Am Mittwoch, den 15. August 1962 war es in der Gegend um Rotheul an der thüringisch-bayerischen Grenze bei 26 Grad recht warm. Eine Gruppe von Waldarbeitern war mit dem Fällen und dem Abtransport von Bäumen in dem 100 Meter breiten Sichtstreifen an der Grenze beschäftigt und wurde dabei von einer sechsköpfigen Sicherungsgruppe der DDR-Grenzkompanie Rotheul bewacht. In den bayerischen Nachbargemeinden ruhte wegen Mariä Himmelfahrt die Arbeit. Ein Bauer aus dem bayerischen Burgstall im Kreis Kronach begab sich mit seiner Ehefrau an die Grenze, denn unter den Waldarbeitern auf der DDR-Seite befand sich ein junger Verwandter von ihnen. Das Ehepaar stieß auf einen Polizeimeister der Bayerischen Grenzpolizei, der die Arbeiten auf der Ostseite beobachtete. Sie erklärten ihm, dass sie gerne kurz mit ihrem Verwandten sprechen würden. Der bayerische Polizeimeister rief das Unteroffizier Gerhard Z., der auf der DDR-Seite die Sicherungsgruppe befehligte zu und tatsächlich durfte der 17-jährige Holzarbeiter den 10-Meter-Kontrollstreifen betreten und mit seinen bayerischen Verwandten sprechen. Als Dankeschön für dieses Entgegenkommen holte der Bauer einen Kasten Bier und Zigaretten herbei und beschenkte damit die DDR-Grenzer.
Kurze Zeit später nutzte der junge Waldarbeiter eine passende Gelegenheit und floh über die Grenze in den Westen. Die Soldaten der Sicherungsgruppe berieten völlig verunsichert, was nun zu tun sei. Sie befürchteten hohe Strafen, da sie eine Flucht zugelassen und außerdem Bier und Zigaretten von Westdeutschen angenommen hatten. Spontan vereinbarten sie eine gemeinsame Fahnenflucht. Unteroffizier Gerhard Z. begab sich zum Kontrollstreifen und weihte zwei dort patrouillierenden bayerischen Grenzpolizisten in den Fluchtplan ein. Er werde in der Mittagspause mit seinen Leuten über die Grenze kommen. Gegen 12.50 Uhr, als die Männer der Sicherungsgruppe sich zum Mittagessen niedergelassen hatten, entfernte sich ein Gefreiter, um auszutreten. Als er nach einer Weile nicht zurückkehrte, befürchtete Gerhard Z. Verrat. Er sprang auf und gab das verabredete Signal, indem er mit seiner MPi in die Erde schoss. Dann hastete er in Richtung Grenze. Ein Soldat aus der Sicherungsgruppe gab nun einen Feuerstoß in die Luft ab. Auf der Westseite angelangt warf Gerhard Z. seine Waffe weg und ging am Waldrand in Deckung. Der zur Gruppe gehörende Soldat Edgar Winkler richtete nun unvermittelt seine Waffe auf die anderen Soldaten und rief: „hier haut keiner mehr ab, sonst wird geschossen“. Plötzlich fielen zwei Schüsse aus nördlicher Richtung, Edgar Winkler stürzte am Kopf getroffen zu Boden. Ein Grenzsoldat, der sich in etwa 100 Meter Entfernung auf Streife befand, hatte die Schüsse abgegeben, weil er einen Angriff des Soldaten auf die Sicherungsgruppe vermutete. Edgar Winkler war sofort tot.
Kurz darauf trafen mehrere Offiziere und etwa 40 Soldaten am Ort des Geschehens ein. Mit einer Zeltplane zugedeckt, zog man den Toten an den Füßen hinter einen Reisighaufen. Unteroffizier Gerhard Z. sagte bei seiner anschließenden polizeilichen Befragung, dass er nicht verstehe, warum die anderen Grenzsoldaten nach Abgabe seiner Signalschüsse nicht wie vereinbart mit ihm losgerannt seien. Auch der 19-jährige Edgar Winkler habe sich doch an der Fahnenflucht beteiligen wollen. Seine plötzliche Meinungsänderung war Gerhard Z. unerklärlich. Zwei Tage nach dem Ereignis titelte der Telegraf: „Wieder ein Toter bei Schießerei zwischen Vopos“. In dem Artikel wurde von einer „schweren Schießerei zwischen kommunistischen Grenzwächtern an der Zonengrenze“ berichtet, wobei „ein Zonensoldat von seinen eigenen Genossen erschossen worden“ sei.