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Biografisches Handbuch

Frank Mater

geboren am 1. Mai 1963 in Eisenach | getötet durch Minenexplosion am 22. März 1984 | Ort des Vorfalls: nahe Wendehausen (Thüringen)
An einem Frühlingstag im März 1984 begab sich Frank Mater mit einem Kofferradio zu den Grenzanlagen an der thüringisch-hessischen Grenze. Eine Splittermine verletzte ihn schwer. Aufgrund innerer Verblutungen verstarb er noch am Unglücksort.

Frank Mater wurde am 1. Mai 1963 in der Wartburgstadt Eisenach, im Westen Thüringens, geboren. Als Kleinkind kam er in eine Pflegeeinrichtung und danach in verschiedene Kinderheime. Es folgte von 1973 bis 1979 eine Behandlung in der Kinderpsychiatrie in Wülfingerode. Dort besuchte er eine Förderschule, die er mit der 8. Klasse abschloss. Anschließend lebte Frank Mater bei seiner Mutter. Seine Lehre als Teilfacharbeiter für Lager- und Transportarbeiten beendete er im Jahre 1980 erfolgreich. Nach kurzer Berufstätigkeit wies man ihn in das Bezirksfachkrankenhaus für Psychiatrie in Mühlhausen ein, wo er sich bis 1983 in stationärer Behandlung befand. Danach erhielt Frank Mater einen Rehabilitationsarbeitsplatz in der LPG Mihla als Hilfsarbeiter. In der Ortschaft bezog er eine eigene Wohnung, eine 70-jährige Rentnerin aus der Gemeinde übernahm als seine einzige Bezugsperson seine Betreuung.

An einem Frühlingstag, dem 22. März 1984, verließ Frank Mater vormittags unbemerkt seine Arbeitsstelle. Kollegen sahen ihn gegen 11 Uhr zum letzten Mal. Der groß gewachsene, blonde junge Mann machte sich auf den Weg in Richtung Grenze. In Treffurt erreichte er den im Norden gelegenen Stadtwald, in dessen Schutz er sich weiter bis nach Kortal bewegen konnte. Gegen 12.45 Uhr, in der Nähe der Straße von Kleintöpfer nach Wendehausen erreichte er den Grenzsignalzaun, den er überkletterte. Dabei löste er einen Grenzalarm am Signaldraht aus. Nun waren die Grenzposten alarmiert. Frank Mater lief noch über einen Kilometer weiter durch einen dichten Wald, passierte eine Senke und bewegte sich dann durch offenes Gelände auf einen Geröllhang zu. Dort befand sich der durch Selbstschussanlagen gesicherte Hauptgrenzzaun. Gegen 13.30 Uhr löste Mater – vermutlich mit einem Holzstab – eine am Zaun installierte Splittermine (SM-70) aus. Die herausgeschleuderten Stahlsplitter fügten ihm mehrere schwere Verletzungen zu. Er wurde am Oberkörper, im Unterbauch und am linken Oberschenkel getroffen. Wenige Minuten später trafen zwei Grenzsoldaten am Ort des Geschehens ein. Am Grenzzaun entdeckten sie Frank Mater, der am Zaun lag und sich vor Schmerzen krümmte. Zu diesem Zeitpunkt war der 20-Jährige noch ansprechbar. Nach Aufforderung der Posten gelang es ihm noch, sich selbstständig aus dem Gefahrenbereich zu rollen. Auf Nachfrage antwortete er, dass er allein unterwegs sei. Gegen 14 Uhr konnten die Grenzer den Schwerverletzten bergen und Erste Hilfe leisten. Doch sein Puls wurde immer schwächer. Wiederbelebungsversuche verliefen erfolglos. Gegen 14.30 Uhr stellte der herbeigerufene Arzt den Tod Frank Maters fest. Aufgrund innerer Blutungen verstarb er noch am Unglücksort. Später fand man am vorgelagerten Grenzsignalzaun eine Umhängetasche, die Frank Mater dort zurückgelassen hatte. Er hatte ein Kofferradio, ein paar Strümpfe und ein Ladegerät für Batterien mitgenommen.

Mit welchem Ziel sich Frank Mater in den Grenzbereich begeben hatte, lässt sich aus den DDR-Untersuchungsakten nicht rekonstruieren. Da er sich in neurologischer Behandlung befand, wurde vermutet, dass er keine Flucht aus der DDR beabsichtigte, sondern einer spontanen Eingebung gefolgt sei. Einen Tag nach dem tragischen Tod Frank Maters erhielt seine Mutter die Information, ihr Sohn sei bei der Begehung einer Straftat tödlich verletzt worden. Der im Bürgermeisteramt Mihla hinterlegte Totenschein vermerkte als Todesursache: „Verletzung auf nicht näher bezeichnete Art und Weise bei gesetzlichen Maßnahmen“. Aus den Überlieferungen des DDR-Staatssicherheitsdienstes geht hervor, dass der Totenschein keiner Zivilperson zugänglich war und die offiziellen Sterbeunterlagen keine Angaben über Frank Maters Tod an der Staatsgrenze enthielten. In der Sterbeurkunde heißt es, Frank Mater sei am 22. März 1984 um 14.20 Uhr in Mihla verstorben.

Am frühen Morgen des 28. März 1984 fand auf dem Friedhof in Eisenach die Trauerfeier für Frank Mater statt. Seine Mutter, ihr Partner und die Rentnerin aus der Gemeinde Mihla, die sich um ihn gekümmert hatte, nahmen daran teil. Zwei Tage später wurde seine Urne beigesetzt.

Die strafrechtlichen Ermittlungen in den 1990er Jahren führten zur Anklage eines damaligen Kommandeurs des zuständigen Grenzregimentes. Dieser hatte am 16. November 1983 einen Befehl zur weiteren Nutzung und dem „pioniertechnischen Ausbau“ der Grenzanlagen unterzeichnet. Der Angeklagte wurde zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Ein weiterer Angeklagter, der an der Ausarbeitung dieses Befehls als Stellvertreter des Kommandeurs und Stabschefs beteiligt war, wurde zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt.


Biografie von Frank Mater, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/229-frank-mater/, Letzter Zugriff: 21.11.2024