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Biografisches Handbuch

Arno Martin

geboren am 15. August 1923 | angeschossen am 22. Juni 1950, gestorben am 23. Juni 1950 | Ereignisort: zwischen Gürth und Doubrava an der Grenze der DDR zur ČSSR
Gemeinsam mit seiner Mutter überschritt Anton Martin zum Heumachen um wenige Meter die Grenze zwischen der DDR und der ČSSR. Das erwies sich als tödliches Verhängnis.

Am 22. Juni 1950 um 20 Uhr trafen der Wachtmeister Bohumil Kupka und der Gefreite Václav Kroupar ihren Dienst an der Grenze an. Beim Patrouillieren erblickten sie am südwestlichen Rand des Waldes bei der Gemeinde Doubrava (Grün) Arno Martin und seine Mutter aus dem nahen Grenzweiler Gürth beim Heumachen. Sie befanden sich auf dem Gebiet der ČSR, gingen in ein Haus auf dem Staatsgebiet der DDR und kehrten mit einer Schubkarre wieder zurück in die ČSR. Dem Grenzverlauf folgend schlichen sich die Grenzsoldaten an, um den Personen, die Flucht in die DDR unmöglich zu machen. Der Wachtmeister Kupka forderte die Personen dazu auf, stehen zu bleiben und die Hände zu erheben. Die Personen folgten zunächst der Aufforderung, der Mann versuchte aber umgehend seine Arme wieder zu senken. Dabei wurde er nochmals aufgefordert, seine Arme zu erheben und auf die Möglichkeit des Schusswaffengebrauchs aufmerksam gemacht. Als Kupka eine Durchsuchung des Mannes durchführen wollte, drehte dieser sich schnell um und schlug Kupka mit seiner Faust gegen die Brust. Daraufhin stürzte Kupka und der Mann flüchtete in Richtung der DDR-Grenze.

Kupka kniete sich hin und rief dem Flüchtenden hinterher, er solle stehen bleiben. Da der Mann weiterlief, schoss Kupka sechsmal mit seinem Maschinengewehr auf ihn. Aus einer Entfernung von ungefähr acht Metern wurde der Flüchtende getroffen, er taumelte noch einige Schritte und stürzte nach etwa 15 Metern zu Boden. Seiner Mutter gelang es unterdessen über die DDR-Grenze zurück zu laufen und den Vorfall der Volkspolizei zu melden. Der durch zwei Schusstreffer verwundete Mann wurde von den Grenzsoldaten auf eine Schubkarre geladen und in ein etwa 300 Meter entferntes verlassenes Haus transportiert. Dort verbanden sie seine Wunden. Kroupar eilte in die Ortschaft Doubrava (Grün) um von der dortigen Fabrik „Ohara“ telefonisch einen Krankenwagen anzufordern. Dies gelang ihm jedoch erst im Gebäude des örtlichen Nationalausschusses. Der Krankenwagen traf ungefähr 15 Minuten nach Kroupars Anruf am Ort des Geschehens ein.

Während Kroupar dann der Grenzkommandantur Meldung erstattet, fuhr Kupka mit dem Verletzten ins Krankenhaus nach Aš (Asch). Während der Fahrt soll Kupka nach eigenen Aussagen von dem Verletzten beschimpft worden sein. Im Krankenhaus in Aš (Asch) diagnostizierte man bei Arno Martin einen Bauchdurchschuss sowie einen Durchschuss des rechten Oberschenkels und eine Zertrümmerung des Oberschenkelknochens. Durch den Bauchschuss waren der Dickdarm und eine Niere Arno Martins verletzt. Eine sofortige Operation konnte das Leben des schwer Verwundeten nicht mehr retten. Arno Martin erlag am 23. Juni 1950 um 6.30 Uhr seinen Verletzungen.

Noch am Tag des Vorfalls trafen sich um 13.30 Uhr Offiziere der tschechoslowakischen Nationalen Sicherheit (SNB) mit den Untersuchungsführern der Deutschen Grenzpolizei und der DDR-Kriminalpolizei. Bei der etwa 25minütigen Besprechung an der Grenze erkannte die DDR-Seite den Schusswaffengebrauch als gerechtfertigt an. Diese Auffassung vertraten auch die tschechoslowakischen SNB-Leute, sie bemängelten jedoch intern das Vorgehen ihrer Grenzsoldaten bei der Festnahme. Als falsch wurde der Umstand angesehen, dass es zu dem Festnahmeversuch unmittelbar an der Grenze kam und dass der Eingriff gegen Personen geführt wurde, die zu weit (ca. 10 Meter) voneinander entfernt standen, was die Flucht der Mutter ermöglichte. In der Erstmeldung des Vorfalls war zudem fälschlich zunächst von drei Einzelschüssen aus einer Pistole die Rede gewesen. Bohumil Kupka, der den Tod Martins zu verantworten hatte, avancierte beim Grenzschutz bis zum Rang des Majors im Jahre 1967 und erfreute sich guter Kaderbewertungen. Nach einem aggressiven Alkohol-Exzess auf dem Bahnhof in Cheb wurde er 1978 in die Reserve versetzt.

Der Vorfall wird in der Literatur von Karel Vodička erwähnt. Der Autor geht dabei davon aus, dass Arno Martin und seine Mutter die Grenze aus Versehen überschritten hatten. Jan Gülzau beschreibt den Ablauf gestützt auf eine Meldung der Volkspolizei etwas anders. Demnach sollte Arno Martin mit einem Transporter der Grenztruppen zu einem Verhör gebracht werden. Er habe versucht sich in dem Fahrzeug der Festnahme zu widersetzen, woraufhin zwei Schüsse gefallen seien, die ihn tödlich verletzten.


Biografie von Arno Martin, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/296-arno-martin/, Letzter Zugriff: 21.12.2024