In den späten Abendstunden des 14. Januar 1981 wurde der zur Bewachung am Ausbildungsgelände Wiederitzscher Weg eingesetzte NVA-Posten Jürgen P. überfallen. Der Täter schlug ihn nieder und entriss ihm die Waffe und 60 Schuss Munition. Der Wachposten sagte später aus, er sei von hinten angefallen und zu Boden geschlagen worden. Der Täter habe ihn dann mit der ihm entrissenen Waffe bedroht und zur Herausgabe der Munition gezwungen. Sodann musste er sich mit dem Kopf zur Erde auf den Bauch legen, der Täter drohte zu schießen, wenn er sich bewege. Nach zehn Minuten habe er gewagt, aufzustehen und Alarm auszulösen.
Wenig später klingelte ein Mann in der Radefelder Straße an mehreren Haustüren und forderte von Anwohnern, die ihm geöffnet hatten, mit vorgehaltener Waffe die Herausgabe eines Fahrzeugs. Nach einem Gerangel mit Hausbewohnern gab der Unbekannte mehrere Schüsse in die Luft ab und entfernte sich in Richtung Slevogtstraße. Als er dort im Kreuzungsbereich Slevogt-, York-, Hans-Beimler-Straße einen Funkstreifenwagen auf sich zukommen sah, eröffnete er sofort das Feuer und verletzte den Volkspolizeimeister Gerhard Gergaut auf dem Beifahrersetz tödlich sowie dessen Kollegen Lutz Hartwig schwer. Der Täter ließ die Waffe zurück und flüchtete. Um 2.30 Uhr wurde eine verdächtige Person in der Georg-Schumann-Straß0e entdeckt und festgenommen. Es handelte sich um den 25-jährigen Anlagenfahrer Helmut C. aus Leipzig. Er wollte nach eigenen Angaben mit der Waffe am Flugplatz Schkeuditz ein Flugzeug kapern und die Besatzung zum Flug in die Bundesrepublik zwingen.
In seiner Kindheit hat es Gerhard Gergaut nicht leicht gehabt. Da seine Mutter im Dreischichtbetrieb arbeitete, blieb wenig Zeit für ihn. Er kam deswegen in das Schulclub Internat Machern. Als er in den Polizeidienst eintrat, wurde er zunächst bei der Transportpolizei eingesetzt, später bei der Volkspolizei in Leipzig. Im April 1972 heiratete er seine Frau Martina. Für seinen Sohn und seine Tochter war er ein liebevoller Familienvater. In seiner Freizeit hörte er leidenschaftlich gern Musik. Er sammelte Amiga-Schallplatten, vorwiegend mit westlicher Popmusik. Martina Gergaut sagt: „Er war ein Beatles-Fan“. Aber auch Elvis Presley hatte es ihm angetan. Die Ermordung von John Lennon am 8. Dezember 1980 nahm er betrübt auf. Martina Gergaut hatte schon einige Besorgungen für die Geburtstagsfeier ihres Mannes erledigt, als er drei Tage vor seinem 32. Geburtstag einem sinnlosen Mord zum Opfer fiel. Seine Beisetzung auf dem Leipziger Südfriedhof erfolgte mit militärischen Ehren und unter großer Anteilnahme seiner Kollegen und Freunde.
Das Bezirksgericht Leipzig verurteilte Helmut C. am 19. Juni 1981 zu einer lebenslangen Haftstrafe. Die Aussage des Wachpostens Jürgen P. stellte sich später als falsch heraus. Er war von C. nicht von hinten angegriffen worden, sondern hatte sich von ihm in ein Gespräch verwickeln lassen und zugelassen, dass er den Postenbereich betrat. Damit aber hatte er die Dienstvorschriften verletzt. Jürgen P. wurde am 8. April 1981 durch das Militärgericht Halle zu einem Jahr und drei Monaten Freiheitsentzug verurteilt, da er „aufs gröbste gegen bestehende Befehle und Anweisungen” verstoßen habe. Nach der Wiedervereinigung wurde Helmut C. 1991 in einem Wiederaufnahmeverfahren zu 15 Jahren Haft verurteilt und seine Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt.