ gegen Bezahlung in Untersuchungshaft befand, lernte Frank Labuschin in der Leipziger Tanzbar „Carola“ die Krankenschwester Heike Bischof kennen und verliebte sich in sie. Im Februar 1988 kaufte er für sie einen roten Lada 2101.

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Seine ehemalige Lebensgefährtin offenbarte während ihrer Untersuchungshaft im November 1987 der Staatssicherheit Labuschins Fluchtpläne und benannte mehrere Personen, die davon wussten. Sie sagte weiterhin aus, Frank Labuschin habe sich seine Lebensversicherung auszahlen lassen und mit einem Freund auf Motorradtouren das Grenzgebiet in der CSSR erkundet. Sie benannte außerdem einen Zeugen, demgegenüber Labuschin geäußert habe, er wolle aus diesem „Scheißstaat“ abhauen. Bei der Zeugenvernehmung auf dem Polizeirevier in Markkleeberg bestätigte dieser Zeuge Labuschins Äußerung. Das meldete das Revier dem Volkspolizeiamt in Leipzig mit dem Hinweis, Frank Labuschin beziehe eine feindliche Haltung gegenüber der DDR. Er habe seit sechs Monaten nicht mehr an seinem Einfamilienhaus gearbeitet. Gerüchteweise sei im Ort davon die Rede, er habe das Haus zum Verkauf angeboten. Eine Personenüberprüfung der Volkspolizei in Leipzig ergab, dass gegen Frank Labuschin seit 1982 wegen „mehrfachen Diebstahls sozialistischen Eigentums“, Körperverletzung und Waffenbesitz Bewährungsstrafen verhängt worden waren.

Nach Eingang der Vermisstenanzeigen vermuteten sowohl die Volkspolizei als auch das Ministerium für Staatssicherheit zunächst eine Flucht von Frank Labuschin und Heike Bischof nach Bayern. Diese Vermutung schien sich zu bestätigen, als das Innenministerium der ČSSR dem DDR-Innenministerium am 15. April 1988 mitteilte, dass der gesuchte rote Lada Labuschins etwa 20 km von der Staatsgrenze entfernt auf einem Parkplatz unweit der Stadt Sušice, Kreis Klatovy, verlassen aufgefunden wurde. Die Kriminalpolizei Leipzig erstattete daraufhin Anzeige gegen Frank Labuschin und Heike Bischof nach § 213 wegen „Verdacht des ungesetzlichen Grenzübertrittes“.

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Zu diesem Zeitpunkt waren Heike Bischof und Frank Labuschin jedoch bereits nicht mehr am Leben. Die Nacht vom 12. auf den 13. März 1988 hatte das Paar in einem Hotel in Český Krumlov (Krumau) verbracht und sich am folgenden Tag in dem Hotel „Šumava“ in Srní (Rehberg) eingebucht. Von dort aus machten sie sich auf den Weg nach Bayern. Sie bestiegen die sog. „Fuchshöhle“ (Liščí díry) in Richtung Poledník und nutzten die stark winterlichen Witterungsverhältnisse zur Überwindung des Signalzauns, der wegen Schneeverwehungen ausgeschaltet war. Am 31. Mai 1988 erhielt die Untersuchungsabteilung des MfS in Leipzig aus ihrem Berliner Ministerium den telefonischen Hinweis über eine Mitteilung der ČSSR-Sicherheitsorgane, wonach ein Forstarbeiter im Revier Prášily zwischen dem ersten und zweiten Grenzzaun etwa 4 km vor der bayerischen Grenze bei dem Berg Poledník (Mittagsberg, 1315 Höhenmeter) am Tag zuvor um 10 Uhr eine bereits stark verweste und durch Tierfraß verunstaltete männliche Leiche hinter dem Signalzaun aufgefunden hatte, die in ihrer Kleidung die Personalausweise von Frank Labuschin und Heike Bischof bei sich trug. Wenig später fand ein Suchtrupp etwa 200 Meter entfernt eine weibliche Leiche. Der Fundort befand sich 1,3 Km unterhalb des Gletschersees von Prášily (Stubenbacher See).

Die Obduktion der beiden Toten im Gerichtsmedizinischen Institut Plzeň (Pilsen) ergab als Todesursache eine langanhaltende Unterkühlung des Organismus, Erschöpfung und schließlich Erfrieren. Durch die aus der DDR gelieferten ärztlichen Informationen über Zahnstand und Blutgruppen stellten die Obduzenten Dr. Ladislav Malý und Dr. Otto Slabý zweifelsfrei die Identität der beiden Toten fest. Im Fundgebiet herrschten um die Zeit da Heike Bischof und Frank Labuschin sich auf dem Weg zur Grenze befanden, Schneegewitter und -stürme, sowie eine Schneehöhe von bis zu 2,5 Meter.

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Der II. Sekretär der Prager DDR-Botschaft, Norbert Huber, fuhr am 13. Juli 1988 zum Gerichtsmedizinischen Institut nach Pilsen und übernahm dort die persönlichen Gegenstände von Heike Bischof und Frank Labuschin. Außer mit Bargeld und ihren Reisepässen hatten sie sich nur mit einem Kompass ausgerüstet. Da in den umliegenden Dörfern des Böhmerwaldes Mutmaßungen zu den beiden Todesfällen kursierten und auch westliche Zeitungen über einen gescheiterten Fluchtversuch berichteten, versuchte die Zeitung Mlada Fronta (Junge Front) des sozialistischen Jugendverbandes der ČSSR unter der Überschrift „Der Böhmerwald kann bestialisch sein“ den Leichenfund im Waldmassiv von Prášily als gescheiterten touristischen Ausflug darzustellen. Das Blatt bezog sich dabei auf eine Meldung der französischen Nachrichtenagentur AFP und behauptete, ein Fluchtversuch sei eher unwahrscheinlich, da die beiden „DDR-Touristen“ ihre persönlichen Gegenstände im Fahrzeug zurückließen, als sie sich auf den Weg zu einem Ausflug machten, der sich dann als „Hazard-Stück“ erwies. Ihre „leichtsinnige Unterschätzung des Terrains und des Wetters“ und die „Überschätzung der eigenen Kräfte“ habe „der winterliche Böhmerwald brutal bestraft“.

Zu ČSSR-Zeiten lag der Polednik unzugänglich in einem Sperrgebiet, da sich auf seinem Gipfel eine Abhöranlage der ČSSR-Sicherheitsorgane für den bayrischen Polizeifunk und militärische Funkverbindungen befand. Unterhalb des Gipfels befand sich zwischen 1951-1991 ein unzugänglicher Truppenübungsplatz namens Dobrá Voda. Heute führt eine Wanderroute vom bayrischen Buchenau etwa 10 km zu einem Aussichtsturm auf den Polednik im Nationalpark Sumava. Das Gelände des ehemaligen Truppenübungsplatzes liegt heute im Naturschutzgebiet des zentralen Böhmerwaldes.


Biografie von Frank Labuschin, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/345-frank-labuschin/, Letzter Zugriff: 21.11.2024