Rudi Arnstadt kam als uneheliches Kind zur Welt. Sein Vater starb ein Jahr nach seiner Geburt. Er wurde evangelisch getauft, besuchte von 1933 bis 1940 die Volksschule und arbeitete danach in einer Erfurter Eisengießerei. Seine Pflegeeltern Berthold und Therese Morgenroth gehörten seit Ende der 1920er Jahre der KPD an. Im Sommer 1943 kam Rudi Arnstadt zunächst zum Reichsarbeitsdienst, bevor er im September 1943 Soldat beim Panzerregiment I, Erfurt, wurde. Sein älterer Stiefbruder Hermann, der vor 1933 ebenfalls KPD-Mitglied war, fiel im gleichen Jahr. Rudi Arnstadt selbst nahm 1945 an Kampfhandlungen im Raum Aachen teil. Nach einer dreimonatigen Gefangenschaft im Lager Heide, Schleswig-Holstein, kehrte er nach Erfurt zurück und arbeitete dort bei verschiedenen Firmen. Er gehörte der FDJ und seit 1947 der SED an. Sein Pflegevater starb 1953, seine Pflegemutter war Lehrerin an der Parteischule in Erfurt. Am 7. Juni 1949 nahm Arnstadt seinen Dienst als VP Anwärter bei der Volkspolizei-Bereitschaft in Gotha auf und kam am 26. März 1950 zur Grenzbereitschaft Dermbach. Arnstadt besuchte 1952 die Lehranstalt Sondershausen der Deutschen Grenzpolizei, wo er bei der Abschlussprüfung im „Fach Polit“ durchfiel. 1954 kam er erneut zu einem Lehrgang nach Sondershausen, den er als Unterleutnant beendete.
Stasi-Oberfeldwebel Schumacher von der Operativ-Gruppe Dermbach verpflichtete Rudi Arnstadt am 10. April 1957 als Geheimen Informator „Walter Saal“ zur inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem MfS. Arnstadt war zu diesem Zeitpunkt Zugführer. Er lieferte dem MfS einige Berichte und wurde als zuverlässig eingeschätzt, so dass er bald selbst andere Informanten in der Truppe für den Staatssicherheitsdienst anleitete. Ein Jahr später geriet seine zweite Frau in den Verdacht der Feindtätigkeit, da sie vor dem Abzug der amerikanischen Truppen aus Thüringen Beziehungen mit einem amerikanischen Soldaten hatte, mit dem sie auch später noch Briefe wechselte. Obwohl Arnstadt unterdessen zum Kompanieführer ernannt worden war, brach die Stasi die Verbindung zu ihm ab. Ende März 1962 plante der Staatssicherheitsdienst eine erneute Verpflichtung Arnstadts zur inoffiziellen Zusammenarbeit. Vor Aufnahme der Verbindung kam er jedoch ums Leben.
Das geschah am 14. August 1962 gegen 11 Uhr bei einem Schusswechsel mit Beamten des Bundesgrenzschutzes (BGS). Über das Ereignis gibt es unterschiedliche Darstellungen. Zum Hergang hieß es in einem Bericht von Oberstleutnant Richter, Leiter der Stasi-Bezirksverwaltung Suhl, an Minister Erich Mielke, dass sich Kompanieführer Hauptmann Arnstadt zu persönlichen Kontrollen ins Grenzvorfeld auf DDR-Seite begeben habe, nachdem es durch die BGS-Leute zu Beleidigungen von Pionieren der DDR-Armee gekommen sei. Diese Pioniere hätten im Grenzabschnitt Wiesenfeld „Grenzsicherungsmaßnahmen“ durchgeführt, als sie von den BGS-Männern beschimpft worden seien. Drei BGS-Beamte, einer davon war ein Hauptmann, hätten gegen 11 Uhr DDR-Gebiet betreten. „Der Kompanieführer Hauptmann Arnstadt entschloß sich aufgrund dieser Situation einen dieser Provokateure festzunehmen. Zur Durchführung dieser Maßnahme legte er mit dem Gefreiten R. folgendes fest: Der Gefreite R. sollte die BGS-Angehörigen von rechts umgehen, während er von links sich in die Nähe der BGS-Angehörigen begeben wollte, um sie von dem Gebiet der DDR zu vertreiben und dabei einen festzunehmen. Nach Ansprechen der BGS-Angehörigen durch den Kompanieführer sollte bei Nichtreagieren derselben der Gefreite Roßner einen Warnschuß abgeben. Danach wollte der Kompanieführer von links und der Gefreite R. von rechts versuchen, an die BGS-Angehörigen heranzukommen, um einen davon festnehmen zu können.“ Roßner habe sich dann auftragsgemäß am Zehn-Meter-Streifen entlang in Richtung der Bundesgrenzschützer bewegt, Arnstadt begab sich „in unmittelbare Nähe der BGS-Angehörigen“ und forderte sie auf, „das Gebiet der DDR zu verlassen. Da diese nicht reagierten, gab der Gefreite Roßner, wie befohlen, den Warnschuß ab. Daraufhin erhoben die BGS-Angehörigen die Waffen und eröffneten das Feuer auf den Kompanieführer aus ca. 12 m Entfernung. Von dem Gefreiten Roßner wurde aufgrund dessen ebenfalls das Feuer eröffnet. Der Kompanieführer brach sofort im Feuer des BGS zusammen und wurde durch einen Kopfschuß tödlich getroffen.“ Danach hätten sich die BGS-Leute unter gegenseitigem Feuerschutz ins Hinterland zurückgezogen. Der Tatort befinde sich etwa 250 Meter links der Landstraße, die aus Wiesenfeld in Richtung Staatsgrenze verläuft.
