Otto Scholz kam am 10. Oktober 1937 in der Riesengebirgsstadt Hohenelbe (heute: Vrchlabí, Tschechien) auf die Welt. Nach dem Kriegsende fanden er und seine Angehörigen als Vertriebene im Nordharz ihre neue Heimat. Nach dem Besuch der Forstfachschule verpflichtete sich Otto Scholz für eine dreijährige Dienstzeit bei der Grenzpolizei, die er am 1. August 1958 antrat. Er hoffte, durch den Dienst größere Chancen auf eine Revierförsterstelle zu erhalten. Das Kommando der Grenzpolizei berücksichtigte seinen Wunsch, in der Nähe seines Wohnortes Ilsenburg bleiben zu können, und setzte ihn bei der örtlichen Grenzkompanie ein. Als ihm bereits nach einem Jahr bei der Grenzpolizei eine Revierförsterstelle in der Region in Aussicht gestellt wurde, die er nach dem Ende seiner Dienstzeit übernehmen könnte, schien die Zukunft gesichert, auch im Privatleben. Er heiratete am 22. August 1959 die Pädagogikstudentin Alvera K.
Es war üblich, dass Grenzpolizisten im dichtbewaldeten Eckertal Forstarbeiten verrichteten, zumal wenn sie wie Otto Scholz eine Ausbildung als Forstingenieur hatten. Windbruchschäden mussten geräumt und die Grenzanlagen ausgebaut werden. Mitunter sollte auch der private Brennholzbedarf der Offiziere gedeckt werden. So befahl der Wirtschaftsgruppenführer der Grenzabteilung Ilsenburg am Morgen des 13. September 1959 Otto Scholz, in der Nähe der Pappenfabrik Eckertal Holz zu schlagen. Scholz musste dafür den Zehn-Meter-Kontrollstreifen überschreiten, die Drahtsperre öffnen und ein etwa 80 Meter tiefes Gebiet betreten, auf dem sich Angehörige der Grenzpolizei üblicherweise nicht aufhalten durften, da bis zum Grenzfluss Ecker keine weiteren Sicherungsanlagen mehr existierten.
Gegen 8.30 Uhr patrouillierte eine Kontrollstreife der Grenzkompanie Halberstadt, bestehend aus dem Unteroffizier Klaus B. und dem Soldaten Gerhard G., den Zehn-Meter-Kontrollstreifen, um die dort eingesetzten Grenzposten zu überprüfen. In Höhe der Pappenfabrik Eckertal stießen sie auf ein abgestelltes Motorrad. Kurz darauf vernahmen sie Geräusche aus dem Bereich westlich des Kontrollstreifens. Otto Scholz arbeitete wohl in gebückter Haltung mit dem Rücken zu den Kontrollposten, als er aufschreckte. Klaus B. hatte aus seiner Maschinenpistole einen Warnschuss abgegeben. Der Unteroffizier sagte nach der Tat aus, dass er über den Holzeinschlag nicht informiert gewesen sei und wegen einer ungenügenden Einweisung in das Gelände den genauen Grenzverlauf nicht gekannt habe. So habe er angenommen, dass er einen Fahnenflüchtigen vor sich bemerkte, der sich bereits auf dem Gebiet der Bundesrepublik befand. Während Otto Scholz sich aufrichtete und sich nach den Kontrollposten umwandte, nahm Klaus B. den Karabiner von Gerhard G. und gab einen gezielten Schuss auf Scholz ab. Tödlich in die Brust getroffen, brach Otto Scholz zusammen. Er war bereits der dritte Angehörige der Grenzpolizei, den eigene Kameraden 1959 in der Grenzbereitschaft Halberstadt erschossen, berichtete das Kommando der Grenzpolizei hernach dem Zentralkomitee der SED. Klaus B. rechtfertigte den Schusswaffengebrauch mit dem Hinweis auf eine Äußerung des Kommandeurs der 2. Grenzbrigade, ein toter Deserteur könne beim „Klassengegner“ keine Aussagen mehr machen.
Unteroffizier Klaus B. wurde zunächst in Arrest genommen. Die Militärstaatsanwaltschaft leitete gegen ihn, den verantwortlichen Kommandeur der Grenzabteilung Ilsenburg und den zuständigen Stabschef Ermittlungsverfahren ein. Anders als bei dem Abteilungskommandeur Horst Gerhard E., den die Militärstaatsanwaltschaft wegen der Nichteinhaltung von Befehlen und Dienstvorschriften zu acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilte, stellte der Militärstaatsanwalt das Verfahren wegen Totschlags gegen Klaus B. ebenso ein wie die Ermittlungen gegen den Stabschef der Grenzabteilung Ilsenburg, Oberleutnant Kurt R. Dieser hielt den Kontakt mit der jungen verwitweten Frau Scholz aufrecht und half ihr nach Beendigung ihres Studiums bei der Suche nach einer Arbeitsstelle als Lehrerin. Über den konkreten Tatablauf ließ er sie dennoch im Dunklen, indem er behauptete, ihr Mann sei einem bedauerlichen Unfall zum Opfer gefallen.
Die Zentrale Erfassungsstelle in Salzgitter nahm nach der Aussage eines geflüchteten Grenzsoldaten 1963 die Ermittlungen zu dem Todesfall auf, wobei sie Otto Scholz fälschlicherweise unter dem Namen „Braun“ führte. Nach 1990 ermittelte die ZERV den Aufenthalt des Schützen und vernahm ihn. Klaus B. erklärte dabei im Gegensatz zu seinen früheren Angaben und den Aussagen von Zeugen, er habe lediglich auf ein Rascheln der Zweige hin „Halt, stehenbleiben, Deutsche Grenzpolizei!“ gerufen und Warnschüsse abgegeben. Otto Scholz habe er gar nicht gesehen und auch nicht auf ihn gezielt. Zu einer Anklageerhebung gegen Klaus B. kam es nicht mehr. Er verstarb im Januar 1994.