Nach seinem Schulabschluss mit der 12. Klasse absolvierte Hans-Georg Lemme eine Lehre als Maschinenschlosser. Am 2. November 1973 trat er seinen Wehrdienst bei der Volkspolizei-Bereitschaft „Karl-Liebknecht“ des Bezirks Schwerin an, wo er zunächst als Schützenpanzerfahrer und dann als Maschinengewehrschütze ausgebildet wurde. Im Sport habe er „Höchstleistungen gezeigt“, heißt es in einer Beurteilung der Volkspolizei, die seine Haltung zum Wehrdienst jedoch negativ beurteilte. Das habe sich „in mangelnder Dienstdurchführung und Undiszipliniertheiten“ gezeigt. Sein Gruppenführer strich ihm deshalb mehrmals den Ausgang. Gegenüber Stubenkameraden äußerte Lemme wiederholt, er „habe die Schnauze voll“.
Am 18. August 1974 verließ Hans-Georg Lemme nach dem Frühstück die Kaserne, zog sich in Schwerin bei einem Freund Zivilkleidung an und fuhr zu seinen Eltern nach Groß Breese. Dort kam er am Vormittag an. Von dem in der Nähe des brandenburgischen Wittenberge gelegenen Dorf aus machte er sich am frühen Nachmittag mit dem Fahrrad auf den Weg zur etwa 20 Kilometer entfernten Elbe. Seine Mutter dachte zunächst, ihr Sohn wolle baden fahren, sein Geld und seinen Wehrpass hatte er zurückgelassen. Als gegen 16 Uhr seine Abwesenheit in der Kaserne bemerkt wurde, lief eine Eilfahndung nach ihm an. Die Polizei begann, das Elternhaus zu überwachen und vernahm die ahnungslose Frau Lemme. Die Volkspolizei und die Grenztruppen in den Kreisen Perleberg und Ludwigslust erhielten Befehl zur verstärkten Grenzsicherung.
Die nun folgende Nacht muss Hans-Georg Lemme im Freien verbracht haben. Am 19. August 1974 sprang er kurz nach 21 Uhr bei Cumlosen (Elbkilometer 469) in die Elbe und schwamm in nördliche Richtung. Ab Elbkilometer 472,5 war es möglich, auf die niedersächsische Seite hinüberzuwechseln. Von hier an wurde der Elbabschnitt besonders intensiv überwacht. Von den Hunden alarmiert, bemerkten zwei Grenzposten gegen 22.10 Uhr den Schwimmer und erfassten ihn mit dem Lichtkegel ihres Scheinwerfers. Als er ihrer Aufforderung, ans Ufer zu kommen, nicht folgte, feuerten sie Warnschüsse ab. Auch ein mit drei Mann besetztes Grenzsicherungsboot, das etwa 350 Meter entfernt an einer Buhne vor Anker lag, nahm Kurs auf den Schwimmenden und schnitt ihm den Weg zum niedersächsischen Ufer ab. Der Bootsführer, Unteroffizier Hans Ulrich P., forderte ihn auf, einen Enterhaken zu ergreifen und an Bord zu kommen. Lemme erwiderte, „ich kann nicht, ich kann nicht!“, dann feuerte auch der Bootsführer Warnschüsse ab. Überliefert ist der erschrockene Ausruf Lemmes: „Das könnt ihr doch nicht machen, ich bin einer von euch, ihr könnt doch nicht schießen!“
Obwohl Hans-Georg Lemme ein sehr guter Schwimmer war, zeigte sich zunehmend seine körperliche Erschöpfung. Das Grenzsicherungsboot versperrte ihm mehrmals den Weg und die Besatzung versuchte, ihn an Bord zu holen, doch Lemme tauchte wiederholt unter dem Boot durch. Dessen Bootsführer fürchtete einen Misserfolg. Erst kurz zuvor war er wegen des Hörens westlicher Rundfunksendungen mit einem Verweis belegt und für mehr als ein Jahr aus dem direkten Grenzdienst entfernt worden. Auch erinnerte er sich, dass an der gleichen Stelle einige Wochen zuvor eine Flucht gelungen war und die damals eingesetzte Bootsbesatzung sich dafür hatte verantworten müssen. Nun sah er, wie sich der Flüchtling immer weiter den Buhnen auf der Westseite näherte. Während er versuchte, das Boot möglichst nahe an den schwimmenden Flüchtling heran zu manövrieren, gab ein am DDR-Ufer eingesetzter Grenzposten gezielt Schüsse auf den Mann im Wasser ab. Er stellte das Feuer erst ein, nachdem der Bootsführer ihn wegen der Eigengefährdung dazu aufforderte. Was dann am Ende des etwa 35-minütigen Einsatzes geschah, ist unterschiedlich überliefert. Nach dem Untersuchungsbericht der Grenztruppen verfolgte Hans Ulrich P. mit dem Boot den Flüchtling. „Als er sich 5–6 m dem GV [Grenzverletzer] genähert hatte, schaltete er den Rückwärtsgang ein, um das Boot zu stoppen, dabei fiel ihm ein Motor aus, wodurch der Bremsvorgang verzögert und der Grenzverletzer kurz vor der Staatsgrenze überfahren wurde.“ Das MfS berichtete hingegen von einem Befehl des Bootsführers, „die schwimmende Person mit dem Boot zu überfahren“. Das Grenzsicherungsboot suchte in dieser Nacht noch etwa 15 Minuten lang die Elbe mit einem Scheinwerfer ab, doch der Flüchtling tauchte nicht wieder auf.