Die drei beteiligten Beamten des Bundesgrenzschutzes auf der Westseite waren Hauptmann Lothar Meißner und seine Sicherungsposten Grenzoberjäger Hans Plüschke und Dieter Stief. Sie wurden nach dem Zwischenfall von dem Fuldaer Kriminaloberkommissar Wekwerth vernommen. Die Waffenkontrolle der eingesetzten BGS-Beamten ergab, dass lediglich drei Schüsse und eine Leuchtkugel abgeschossen wurden. Der Landwirt Josef Pomnitzer, der in unmittelbarer Nähe des Zwischenfalls auf seinem Rübenacker gearbeitet hatte, sagte als Zeuge noch am Tag des Geschehens aus, dass er den Grenzverlauf genau kenne, da sein Acker an der Grenze ende. Er habe genau gesehen, dass der BGS-Hauptmann sich etwa vier Meter von der Grenze entfernt auf westlichem Gebiet bewegte. Dort sei er „von einem ostzonalen Offizier angerufen und zum Stehenbleiben aufgefordert worden. Sofort darauf habe der ostzonale Offizier auf den BGS-Hauptmann mit einer Pistole geschossen und einen Schuß abgegeben.“ Daraufhin habe ein BGS-Angehöriger mit einem Gewehr zurückgeschossen und den ostzonalen Offizier getroffen. BGS-Hauptmann Meißner selbst sagte aus, er habe eine Gruppe von drei Ostoffizieren gesehen, als er den Grenzverlauf inspiziert habe. Diese hätten auf dem Boden gesessen. Auf ihn seien zwei gezielte Schüsse abgegeben worden. Auch die am 14. August 1962 um 14 Uhr durchgegebene Erstmeldung der DDR-Grenztruppen enthält die Angabe, Arnstadt habe „einen Warnschuß aus der Pistole in Richtung des Kontrollpfades drei Meter vor sich in die Erde“ abgegeben.
Westliche Zeitungen meldeten, dass Arnstadt einen Hinterhalt gelegt hätte, um einen BGS-Streifenführer zu kidnappen. Er habe diesen als Tauschobjekt für einen Artillerieschlepper festsetzen wollen, mit dem Anfang August ein Pionier aus seiner Kompanie die Grenze durchbrochen hatte. Dies sei durch Flüchtlingsaussagen bekannt geworden.
Nach der Schießerei am 14. August 1962 fuhren laut Telegraf vom 16. August beiderseits der Grenze gepanzerte Fahrzeuge auf. Die Parole. Illustrierte Zeitschrift für den Bundesgrenzschutz berichtete in ihrer Septemberausgabe, kurz nach dem Zwischenfall seien zwei amerikanische Hubschrauber vor Ort erschienen, um die Bewegungen der DDR-Grenztruppen zu beobachten. Dies hätten Flüchtlinge berichtet. Am 16. August 1962 titelte das Neue Deutschland: „Hauptmann Rudi Arnstadt – ein guter Deutscher. Neue Bluttat der Ultras. Schwere Provokation gegen die Staatsgrenze der DDR bei Bad Salzungen. Hauptmann Rudi Arnstadt von aufgeputschten Söldnern des Bundesgrenzschutzes feige ermordet.“ Anlässlich der Beisetzung Arnstadts am 17. August 1962 unterbrachen die DDR-Radiosender am Vormittag ihr Programm für eine Schweigeminute. Die Berliner Zeitung schrieb am 18. August 1962: „Die schwere Provokation an der DDR-Staatsgrenze, bei der Hauptmann Rudi Arnstadt ermordet wurde, war bereits mehrere Tage vorher bis ins kleinste Detail geplant. Diese Bestätigung von Feststellungen der DDR-Organe ist Freitag aus Kreisen des Bundesgrenzschutzes an westdeutsche Journalisten durchgesickert, die Zweifel an der Darstellung des Bonner Innenministeriums geäußert hatten. Den Journalisten, die sich über das schnelle Reagieren der Kriminalpolizei – nach deren Feststellungen der Mörder das DDR-Gebiet nicht berührt hatte – wunderten, wurde mitgeteilt, dass ‚einige Herren des Innenministeriums‘ die Vorgänge ‚zufällig‘ genau beobachten konnten.“
Die BGS-Zeitschrift Parole schrieb über den Zwischenfall in ihrer Septemberausgabe 1962 unter der Überschrift „Der BGS hat nichts zu verschweigen“, es sei unwahr, dass „die sowjetzonalen Grenzposten einen ‚Warnschuß in die Luft‘ abgegeben hätten“. Der Pistolenschuss von Hauptmann Arnstadt sei direkt am Kopf des BGS-Offiziers vorbeigegangen. Dieser habe sich sofort zu Boden geworfen und dabei seine Landkarte verloren, die später acht Meter vor der Demarkationslinie aufgefunden wurde. Dies belege, dass er die Grenze nicht überschritten habe. Erst als Hauptmann Arnstadt mit seiner Pistole erneut auf den in Deckung gegangenen BGS-Offizier zielte, habe ein BGS-Beamter aus Notwehr zur Abwendung eines unmittelbaren Angriffs gezielt auf Arnstadt geschossen.
