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Biografisches Handbuch

Hans-Joachim Blume

geboren am 10. Juli 1929 in Bad Frankenhausen | gestorben durch Suizid am 22. März 1959 | Ort des Zwischenfalls: Grenzbereitschaft Halberstadt, Bezirk Magdeburg (Sachsen-Anhalt)
BildunterschriftHans-Joachim Blume
BildquelleBStU
Quelle: BStU
Weil er in der Silvesternacht zehn Spezialkanonenschläge an andere Offiziere herausgegeben hatte, musste sich der Waffenoffizier Leutnant Blume einem SED-Parteiverfahren stellen. Er befürchtete nicht nur den Parteiausschluss, sondern auch eine Zuchthausstrafe. Am Morgen des 22. März 1959 nahm er sich in der Waffenkammer der Grenzbereitschaft Halberstadt das Leben.

Hans-Joachim Blume, geboren 1929 in Bad Frankenhausen am Südrand des Kyffhäusergebirges als Sohn eines Tischlers, absolvierte nach der Volksschule eine Lehre bei der Deutschen Reichsbahn als Lokschlosser. Von 1941 bis 1945 gehörte er der Hitlerjugend und nach dem Krieg der FDJ an. Bis 1949 arbeitete Blume als Heizer bei der Reichsbahn. Im Januar 1950 trat er seinen Dienst bei der Volkspolizei der DDR an. Als Streifenführer der Grenzkommandantur Gudersleben erhielt er 1951 wegen der Festnahme eines „illegalen Grenzverletzers vor der Front” eine Belobigung. Sein Klassenbewusstsein, hieß es in einer damaligen Beurteilung, sei jedoch gering ausgeprägt, er habe versucht, in der Schulung „negative Diskussionen zu entfachen. Die Einstellung zur SU ist negativ.” Ansonsten aber sei seine politische Haltung zufriedenstellend. Blume erhielt 1952 einen Verweis, weil er sich während des Streifendienstes schlafen gelegt hatte. Im gleichen Jahr wurde ihm dann eine nunmehr gute Einstellung zur Sowjetunion bescheinigt. In dieser Zeit erhielt er, inzwischen zum Hauptwachtmeister befördert, rundum positive Beurteilungen.

Hans-Joachim Blume war verheiratet und seit 1953 Vater eines Sohnes. Im gleichen Jahr verpflichtete sich Blume unter dem Decknamen „Uranus” zur inoffiziellen Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst. Er berichtete der Stasi über den angeblich unmoralischen Lebenswandel einiger Offiziere der Grenzpolizei, über Alkoholmissbrauch in der Truppe und negative Äußerungen zur SED-Politik. Bereits ein Jahr nach seiner Verpflichtung beurteilte die Operativgruppe Halberstadt des Staatssicherheitsdienstes seine Arbeit als Geheiminformant negativ. Er selbst hatte sich negativ über die SED geäußert und Spitzelaufträge gegen Kameraden nicht zufriedenstellend ausgeführt. Dennoch erwog der Staatssicherheitsdienst, Blume für den hauptamtlichen Dienst einzustellen. Ein entsprechender Antrag wurde 1956 von der Berliner Zentrale abschlägig beschieden, weil drei Geschwister seiner Schwiegermutter in Westdeutschland wohnen würden und sein Bruder, ein SED-Mitglied, vor 1945 in der NSDAP gewesen sei.

Im Jahr 1957 wurde Hans-Joachim Blume zum Offizier befördert und nach mehreren Versuchen auch in die SED aufgenommen. Den Staatssicherheitsdienst informierte er über kritische Äußerungen eines Oberleutnants seiner Truppe zur Niederschlagung des Volksaufstandes in Ungarn durch sowjetische Truppen. Der Offizier wurde nach Blumes Berichterstattung aus der Grenzpolizei ausgeschlossen. Im Juli 1958 brach die Stasi ihre Zusammenarbeit mit Blume ab, da er „nicht ehrlich” sei. Begründung: „Er intrigierte gegen die Partei und wurde durch die PKK zur Rechenschaft gezogen.”

Vor dem Jahreswechsel 1958/59 überließ er als Waffenwart einem Offizier vom Brigadestab für die Silvesternacht zehn Spezialkanonenschläge aus der Waffenkammer. Als sich das herumsprach und Vorgesetzte Näheres wissen wollten, leugnete er zunächst die Herausgabe der Sprengmunition. Am 19. März 1959 hätte sich Blume vor seiner SED-Parteigruppe verantworten müssen. Er befürchtete nicht nur den Parteiausschluss, sondern auch eine Zuchthausstrafe. Einem Kameraden berichtete er hernach, man habe ihn auf der Parteiversammlung in Magdeburg „fertiggemacht”, er werde nun wohl ins Zuchthaus kommen. Man wolle ihn wegen einer Lappalie zur Rechenschaft ziehen und daraus ein großes Ding machen. Am 21. März 1959 wurde Blume erneut von einem Vorgesetzten telefonisch zur Rede gestellt. Nach dem Anruf lief er aufgeregt in der Waffenkammer hin und her, wie ein dort anwesender Grenzer später aussagte. Blume habe auf ihn nach dem Telefonat verängstigt und deprimiert gewirkt. Am nächsten Morgen stand Hans-Joachim Blume früh auf. Laut Aussage eines Untergebenen stand er gegen 7.45 Uhr rauchend und in sich versunken am Ofen des Zugführerzimmers. Um 9.08 Uhr vernahmen zwei Diensthabende der Grenzbereitschaft aus der Waffenkammer einen Knall. Als sie dorthin eilten, sahen sie Leutnant Blume in einer Blutlache auf dem Boden liegen. Er hatte sich mit einem Karabiner durch einen Kopfschuss in die rechte Schläfe selbst getötet. In dem Abschlussbericht der Kriminalpolizei Halberstadt vom 24. März 1959 wurde als Ursache des Suizids „moralische Depressionen” angegeben.


Biografie von Hans-Joachim Blume, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/330-hans-joachim-blume/, Letzter Zugriff: 29.03.2024