Am Morgen des 6. September 1974 bargen Angehörige der Grenztruppen gegenüber Schnackenburg die Leiche von Hans-Georg Lemme. Sie wies starke Verletzungen an Kopf und Hals auf, die nach Auffassung der Militärstaatsanwaltschaft von einer Schiffsschraube herrühren konnten. Den Gerichtsmedizinern der Universität Rostock war es aufgrund der langen Liegezeit der Leiche im Wasser nicht mehr möglich, die genaue Todesursache zu attestieren. Es bleibt deshalb offen, ob Lemme die Verletzungen noch zu Lebzeiten erhielt, oder ob er bereits ertrunken war. Auf dem Totenschein, den die Eltern erhielten, stand schließlich: „wahrscheinlich ertrunken“. Bereits einen Tag nach der Bergung wurden Lemmes sterbliche Überreste im verschlossenen Sarg nach Groß Breese überstellt. Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes überwachten die Trauerfeier am 10. September 1974. Sie hielten in einem Bericht fest, dass rund 175 Personen Hans-Georg Lemme das letzte Geleit gaben, unter ihnen „alle Jugendlichen aus der Gemeinde“. Lemme sei in der Grabrede des Pfarrers als mutiger und tapferer Mensch geschildert worden, der an ein anderes Leben glaubte.
Gegenüber der DDR-Militärstaatsanwaltschaft Schwerin erklärte Bootsführer Hans Ulrich P. im Juni 1990 seine Angaben aus dem Jahr 1974 zur Falschaussage. Er habe Lemme nicht mit Absicht überfahren, töten oder verletzen wollen. „Grund für meine damalige Aussage war, daß ich meinen Stand im Dienstkollektiv und speziell vor meinen Vorgesetzten verbessern wollte.“ Doch der mit der Untersuchung beauftragte Stabschef des GK Nord beurteilte dies anders. Sein Untersuchungsbericht kritisierte das Vorgehen der Bootsbesatzung als „unentschlossen und nicht zielstrebig“, da es trotz der unmittelbaren Nähe des Bootes nicht gelungen sei, „die Festnahme, besonders unter Anwendung des Enterhakens durchzuführen“. Das Landgericht Schwerin kam im Juli 1998 nach der Rekonstruktion des Tathergangs zu dem Schluss, Hans Ullrich P. habe nicht mit Tötungsvorsatz gehandelt und sprach ihn frei. Er selbst betonte, wie sehr ihn das damalige Geschehen noch immer belaste und in Träumen quäle.
Vielleicht hätte Lemmes Angehörigen die Wahrheit über seine Todesumstände in ihrer Trauer geholfen. Doch erst nach Öffnung der Stasi-Akten bestätigte sich die Ahnung der Eltern, dass ihr Sohn bei einem Fluchtversuch sein Leben lassen musste. 40 Jahre nach dem Vorfall, am 20. August 2014, weihten Vertreter der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft e. V. (UOKG) gemeinsam mit der Ortsteilvertretung Lütkenwisch der Gemeinde Lanz am Parkplatz des dortigen Fähranlegers ein wiedererrichtetes Grenzzaunsegment als Mahnmal ein, um an das Schicksal des erst 21-jährigen Hans-Georg Lemme zu erinnern. Der Platz am Fähranleger Lütkenwisch-Schnackenburg selbst erhielt am 3. Oktober 2014 im Rahmen einer gemeinsamen Gedenkveranstaltung der Gemeinden Schnackenburg und Lanz den Namen Hans-Georg-Lemme-Platz. Die Gemeinde Breese will die Pflege des Grabes auch für die Zukunft sicherstellen.