Der Begleiter Arnstadts, der damalige Gefreite Karlheinz Roßner, erklärte 1994 in einer Vernehmung: „Für mich selbst war ich nicht dazu bereit, auf Menschen zu schießen.“ Er diente 1962 in Arnstadts Kompanie als Kraftfahrer. Am 14. August 1962 erteilte ihm Hauptmann Arnstadt den Befehl, ein Fahrzeug fertigzumachen und seine Waffe in der Waffenkammer abzuholen. Im Grenzabschnitt fanden zu dieser Zeit Baumaßnahmen durch Pioniereinheiten statt. Arnstadt wollte die dort eingesetzten Sicherungskräfte seiner Kompanie kontrollieren. Im Grenzbereich wurde das Fahrzeug abgestellt. Auf der westlichen Seite hätten Schaulustige die Bauarbeiten beobachtet. Zwei BGS-Beamte seien von dieser Gruppe aus entlang der Grenze patrouilliert. Hauptmann Arnstadt habe ihm erklärt, dass sich die beiden BGS-Leute an einer Ausbuchtung der Grenze auf das Gebiet der DDR bewegen würden und festzunehmen seien. Der Grenzstein, der an dieser Ausbuchtung stand, sei wegen des Bewuchses allerdings nicht erkennbar gewesen. Arnstadt habe ihm befohlen, sich 50 Meter nach rechts zu begeben. Sobald Hauptmann Arnstadt die BGS-Leute angerufen habe, sollte er einen Warnschuss abgeben und dann – sollten die Männer der Aufforderung Arnstadts keine Folge leisten – einen Zielschuss abfeuern. Arnstadt habe wenig später den beiden BGS-Beamten zugerufen: „Stehenbleiben, Sie sind verhaftet!“. Die beiden seien unbeirrt weitergelaufen, daraufhin gab Roßner den befohlenen Warnschuss in die Luft ab. Die beiden BGS-Beamten hätten sich sofort auf den Boden geworfen, er habe dann noch einen Feuerstoß in die Luft abgegeben. Nun begannen die BGS-Beamten zu schießen. Er habe den Luftdruck eines Geschosses am rechten Ohr gespürt und sich zu Boden geworfen. Nach kurzer Zeit hörte er, dass nach Hauptmann Arnstadt gerufen wurde. Als er sich aufrichtete, sah er, dass Arnstadt auf dem Boden lag. Er hatte eine Verletzung am Kopf. Er sei der Meinung, dass man auch ihn damals durch einen Kopfschuss hatte töten wollen. Er könne heute nicht sagen, ob sich die BGS-Beamten tatsächlich auf dem Gebiet der DDR befanden, nehme aber an, dass Hauptmann Arnstadt das genau wusste. Ihn bewege bis heute die Frage, warum Arnstadt eine Festnahme unbedingt erzwingen wollte. Roßner betonte in der Vernehmung nochmals, dass er die Salve aus seiner MPi bewusst in die Luft abgegeben und nicht gezielt auf die BGS-Beamten geschossen habe. Ihm sei später in der Kompanie die Frage gestellt worden, warum er nicht getroffen hatte, worauf er geantwortet habe, sie hätten in der Ausbildung mit der Waffe nicht gelernt, aus der Hüfte zu schießen. Das Ereignis habe hernach in den DDR-Medien eine große Rolle gespielt, und er selbst sei von General Riedel mit der „Medaille für vorbildlichen Grenzdienst“ ausgezeichnet worden.
Am 15. März 1998 wurde der ehemalige BGS-Beamte Hans Plüschke, der als Taxiunternehmer arbeitete, knapp zehn Kilometer von Wiesenfeld entfernt in der Nähe seines Taxis erschossen aufgefunden. Der Mord konnte bis heute nicht aufgeklärt werden.
Karlheinz Roßner äußerte sich später gegenüber dem mdr Thüringen zu dem Vorfall. Hier zur Sendung anklicken.